Frauen in Bosnien + Herzegowina Opfer von Kriegsvergewaltigungen warten noch immer auf Gerechtigkeit

29. März 2012
1992 blickte ganz Europa mit Entsetzen auf das ehemalige Jugoslawien, wo Zehntausende von Frauen im Krieg vergewaltigt wurden. Wer kümmert sich heute um die Opfer? Amnesty International hat sie befragt.

bosnie.jpg In einem Dorf bei Zvornik haben die BewohnerInnen ein Denkmal für 120 im Krieg vergewaltigte Frauen errichtet. © AI

Zwanzig Jahre nach Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien (1992-1995) haben Frauen, die damals Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Folter wurden, noch immer keine Gerechtigkeit erfahren. Im Jahr 2010 - spät genug und nur auf Druck von nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (darunter auch Amnesty International) - versprach die bosnische Regierung, ein «nationales Programm für Opfer von sexueller Gewalt während oder nach dem Konflikt» in die Wege zu leiten. Doch das Programm ist aufgrund einer politischen Pattsituation noch immer nicht fertiggestellt, geschweige denn umgesetzt. Derweil laufen zahlreiche Täter straflos herum: Von den Zehntausenden von Kriegsvergewaltigungsfällen landeten bisher weniger als 40 vor dem Ex-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag oder vor nationalen Gerichten in Bosnien-Herzegowina.

Ein neuer Bericht von Amnesty International, der am 29. März 2012 an einer Medienkonferenz in Sarajewo veröffentlicht wurde, dokumentiert die Aussagen von Vergewaltigungsopfern in Tuzla. Die bosnische Stadt wurde während des Krieges Tausenden von ihnen zum Zufluchtsort; viele sind auch danach geblieben , weil sie nicht in die Republika Srpska zurückkehren konnten oder wollten. Die Frauen schildern die schweren psychischen und physischen Probleme, unter denen sie leiden, darunter posttraumatische Stresssymptome, Angstzustände, sexuell übertragbare Krankheiten, Diabetes, Bluthochdruck und Schlafstörungen. Die wenigsten verfügen über eine Krankenversicherung, die ihnen eine adäquate Behandlung ermöglichen würde. Beratung und Unterstützung erhalten sie - wenn überhaupt - noch immer am ehesten durch nichtstaatliche Solidaritätsorganisationen, die bemerkenswerte Leistungen erbringen.

Amnesty International fordert die nationalen und lokalen Behörden von Bosnien-Herzegowina auf, die Opferrechte endlich mit der geforderten Priorität zu behandeln und für Wahrheitsfindung und Genugtuung sowie für die Entschädigung und Wiedereingliederung der Opfer zu sorgen.

Bericht «Old crimes, same suffering» in englischer Sprache.

Bericht in bosnischer Sprache.