Wie kein anderer EU-Staat ist Griechenland an der Südgrenze der EU mit einer enormen Anzahl von illegal einreisenden MigrantInnen aus dem Osten konfrontiert. Laut Schätzungen der griechischen Behörden waren es allein 2008 rund 150'000 Menschen vor allem aus Afghanistan, Irak, Iran und weiteren Ländern, die über die Türkei illegal in die EU eingereist sind. Die filigrane Küstenlinie in der mit vielen Inseln übersäten Ägäis misst über 18000 Kilometer und ist für die griechische Küstenwache praktisch unkontrollierbar.
Griechenland ist ein offenes Tor nach Europa und steht für illegal Einreisende an erster Stelle. In den bekannten Touristenhochburgen Lesbos, Samos, Chios und weiteren Inseln im Osten der Ägäis kommen täglich bis zu 500 MigrantInnen an, Boot für Boot, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Alle neu Ankommenden werden bis zu drei Monate inhaftiert – unter ihnen Familien mit Babys, Behinderte, Folteropfer, Schwerkranke. Unter den Flüchtlingen gibt es viele Kinder, die ohne Eltern oder Geschwister unterwegs sind, Mädchen und Jungen, die gerade mal zehn Jahre alt sind. Sie werden unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten.
Behörden überfordert
Immer wieder kommt es zu Misshandlungen und gezielter Folter durch die griechischen Polizeibehörden. Die Asylsuchenden haben keine Chance auf ein faires Asylverfahren. Seit Jahren bereits existieren illegale Hüttensiedlungen, zum Beispiel in der Hafenstadt Patras, wo Tausende von MigrantInnen auf Schlepper warten, die sie nach Italien und in weitere EU-Länder bringen. Die meisten wollen nicht in Griechenland bleiben, sondern versuchen, als schwarze Passagiere auf Lastwagen oder auf Schiffen weiter in den Norden Europas zu reisen.
Das Dublin II-Abkommen zwischen den EU-Ländern verpflichtet die Asylsuchenden, ihren Asylantrag im Einreiseland zu stellen. Dabei können sie im gesamten EU-Raum nur einmal einen Antrag stellen. Aufgegriffene illegal eingereiste Menschen werden ins Einreiseland abgeschoben. Viele EU-Staaten schieben damit ihre Verantwortung direkt an die Länder im Süden der EU zurück.
Die Schweiz hat seit dem Beitritt zu Dublin II am 26. Dezember 2008 126 Asylsuchende nach Griechenland zurückgeschickt. Weitere rund 430 Fälle sind pendent. In einigen davon wird die Wegweisung nach Griechenland laut dem Bundesverwaltungsgericht als unzumutbar betrachtet. Vereinzelt haben gewisse EU-Länder stillschweigend damit begonnen, die Rückschaffungen nach Griechenland auszusetzen.
Juni 2010