«Die neue griechische Regierung sollte jetzt ihre Chance nutzen und die nötigen Massnahmen ergreifen, damit Polizei- und Justizbehörden Vorfälle von Polizeigewalt rasch, unparteilich und effektiv untersuchen», sagte David Diaz-Jogeix von Amnesty International anlässlich der Vorstellung des Berichts in Athen.
Die griechischen Behörden haben solche Vorkommnisse bisher meist als «isolierte Einzelfälle» abgetan. Der neue Amnesty-Bericht Police violence in Greece: Not just 'isolated incidents' zeigt eine andere Realität.
Die strengen Sparmassnahmen der Regierung im Zuge der sich verschärfenden Wirtschaftskrise haben viele Demonstrationen provoziert. Obwohl diese weitgehend friedlich verliefen, reagierte die Polizei gemäss zahlreichen Berichten von Betroffenen oft mit exzessiver Gewalt. Unter anderem setzte sie in einer Art und Weise chemische Reizstoffe und Blendgranaten ein, die internationale Normen verletzt.
Demonstranten, die verhaftet und ins Gefängnis gebracht wurden, erhielten keinen Zugang zu Ärzten oder Rechtsanwältinnen. Misshandelt werden oft auch Angehörige von Minderheiten oder verletzliche Gruppen, etwa Asylsuchende, Migranten oder Roma.
«Polizeibeamte, die strafbare Handlungen begehen, kommen oft unbehelligt davon. Ihre Opfer haben keine Chance, entschädigt zu werden oder Wiedergutmachung zu bekommen», sagt David Diaz-Jogeix. «Grund dafür sind die systemimmanenten Probleme in der Untersuchung, Verfolgung und Bestrafung von Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Polizei. Dazu kommt, dass der Tatbestand der Folter im griechischen Strafgesetz deutlich enger definiert ist als in internationalen Verträgen, die Griechenland unterzeichnet hat.»
Zwei Fallbeispiele
Manolis Kypreos beobachtete als Journalist auf dem Syntagma-Platz in Athen die Demonstrationen gegen die Sparprogramme der Regierung. Gegenüber Amnesty International berichtete er, wie am 15. Juni 2011 der Kommandant einer Polizeieinheit einen Polizeibeamten anwies, eine Blendgranate auf ihn zu werfen. Seinen Aussagen gemäss hatte er sich kurz zuvor als Journalist zu erkennen gegeben. Manolis Kypreos erlitt einen totalen Gehörverlust auf beiden Ohren, was das Ende seiner Karriere als Journalist bedeutete. Ende 2011 hat die Athener Staatsanwaltschaft in erster Instanz Klage gegen die bisher nicht identifizierten Polizisten wegen schwerer Körperverletzung erhoben. Briefaktion für Manolis Kypreos
Yiannis Kafkas, ein arbeitsloser Psychologe und Nachdiplomstudent der Fotografie, wurde an einer Anti-Austeritäts-Demonstration am 11. Mai 2011 von der Einsatzpolizei dermassen heftig geschlagen, dass er beinahe tödliche Kopfverletzungen erlitt. Gemäss seinem Anwalt und seiner eigenen Aussage wurde er mit einem der Feuerlöscher, die die Einsatzpolizei gewöhnlich mit sich führt, traktiert. Er musste 20 Tage im Spital bleiben, 10 davon auf der Intensivstation nach einer Notoperation. Im Februar 2012 übermittelte die Polizei ihre Erkenntnisse bezüglich der Attacke auf Yiannis Kafkas an den Athener Staatsanwalt. Bis anhin hat dieser den vorliegenden Informationen gemäss jedoch noch nicht entschieden, ob eine Klage gegen einen bekannten oder gegen einen noch immer nicht identifizierten Polizeibeamten eingereicht werden soll.
Medienmitteilung veröffentlicht: London/Bern, 3. Juli 2012
Medienkontakt