Diese Migranten werden in der griechischen Stadt Tychero festgehalten. © Bradley Secker / Demotix
Diese Migranten werden in der griechischen Stadt Tychero festgehalten. © Bradley Secker / Demotix

Griechenland Polizeiwillkür und rechtsextreme Gewalt gegen Asylsuchende

Griechenland missachtet weiterhin in grober Weise die Rechte von Asylsuchenden und Migranten, warnt Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Situation spricht Menschenrechtsstandards Hohn und ist der EU als Friedensnobelpreisträgerin unwürdig.

N. aus Aleppo (Syrien) hatte im Juni 2012 in einem Boot mit sechs anderen syrischen Flüchtlingen gerade die Mitte des Grenzflusses Evros erreicht, als ein Patrouillenboot der griechischen Polizei auftauchte und das Schlauchboot zurück in Richtung Türkei stiess. Ein Polizist stach ein Messer in die Kunststoffhülle des Bootes und brachte es zum Sinken. Den Flüchtlingen blieb keine andere Wahl, als zur türkischen Grenze zurückzuschwimmen.

Dies ist nur eines von zahlreichen Fallbeispielen, mit denen der neue Amnesty-Bericht Griechenland: Endstation für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten die alltägliche menschenverachtende Gewalt belegt, der Flüchtlinge und Migranten in Griechenland ausgesetzt sind.

«Die Menschenrechtsverletzungen an Migranten und Asylsuchenden in Griechenland erreichen allmählich die Ausmasse einer humanitären Krise», sagte John Dalhuisen, Amnesty-Programmleiter für Europa und Zentralasien, zur Lancierung des Berichts. «Vor dem Hintergrund zunehmenden Migrationsdrucks, einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise und wachsender Fremdenfeindlichkeit erweist sich der griechische Staat als unfähig, den Tausenden von Asylsuchenden und Migranten, die alljährlich ins Land kommen, auch nur ein Minimum an Sicherheit und Schutz zu gewährleisten.»

Die grossen Belastungen, denen Griechenland ausgesetzt ist, dürfen nicht als Entschuldigung herhalten für die zahlreichen Hindernisse, die Asylsuchenden in den Weg gestellt werden. Aufgrund eines Gesetzes wurde 2011 eine Stelle neu eingerichtet, die Asylgesuche beurteilen sollte. Sie hat aber wegen Personalmangels noch keinen einzigen Fall behandelt. Derweil gelingt es nur rund 20 Personen, an dem einzigen Tag pro Woche, an dem das Fremdenpolizeiamt in Athen offen hat, ein Asylgesuch zu deponieren. In der langen Schlange, die sich jeweils schon Tage im Voraus vor dem Amt bildet, kämpfen Dutzende von Asylsuchenden um ihre Chance.

Wer es nicht schafft oder den Versuch aufgibt, ein Asylgesuch zu stellen, wird schnell einmal Opfer einer Polizeirazzia und landet in einer der überfüllten Hafteinrichtungen, in denen katastrophale Bedingungen herrschen. Amnesty International vermutet dahinter eine gezielte Abschreckungsstrategie.

Besonders schlimm ist die Situation von unbegleiteten Minderjährigen. «Im Haftlager Korinth etwa haben wir kürzlich mehrere Kinder angetroffen, die inmitten von Erwachsenen unter miserablen Bedingungen festgehalten wurden», so Dalhuisen. «Findet man keinen Platz in einem Empfangszentrum für sie, werden sie ganz einfach auf die Strasse gestellt und sich selbst überlassen.»

Ein weiteres Problem sind rassistisch motivierte Angriffe, die 2012 massiv zugenommen haben. Asylsuchende, Migrantinnen und Migranten, Gemeinschaftszentren, Geschäfte und Moscheen sind die Zielscheibe rechtsextremistischer Attacken, von denen seit Mitte Jahr fast täglich berichtet wird. Amnesty fordert von den Behörden, ihre Passivität gegenüber diesen Vorfällen aufzugeben, sie in aller Deutlichkeit zu verurteilen und rassistische Gewalttaten konsequent strafrechtlich zu verfolgen.

Zu Recht haben die meisten europäischen Länder im Anschluss nach dem einschlägigen Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von 2011 beschlossen, keine Asylsuchenden mehr nach Griechenland zurückzuschaffen, bis das Land sein Asylsystem verbessert hat. «Die anderen Länder müssen aber ihrerseits Verantwortung mittragen und die Behandlung von Asylanträgen wie auch die Unterstützung von Asylsuchenden innerhalb der EU gleichmässiger unter sich aufteilen», fordert Dalhuisen.

Medienmitteilung veröffentlicht: London / Bern, 20.12.2012
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