Das höchste griechische Verwaltungsgericht hat geurteilt, dass die bisher geltende Residenzpflicht für Asylsuchende nicht rechtmässig ist. Diese sieht vor, dass seit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals am 20. März 2016 irregulär Eingereiste nicht auf das griechische Festland weiterreisen dürfen. Das gilt auch für Asylsuchende.
Weiterreise möglich
Die Verhältnisse für tausende Menschen, die auf den griechischen Inseln Lesbos, Rhodos, Samos, Kos, Leros und Chios festsitzen, sind unzumutbar. Mit dem Gerichtsurteil wird nun die Residenzpflicht aufgehoben und die neu ankommenden Personen werden auf das griechische Festland weiterreisen dürfen. Dies gilt aber nicht für diejenigen, die seit vielen Monaten unter schutzlosen und unzureichenden Bedingungen in den Flüchtlingslagern auf den Inseln festsitzen.
Der EU-Türkei-Deal sieht vor, alle diejenigen zurückzuführen, die über das ägäische Meer angekommen sind. Dies geschieht unter der falschen Annahme, dass die Türkei ein «sichererer Drittstaat» sei. Bisher wurde nur ein Bruchteil dieser Personen zurückgeführt. Der Grossteil befindet sich in überfüllten Lagern, die weder ausreichende Wohnbedingungen noch sanitäre Einrichtungen oder medizinische Versorgung bieten.
Unverhältnismässige Verantwortung
Laut der Gerichtsentscheidung gibt es für die von der griechischen Asylbehörde auferlegte Residenzpflicht keine rechtliche Grundlage. Sie belastet zudem die betroffenen Inseln unverhältnismässig. Stattdessen muss eine gleichmässigere Verteilung auf das Festland gewährleistet werden. Amnesty International begrüsst diese Entscheidung und fordert, dass zusätzlich zu den neu ankommenden Personen auch denjenigen eine Weiterreise auf das Festland erlaubt wird, die sich bereits auf den Inseln befinden.
Zudem offenbart die bisherige Situation, dass wenige Regionen, wie etwa die griechischen Inseln, nicht nur gegenüber Griechenland, sondern auch gegenüber ganz Europa einen unverhältnismässig grossen Teil der Verantwortung bei der Aufnahme von Schutzsuchenden übernehmen. Die EU muss diese Asylpolitik beenden, die menschliches Leid an die Aussengrenzen Europas auslagert und unsichtbar zu machen versucht. Stattdessen muss Europa ein verantwortungsvolles, solidarisches und humanes Asylsystem gestalten, das eine gerechtere Umverteilung vorsieht.