Griechinnen demonstrieren am Internationalen Tag der Arbeit für ihre Rechte. ©  Alexandros Michailidis / shutterstock.com
Griechinnen demonstrieren am Internationalen Tag der Arbeit für ihre Rechte. © Alexandros Michailidis / shutterstock.com

Griechenland Sexuelle Gewalt: Neues Gesetz zu Vergewaltigung

7. Juni 2019
Grosser Erfolg für Frauenrechte: Griechenland wird das neunte Land in Europa, das Sex ohne Einwilligung als Vergewaltigung anerkennt.

Nach heftigen Debatten hat die griechische Regierung am 6. Juni 2019 beschlossen, das Strafgesetzbuch doch zu ändern: Damit wird nun gesetzlich anerkannt, dass Sex ohne Zustimmung Vergewaltigung ist. 

Eirini Gaitanou, Campaignerin von Amnesty International Griechenland, dazu: «Dies ist ein historischer Sieg, nicht nur für die Engagierten, die lange und hart für diesen Tag gekämpft haben, sondern für alle Frauen in Griechenland. Dieses neu geänderte Gesetz erkennt endlich die einfache Wahrheit an, dass Sex ohne Zustimmung eine Vergewaltigung ist, und macht deutlich, dass körperliche Gewalt nicht erforderlich ist, damit das Verbrechen als Vergewaltigung angesehen werden kann.»  Gaitanou weiter: «Es ist jetzt an der Zeit, dass allen Beteiligten im Strafrechtssystem klare Leitlinien gegeben werden, wie diese Gesetzesänderung umgesetzt werden muss, um es Überlebenden von sexueller Gewalt zu erleichtern, Gerechtigkeit zu erlangen.»

«Leider ist Griechenland bisher erst das 9 neunte Land in Europa, das anerkennt, dass Sex ohne Zustimmung Vergewaltigung ist. Der heutige Entscheid der Regierung zeigt jedoch, dass Veränderungen möglich sind. Er wird allen, die sich in anderen europäischen Ländern ebenfalls für ein auf Konsens basiertes Gesetz engagieren, Mut machen.»

Hintergrund

Die Istanbul Konvention, die Griechenland vor fast genau einem Jahr am 18. Juni 2018 ratifiziert hat, besagt dass Vergewaltigungen und alle anderen sexuellen Handlungen ohne Einwilligung als Straftaten einzustufen sind.

Gesetze oder auch die juristische Praxis, die davon ausgehen, dass ein Opfer seine Zustimmung gab, wenn es sich körperlich nicht gewehrt hat, sind äusserst problematisch. Gemäss ExpertInnen kommt es nämlich häufig zu einer «unfreiwilligen Lähmung» oder «Schockstarre» als physiologische und psychologische Reaktion auf sexuelle Übergriffe, womit ein Widerstand gegen den Übergriff nicht mehr möglich ist . Diese bisherige Konzentration auf Widerstand und Gewalt statt auf Zustimmung wirkte sich nicht nur auf die Anzeigebereitschaft von Vergewaltigungen aus, sondern auch auf ein breiteres Bewusstsein für sexuelle Gewalt. Beides sind Schlüsselaspekte bei der Verhütung von Vergewaltigungen und bei der Bekämpfung von Straflosigkeit.

Gesetzesänderungen allein werden nicht bewirken, dass es keine Vergewaltigungen mehr gibt. Aber es ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg, Gerechtigkeit für Betroffene von sexueller Gewalt zu ermöglichen.

Die griechische Regierung hat kürzlich eine öffentliche Konsultation zur rechtlichen Definition von Vergewaltigung durchgeführt. Amnesty International legte eine Analyse vor und forderte die Regierung auf, Artikel 336 zu ändern, um sicherzustellen, dass Vergewaltigung auf fehlender Zustimmung beruht.

Kampagne gegen sexuelle Gewalt in der Schweiz

Auch in der Schweiz ist die Anpassung des Sexualstrafrechts notwendig, da dieses ebenfalls davon ausgeht, dass für eine Vergewaltigung eine Form der Nötigung oder Gewalt vorausgesetzt werden muss. Ausserdem hat auch die Schweiz die Istanbul Konvention ratifiziert. Die Schweizer Sektion von Amnesty International führt gegenwärtig eine Kampagne gegen sexuelle Gewalt und lancierte hierzu u.a. eine Petition, welche Anpassungen im Strafrecht verlangt. Mehr zur Amnesty-Kampagne und zur Petition.