Nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats kündigten die griechischen Behörden am 2. März 2020 an, dass das Land vorübergehend keine neuen Asylanträge von illegal eingereisten Personen annehmen werde. Diese Massnahme soll zudem mit der sofortigen Ausschaffung von Neuankömmlingen ohne deren Registrierung kombiniert werden – sofern eine Rückführung in das Herkunftsland «möglich» sei. Es bleibt jedoch unklar, was die griechischen Behörden in diesem Zusammenhang für «möglich» halten.
«Menschen, die Asyl suchen, werden schon wieder zur Verhandlungsmasse in einem tödlichen politischen Spiel - dies war eine absehbare Folge des EU-Türkei-Deals.»
Massimo Moratti, stellvertretender Direktor für Research bei Amnesty International
«Jede Person hat das Recht, Asyl zu beantragen. Wenn Menschen ohne ordnungsgemässes Verfahren abgeschoben werden, könnte das bedeuten, sie in die Schrecken eines Krieges zurückzuschicken oder sie schweren Menschenrechtsverletzungen auszusetzen. Dies verstösst gegen das Grundprinzip des Non-Refoulments», sagte Eve Geddie, Leiterin des EU-Büros von Amnesty International. «Griechenlands rücksichtslose Massnahmen gefährden Menschenleben. Sie sind ein eklatanter Bruch des EU- und des Völkerrechts.»
«Menschen, die Asyl suchen, werden schon wieder zur Verhandlungsmasse in einem tödlichen politischen Spiel – dies war eine absehbare Folge des EU-Türkei-Deals», sagte Massimo Moratti, der stellvertretende Direktor für Research bei Amnesty International.
Manöver mit scharfer Munition angekündigt
Die griechische Armee hat angekündigt, in der Nähe des Grenzflusses Evros Militärmanöver mit scharfer Munition durchzuführen, auch Übungen der Marine in der Ägäis sind geplant.
Seit die Türkei am 28. Februar 2020 ankündigte, dass sie niemanden mehr am Grenzübertritt Richtung EU hindern werde, kommen immer mehr Menschen an den Land- und Seegrenzen zu Griechenland und Bulgarien an. Berichten zufolge sitzen an der Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland Tausende Einreisewillige fest. Von dort werden Zusammenstösse zwischen Geflüchteten und griechischen Polizeikräften gemeldet. Die Polizei soll unverhältnismässige Gewalt eingesetzt und wahllos Tränengas in die versammelte Menge geschossen haben, um diese am Grenzübertritt nach Griechenland zu hindern.
Boote vor Lesbos angegriffen
Unterdessen kommen auch auf den griechischen Inseln immer mehr Menschen an. Am 2. März 2020 sollen AnwohnerInnen von Lesbos das Anlegen von Flüchtlingsbooten verhindert haben. Ausserdem griffen sie AktivistInnen und die Autos von Medienschaffenden und freiwilligen HelferInnen an. Amnesty International fordert die griechischen Behörden auf, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um sowohl die Neuankömmlinge als auch die Organisationen und Einzelpersonen zu schützen, die ihnen vor Ort helfen.
«Griechenland muss den Einsatz unverhältnismässiger Gewalt unterbinden und sicherstellen, dass Such- und Rettungsaktionen auf See durchgeführt werden können. Denjenigen, die in Griechenland Asyl suchen, sollte geholfen werden, statt sie wie Kriminelle zu behandeln, die ein Sicherheitsrisiko darstellen», sagte Eve Geddie.
Andere Länder müssen helfen
Auch die anderen EU-Mitgliedstaaten müssen viel mehr tun, um die Verantwortung für die Asylsuchenden zu teilen, die in der Türkei ankommen – durch finanzielle Unterstützung, aber auch durch die Gewährleistung sicherer Einreisewege nach Europa. Die Europäische Kommission muss dringend die für Griechenland und Bulgarien erforderliche Unterstützung koordinieren, damit Asylsuchende Zugang zu angemessenen Aufnahme- und Asylverfahren bekommen.