Aktualisierung: Gemäss neuesten Informationen aus Norwegen würden die Geschwister nun nicht nach Afghanistan ausgeschafft, sondern würden von Istanbul wieder nach Norwegen gebracht . Wir bleiben dran!
Eshan Abbasi (16), seine Schwester Taibeh (20) und sein Bruder Yasin (22) sind am 15. Juni gemeinsam mit ihrer Mutter aus Norwegen nach Istanbul gebracht worden. Aufgrund ihres Gesundheitszustands wird die Mutter aller Voraussicht nach wieder nach Norwegen zurückgeflogen werden, wohingegen die drei Geschwister jederzeit in ein Flugzeug nach Kabul gesetzt werden könnten.
Berichten zufolge sind zehn Angehörige der norwegischen Einwanderungspolizei abgestellt worden, um die Geschwister von Istanbul nach Kabul zu begleiten.
«Diese drei jungen Leute alleine in ein Kriegsgebiet abzuschieben, ist ein nicht zu verantwortender Akt von Machtmissbrauch.» Massimo Moratti, EUropaexperte bei Amnesty International
«Diese drei jungen Leute aus der Umgebung herauszureissen, in der sie mehr als sieben Jahre lang gelebt haben, und sie alleine in ein Kriegsgebiet abzuschieben, ist ein nicht zu verantwortender Akt von Machtmissbrauch», so Massimo Moratti, Experte für die Region Europa bei Amnesty International.
«Afghanistan ist kein sicheres Rückführungsland. Sollte diese herzlose und unnötige Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden, wird sie eine Familie auseinanderreissen und noch dazu drei junge Leute in Lebensgefahr bringen und ihre Zukunft aufs Spiel setzen.»
Taibeh Abbasi wurde als Tochter afghanischer Eltern im Iran geboren und floh 2012 mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern nach Norwegen. Sie ist eine couragierte Menschenrechtsverteidigerin und setzt sich offen für die Rechte ihrer Familie ein. Die Familie hat von ihrer örtlichen Gemeinde in Trondheim grosse Unterstützung erfahren.
Die norwegische Regierung führt als Begründung für die Abschiebung an, dass Afghanistan ein sicheres Rückführungsland sei. Dieser Behauptung widerspricht jedoch das Rekordmass an Gewalt, das in ganz Afghanistan nach wie vor zu verzeichnen ist. Anfang Juni bezeichnete das Institute for Peace and Economics Afghanistan als das «am wenigsten friedliche» Land der Welt.
Der genaue Aufenthaltsort der Familie in Istanbul ist nicht bekannt, doch man geht davon aus, dass sie weder Zugang zu Informationen noch Kontakt mit der Aussenwelt hat, seit sie in Norwegen in das Flugzeug gesetzt wurde.
«Diese Abschiebung steht symbolhaft für die grausame Politik vieler europäischer Staaten, die im Namen der Maximierung ihrer Abschiebungszahlen vor der Realität in Afghanistan die Augen verschliessen». Massimo Moratti
«Diese Abschiebung steht symbolhaft für die grausame und entmenschlichende Politik vieler europäischer Staaten, die im Namen der Maximierung ihrer Abschiebungszahlen vor der Realität in Afghanistan die Augen verschliessen», kritisiert Massimo Moratti.
«Norwegen muss diese gewissenlose Entscheidung umgehend rückgängig machen und die Geschwister nach Norwegen zurückkehren lassen, wo ihr Zuhause und ihre Freunde sind. Asylsuchende in Norwegen dürfen unter keinen Umständen nach Afghanistan zurückgeführt werden, da dies gefährlich und rechtswidrig ist. Die norwegischen und türkischen Behörden haben zudem sicherzustellen, dass die Familie Kontakt mit der Aussenwelt aufnehmen kann und sich Informationen, rechtlichen Beistand und institutionelle Unterstützung besorgen darf.»
Hintergrund
Berichten zufolge sind zehn Angehörige der norwegischen Einwanderungspolizei abgestellt worden, um die Geschwister von Istanbul nach Kabul zu begleiten.
Seit 2017 haben mehr als 280'000 Menschen eine Petition von Amnesty International unterzeichnet, in der gefordert wird, Taibeh und ihre Familie nicht abzuschieben.
Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge schiebt Norwegen mehr afghanische Staatsangehörige ab als die meisten anderen europäischen Länder – sowohl im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung als auch in absoluten Zahlen. Laut Angaben der afghanischen Behörden stammen 32% aller in den ersten vier Monaten des Jahres 2017 aus Europa zurückgeführten Personen (97 von 304 Personen) aus Norwegen.
Für das Jahr 2018 dokumentierten die Vereinten Nationen in Afghanistan die höchste jemals erfasste Zahl an zivilen Todesopfern. Darin enthalten ist auch die höchste jemals erfasste Zahl an getöteten Minderjährigen. Insgesamt wurden beinahe 11'000 Menschen Opfer des dort herrschenden Konflikts: 7189 Personen wurden verletzt und 3804 getötet.