Auch in Wien fanden 2019 grosse Demonstrationen für mehr Klimagerechtigkeit statt. © Mitja Kobal
Auch in Wien fanden 2019 grosse Demonstrationen für mehr Klimagerechtigkeit statt. © Mitja Kobal

Jahresbericht Österreich 2019

16. April 2020
Mehrere Massnahmen wurden ergriffen oder diskutiert, die negative Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und von Asylsuchenden haben würden. Ein neues Gesetz gefährdete die Fairness des Asylverfahrens. Auch 2019 wurden abgelehnte afghanische Asylsuchende in ihr Herkunftsland abgeschoben. Der Petitionsausschuss des Parlaments erörterte zwei Bürgerinitiativen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränken würden.

Amtliche Bezeichnung: Republik Österreich
Staatsoberhaupt: Alexander van der Bellen
Regierungschefin: Brigitte Bierlein (vom Staatsoberhaupt ernannte Interimskanzlerin, löste im Juni 2019 Sebastian Kurz im Amt ab).

Flüchtlinge und Asylsuchende

Recht auf freie Meinungsäusserung

Exzessive Gewaltanwendung

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Frauenrechte

Flüchtlinge und Asylsuchende

Die Zahl der Asylanträge ist weiter zurückgegangen. Laut offizieller Statistik beantragten zwischen Januar und November 2019 insgesamt 11‘334 Personen in Österreich Asyl, 11,81% weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Im Parlament wurden mehrere Gesetzesvorschläge eingebracht, die die Rechte von Asylsuchenden einschränkten.

Im Juni 2019 trat das Gesetz zur Einrichtung einer Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen in Kraft. Diese neue, im Innenministerium angesiedelte Agentur wird ab Januar 2021 die Rechtsberatung für Asylsuchende übernehmen und die unabhängige zivilgesellschaftliche Beratung ersetzen. Die Änderung gab Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Fairness des Asylverfahrens.

Im Mai 2019 verabschiedete das Parlament ein Sozialhilfegesetz, das die Sozialleistungen für Personen mit subsidiärem Schutzstatus auf das Niveau der Grundversorgung von Asylsuchenden reduzierte.

In den ersten neun Monaten des Jahres wurden mehr als 200 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben, wo sie der Gefahr von Folter und Misshandlungen ausgesetzt waren. Die Behörden beschlossen die Abschiebung mehrerer syrischer Staatsangehöriger in ihr Herkunftsland. Auch hier handelte es sich um einen eindeutigen Verstoss gegen das Völkerrecht, auch wenn die Beschlüsse am Ende des Jahres noch nicht umgesetzt waren.

Im Juni 2019 traten Asylsuchende, die in einem Rückkehrberatungszentrum in Fieberbrunn, Tirol, lebten, in einen 46-tägigen Hungerstreik, um gegen die schlechten Wohnverhältnisse und die abgelegene Lage der Einrichtung zu protestieren. Das Innenministerium veranlasste eine Untersuchung, ob die Lebensbedingungen in dem Zentrum menschenrechtskonform sind. Im November wurden die Ergebnisse vorgelegt; Familien mit schulpflichtigen Kindern wurden daraufhin nicht mehr in diesem Zentrum untergebracht.

Recht auf freie Meinungsäusserung

Im April 2019 brachte der Minister für EU, Kunst, Kultur und Medien einen Gesetzesentwurf ein, der ein System zur Identitätsüberprüfung der Benutzer von Online-Plattformen vorsieht. Unternehmen müssten im Fall der Nichteinhaltung dieser Bestimmung mit exorbitanten Geldstrafen von bis zu 1 Million Euro rechnen. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde es sich negativ auf das Recht auf freie Meinungsäusserung im Internet auswirken.

Exzessive Gewaltanwendung

Auch 2019 wurde weder ein unabhängiger Untersuchungsmechanismus für Fälle von Misshandlung und übermässiger Gewaltanwendung durch StrafverfolgungsbeamtInnen eingerichtet, noch wurden diese gesetzlich zum Tragen von Identifikations-Kennmarken verpflichtet.

Im Mai wandte die Polizei bei der Auflösung einer spontanen Versammlung unverhältnismässige Gewalt gegen mehrere KlimaaktivistInnen an. Eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft über das Verhalten mehrerer StrafverfolgungsbeamtInnen war am Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen. Das Innenministerium teilte Amnesty International mit, dass nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eine interne polizeiliche Untersuchung durchgeführt werden würde. Das Verwaltungsgericht Wien befand, dass mehrere polizeiliche Massnahmen, darunter die Durchsuchung von Taschen und die Festnahme eines Aktivisten, rechtswidrig gewesen seien.

Organisationen der Zivilgesellschaft meldeten auch 2019 wieder Fälle, in denen PolizeibeamtInnen Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten durch Identitätskontrollen und abfällige Bemerkungen diskriminiert haben.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Seit Januar 2019 können gleichgeschlechtliche Paare heiraten und heterosexuelle Paare eingetragene Partnerschaften eingehen. Intergeschlechtliche Personen, die sich weder als männlich noch als weiblich identifizieren, können sich nach einem Urteil des Verfassungsgerichts von 2018 mit einer dritten Geschlechtsoption eintragen lassen.

Frauenrechte

Im September 2019 verabschiedete das Parlament das Gewaltschutzgesetz. Es soll den Schutz von Überlebenden sexueller Gewalt verbessern und die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Institutionen, insbesondere zwischen Polizei und Gerichten, stärken.

Ende des Jahres waren im Parlament zwei Bürgerinitiativen zur Änderung des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch anhängig. Die Initiativen enthalten Forderungen nach einer obligatorischen Bedenkzeit für abtreibungswillige Frauen, nach einer Verpflichtung für medizinisches Fachpersonal, die Frauen über Unterstützungs- und Beratungsdienste zu informieren, sowie nach der Aufhebung der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nach dem dritten Monat bei ernsthaften Risiken für die geistige oder körperliche Gesundheit des Fötus.

Berichtszeitraum: 1. Januar - 31. Dezember 2019