Demonstranten mit Marien-Plakaten bei einer Demonstration in Warschau © 2019 SOPA Images Polen
Demonstranten mit Marien-Plakaten bei einer Demonstration in Warschau © 2019 SOPA Images Polen

Polen Anklage gegen Menschenrechtsverteidigerinnen muss fallen gelassen werden

3. November 2020
Drei Frauen stehen am 4. November vor Gericht, weil sie der «Beleidigung religiöser Gefühle» angeklagt sind. Amnesty International ist überzeugt, dass sie nur ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen haben und nicht verurteilt werden dürfen. Der Prozess gegen die Frauenaktivistinnen findet vor dem Hintergrund anhaltender Proteste gegen die Einschränkung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen statt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme drücken Amnesty International und vier weitere Menschenrechtsorganisationen ihre Besorgnis über die Anklage gegen die drei Menschenrechtsaktivistinnen Elzbieta, Anna und Joanna aus, da diese unbegründet sei. Die drei Frauen, deren Nachnamen aus Rücksicht auf ihre Privatsphäre nicht genannt werden, haben am 29. April 2019 Bilder der Jungfrau Maria mit einem Heiligenschein in den Farben der LGBTI-Regenbogenfahne an verschiedenen öffentlichen Orten in der Stadt Plock befestigt. Die Aktivistinnen wollten mit dieser Aktion auf die Rechte von LGBTI* aufmerksam machen. Die polnischen Behörden sehen darin jedoch einen Verstoss gegen Artikel 196 des Strafgesetzes, welches die «Verletzung religiöser Gefühle» unter Strafe stellt.

Die Menschenrechtsorganisationen fordern von der polnischen Staatsanwaltschaft, die Anklagen fallen zu lassen und zu verhindern, dass das Gesetz missbraucht wird, um den friedlichen Einsatz für die Menschenrechte zu unterdrücken. Von den gesetzgebenden Behörden fordern die Organisationen, das Gesetz so anzupassen, dass es internationalen und regionalen Menschenrechtstandards genügt.

Proteste für legalen Schwangerschaftsabbruch gewaltsam niedergeschlagen

Menschen, die sich in den vergangenen Tagen an friedlichen Protesten gegen die Einschränkung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen beteiligt haben, sahen sich Polizeigewalt und willkürlichen Inhaftierungen ausgesetzt.

Angesichts der unvermindert anhaltenden Proteste sagte Draginja Nadazdin, Vorsitzende von Amnesty International in Polen: «Die lautstarke Unterstützung, die Frauen in Polen gerade erhalten, zeigt, dass die Regierung und die Behörden Frauenrechte nicht mehr länger ungestraft mit Füssen treten können. Die Regeln für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sind in Polen schärfer als in fast jedem anderen europäischen Land. Polnische Frauen müssen das Recht haben, gegen diese neuen Einschränkungen zu protestieren. Die Polizei muss friedliche Proteste zur Unterstützung der Frauenrechte ermöglichen, unter anderem indem sie die Protestierenden gegen Schikane und gewaltsame Übergriffe durch Gegendemonstrierende schützt.»

Nils Muižnieks, Direktor für Europa bei Amnesty International, sagte: «Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Lage genau und unterstützt die Frauen in Polen. Sie haben über die Jahre immer wieder neue Eingriffe in ihre reproduktiven Rechte hinnehmen müssen, und sie haben es satt. Die Europäische Union und andere internationalen Akteure dürfen sich nicht damit zufriedengeben, lediglich ihre Solidarität mit polnischen Frauen und deren Unterstützer und Unterstützerinnen auszudrücken. Sie müssen Polen darüber hinaus mit Nachdruck auffordern, die Rechte von Frauen zu achten und das Recht auf friedlichen Protest zu schützen und zu fördern. Die Zeit dafür ist überreif.»