Richterinnen, Anwälte und Juristinnen aus ganz Europa nahmen am Marsch der tausend Roben in Warschau teil. © Grand Warszawski / shutterstock.com
Richterinnen, Anwälte und Juristinnen aus ganz Europa nahmen am Marsch der tausend Roben in Warschau teil. © Grand Warszawski / shutterstock.com

Polen Demonstration für die Unabhängigkeit der Justiz

14. Januar 2020
Am 11. Januar demonstrierten Richterinnen und Anwälte aus rund 20 Ländern in Warschau, um die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu verteidigen. Denn der polnische Senat plant ein Gesetz, das die Unabhängigkeit der Justiz weiter aushöhlen würde.

Tausende Demonstrierende, darunter viele Richter, Juristinnen und andere BürgerInnen aus rund 20 Staaten Europas nahmen am «Marsch der tausend Roben» teil und zogen schweigend durch das Stadtzentrum vom Obersten Gerichtshof zum Parlamentsgebäude. Die Demonstration richtete sich gegen eine Gesetzesvorlage, die dazu diene, polnische Richter und Richterinnen zu bestrafen, die sich kritisch über die Justizreformen der Regierung äussern. Das Gesetzesvorhaben stehe damit in Widerspruch zu den Grundsätzen der Europäischen Union.

«Die Änderungen im neuen Gesetz würden ein Ende der Gewaltenteilung in Polen bedeuten.» Draginja Nadaždin, Geschäftsführerin von Amnesty International Polen

«Wir stehen Seite an Seite mit all jenen, die am Samstag für die Verteidigung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der polnischen Justiz auf die Strassen gehen», sagte Draginja Nadaždin, Geschäftsführerin von Amnesty International Polen,  im Vorfeld der Demonstration. «Die Pläne der polnischen Regierung könnten das Recht der Richter und Richterinnen auf freie Meinungsäusserung und Vereinigungsfreiheit stark einschränken. Die Änderungen würden die verbleibenden freien Räume der polnischen Gerichte unter die politische Kontrolle der Exekutive bringen. Das würde ein Ende der Gewaltenteilung in Polen bedeuten.»

Immer häufiger wurden in den vergangenen Monaten Disziplinarverfahren missbraucht, um RichterInnen zum Schweigen zu bringen. Dutzende von Organisationen und AkademikerInnen aus dem In- und Ausland haben daraufhin einen offenen Brief an die Europäische Kommission geschickt und einstweilige Massnahmen gefordert, um die Verwüstung des Rechtsstaates zu stoppen.

Hintergrund

Seit Ende 2015 hat die polnische Regierung eine Reihe von legislativen und politischen Massnahmen verabschiedet und umgesetzt, die die Unabhängigkeit der Justiz untergraben. Dazu gehören der politische Einfluss auf richterliche Ernennungen, die ausschliessliche Befugnis des/der JustizministerIn zur Entlassung und Ernennung von GerichtspräsidentInnen und VizepräsidentInnen sowie die Erzwingung des Rücktritts von RichterInnen des Obersten Gerichtshofs. Die Regierung hat auch Disziplinarverfahren gegen RichterInnen eingeleitet, die sich gegen diese Massnahmen ausgesprochen haben; einige könnten ihren Arbeitsplatz verlieren.

Das neue Gesetz wird derzeit im Senat diskutiert und soll in der Woche vom 20. Januar zur Abstimmung gebracht werden.Es wird erwartet, dass sich RichterInnen aus den Niederlanden, Österreich, Griechenland, Deutschland, Ungarn, Kroatien, Portugal, Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Rumänien, Estland und Irland dem Marsch anschliessen werden.

Auf dringenden Antrag des polnischen Senats wird eine Delegation der Venedig-Kommission am 9. und 10. Januar nach Warschau reisen und sich mit den Behörden und anderen GesprächspartnerInnen zu treffen.