Die drei Aktivistinnen Ela, Anna und Joanna setzen sich seit Jahren für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen (LGBTI*) Personen ein. Das wird in Polen von den Behörden jedoch nicht gern gesehen. Weil die drei Frauen Poster mit dem Motiv der Jungfrau Maria mit einem Heiligenschein in Regenbogenfarben plakatiert haben sollen, wurden sie Ende April 2019 wegen «Verletzung religiöser Gefühle» angeklagt. Das kann nach Paragraf 196 des polnischen Strafgesetzbuches mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden.
Im Januar 2021 begannen die Gerichtsanhörungen der drei Menschenrechtsverteidigerinnen. Am 2. März 2021 folgte dann die grosse Erleichterung: Sie wurden freigesprochen. Doch die Freude währte nicht lange. Kaum zwei Monate später legte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen den Freispruch ein, und der Fall wurde in zweiter Instanz verhandelt. Ela, Anna und Joanna wurden also weiterhin strafrechtlich verfolgt und waren von einer Haftstrafe bedroht, obwohl sie nichts weiter getan hatten, als sich friedlich gegen Diskriminierung einzusetzen.
Am 12. Januar 2022 entschied das Gericht schliesslich, die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch abzulehnen. Catrinel Motoc, Senior Campaignerin im Europa-Regionalbüro von Amnesty International, kommentiert die Entscheidung wie folgt: «Die heutige Entscheidung ist eine grosse Erleichterung, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese drei Frauen überhaupt nicht vor Gericht hätten gestellt werden dürfen. Das Verteilen von Postern der Jungfrau Maria mit einem Regenbogen-Heiligenschein sollte niemals kriminalisiert werden, daher ist es richtig, dass die Berufung gegen ihren Freispruch abgelehnt wurde.»
Seit Beginn des Verfahrens haben sich mehr als eine Viertelmillion Menschen dafür ausgesprochen, dass die Behörden die Anklage fallen lassen, in einem Fall, der zum Symbol für einige der beunruhigendsten Anti-Menschenrechtstrends in Polen geworden ist.Catrinel Motoc, Senior Campaignerin im Europa-Regionalbüro von Amnesty International
«Nicht nur schrumpft der Raum für freie Meinungsäusserung, Aktivismus und friedlichen Protest, sondern das Klima der Homophobie im Land nimmt angesichts einer Zunahme von Hassverbrechen, der Einführung von LGBTI*-freien Zonen durch lokale Räte und Versuche, Pride-Märsche zu verbieten, immer mehr zu,» sagt Catrinel Motoc und sagt weiter:
«Dieser Fall hat auch einen unerfreulichen Trend der staatlich geförderten Homophobie und systematischen Einschüchterung enthüllt, in der das polnische Strafjustizsystem verwendet wird, um Menschenrechtsverteidiger*innen allein wegen ihres Aktivismus anzugreifen, einzuschüchtern und zu schikanieren. Die polnischen Behörden müssen ihre Hexenjagd gegen diese und andere Aktivist*innen endlich beenden.»