Wenn Erzsébets neun Kinder sich schlafen legen wollen, haben nicht alle Platz in dem engen Metallcontainer, den sie bewohnen. Die behelfsmässige Unterkunft steht neben einer Kläranlage am Rand von Miercurea Ciuc, einer Stadt in Siebenbürgen im Nordosten von Rumänien.
Erzsébet gehört der ethnischen Minderheit der Roma an. Sie ist Teil einer Gruppe von rund 100 Menschen, die 2004 aus einem Gebäude in der Innenstadt von Miercurea Ciuc vertrieben wurden. Als Ersatz stellte die Stadtverwaltung acht Metallcontainer zur Verfügung. Weil der Platz bei Weitem nicht ausreicht, bauten die Roma daneben Hütten auf. Ein Teil der Zwangsgeräumten baute sich Notunterkünfte am Rande einer Mülldeponie.
Gesundheitliche Risiken
Über dem ganzen Gelände liegt der grässliche Geruch der Kläranlage. «Wir können kaum essen, weil uns der Gestank so stört», sagt Erzsébets Nachbarin Ilana. Ob die Abwasserreinigungs anlage gesundheitliche Schäden verursachen könnte, weiss sie nicht. Denn die Behörden machen keine klaren Aussagen, obwohl am Zaun neben der Kläranlage Schilder hängen, die vor Schadstoffen warnen.
Rund 75 Roma leben seit sechs Jahren in diesen Unterkünften. Als die Stadtverwaltung sie 2004 dazu zwang, das Haus in der Innenstadt zu verlassen, war die Rede von einer temporären Lösung. Damals wurden die Betroffenen nicht korrekt über die geplante Umsiedelung informiert, und es wurde ihnen kein Rekursrecht eingeräumt. Damit verletzte die Stadtregierung nationales und internationales Recht, etwa den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Kurzfristige Information
Die Behörden stellen sich auf den Standpunkt, dass das Gebäude in der Innenstadt baufällig gewesen und die Umsiedlung zum Schutz der Betroffenen geschehen sei. Aber sie unterliessen es, die Menschen schriftlich zu informieren.
Einige erfuhren sehr kurzfristig vom zwangsweisen Umzug: «Sie gaben uns 24 Stunden, um unsere Wohnungen zu räumen», erzählt Sandor, der nun mit seiner Partnerin und drei Kindern neben der Kläranlage lebt. Die prekären Lebensbedingungen sind ein Ausdruck der Diskriminierung, die viele der rund 2,2 Millionen Roma in Rumänien erleben. Im ganzen Land ereignen sich Zwangsräumungen wie jene in Miercurea Ciuc. Die Roma werden an den Stadtrand und an den Rand der Gesellschaft gedrängt.