Russische Polizisten gehen gegen Demonstrierende vor. Moskau, 6. Mai 2012. © REUTERS/Denis Sinyakov
Russische Polizisten gehen gegen Demonstrierende vor. Moskau, 6. Mai 2012. © REUTERS/Denis Sinyakov

Russland Präsident Putins Hexenjagd

Die systematische Unterwanderung und Missachtung des Rechts auf Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind das Markenzeichen der «Menschenrechtspolitik» von Wladimir Putin nach seinem ersten Jahr in der dritten Amtsperiode als russischer Präsident. Das stellt Amnesty International in einem Bericht fest, der am 24. April 2013 in Moskau veröffentlicht wurde.

Der Protestwelle, die durch die Duma-Wahl im Dezember 2011 und die Amtsübergabe von Medwedew an Putin im Mai 2012 ausgelöst wurde, folgten zahlreiche Einschränkungen dieser Freiheitsrechte. Zwei neue Gesetze mit insgesamt 11 Erweiterungen ermöglichen dieses harte Durchgreifen gegenüber Dissidenten, Kritikerinnen und Demonstranten.

Der Bericht von Amnesty International Freedom under threat: The clampdown on freedom of expression, assembly and association in Russia analysiert die Gesetzgebung und Einzelfälle (in denen die neuen Gesetze angewandt wurden) mit Blick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Russlands.

Opposition in ihren Rechten beschnitten

«Die jüngsten Gesetzesinitiativen geben vor, die öffentliche Ordnung und die Bürgerrechte zu garantieren. Das Gegenteil ist der Fall: Prominente Regierungskritikerinnen, Stimmen der Opposition und gewöhnliche Menschen, die aus einer Vielzahl von Gründen demonstrieren, sind während des vergangenen Jahres in ihren Rechten beschnitten worden», sagt John Dalhuisen, bei Amnesty International zuständig für Europa und Zentralasien.

«Die jüngsten Gesetzesinitiativen geben vor, die öffentliche Ordnung und die Bürgerrechte zu garantieren. Das Gegenteil ist der Fall.»

Eine im Juni 2012 verabschiedete Erweiterung des Bundesgesetzes, das Versammlungen regelt, beinhaltet schwer zu erfüllende Zulassungsauflagen und höhere Strafen bei Verstössen, die als Verwaltungsdelikte gelten. Für die Organisatorinnen von Versammlungen bedeutet das zusätzliche Verantwortung und Haftung für Aktionen der Teilnehmer. Demonstrationen wurden routinemässig verboten oder gesetzeswidrig aufgelöst.

Polizeigewalt

Die Polizei agiert häufig mit extremer Gewalt, Menschen werden willkürlich verhaftet wie bei den Demonstrationen auf dem Pushkinskaya- oder dem Lubianskaya-Platz im März 2012, dem Protest auf dem Bolotnaja-Platz im Mai 2012, den Aktionen der Bewegung «Strategie 31» oder den Volksmärschen, die im Mai des vergangenen Jahres stattfanden.

Nach einem Gesetz, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, müssen sich Organisationen in Russland, die politisch tätig sind und Geld aus dem Ausland erhalten, als «ausländische Agenten» registrieren lassen. Eine Welle von Inspektionen bei Nichtregierungsorganisationen – mehr als 200 seit Beginn des Jahres in 50 Regionen – zielte auf die bekanntesten Menschenrechtsgruppen in Russland und zeigt, dass das Gesetz auch wirklich umgesetzt wird. Auch das Moskauer Büro von Amnesty International wurde in diesem Zusammenhang am 25. März 2013 durchsucht.

Zahlreiche neue oder erweiterte Gesetze schränken auch die Meinungsfreiheit immer weiter ein, zum Beispiel das Gesetz zu Landesverrat und Spionage. Die breiten Auslegungsmöglichkeiten führen zur straffrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern und Aktivistinnen der Zivilgesellschaft, wenn sie Kontakt zu internationalen Organisationen haben.

Blasphemie-Gesetz in Planung

Diffamierung ist inzwischen wieder ein straffrechtliches Vergehen und verhindert legitime Kritik an der Regierung oder Personen in öffentlichen Ämtern. Der Entwurf eines Blasphemie-Gesetzes – eine Antwort auf den Pussy-Riot-Fall – wird die Meinungsfreiheit auf unzulässige Art und Weise einschränken, wenn es denn erlassen wird.

«Kurz nach seiner Amtseinführung hatte Präsident Putin noch angekündigt, dass er eine grössere Beteiligung der Bürger im öffentlichen Leben wünsche. Als Präsident ist er aber verantwortlich für eine Politik, die eher an eine Hexenjagd auf alle kritischen und abweichenden Stimmen erinnert. Die Zivilgesellschaft wird erstickt und isoliert, diesmal nicht hinter einem eiserenen Vorhang, sondern durch Gesetze», warnt Dalhuisen von Amnesty International abschliessend.

Medienmitteilung veröffentlicht: 24. April 2013, London/Bern
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