Am 1. August begnadigten die Behörden in Moskau und Minsk im Rahmen eines zwischen Russland und Belarus einerseits und Deutschland, Norwegen, Polen, Slowenien und den USA andererseits ausgehandelten Tauschgeschäfts 16 Gefangene. Die Begnadigten wurden freigelassen und ins Exil verbannt, darunter die russischen Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen Oleg Orlov, Aleksandra (Sasha) Skochilenko, Lilia Chanysheva, Ksenia Fadeeva, Vladimir Kara-Murza, Andrei Pivovarov und Ilya Yashin sowie den Journalisten Evan Gershkovich und die Journalistin Alsu Kurmasheva. Diese und einige der anderen freigelassenen Personen waren nach unfairen Verfahren unter politisch motivierten Anschuldigungen im Zusammenhang mit Kritik an den Behörden, Antikriegsaktivismus und journalistischer Arbeit inhaftiert worden.
Im Gegenzug wurden acht Personen, die in Deutschland, Norwegen, Polen, Slowenien und den USA wegen Mord, Spionage und anderer Anschuldigungen verurteilt oder inhaftiert waren, an Russland ausgeliefert.
Lisa Salza, Länderverantwortliche für Europa und Zentralasien bei Amnesty Schweiz, sagt zum Gefangenendeal: «Dass Aleksandra Skotschilenko, Oleg Orlow und die anderen Gewissensgefangenen nun in Freiheit sind, freut mich auf menschlicher Ebene sehr. Sie haben Schlimmes erleben müssen und waren teilweise in sehr schlechter gesundheitlicher Verfassung aufgrund der Haftbedingungen. Gerade Aleksandras Gesundheitszustand hat mir Sorgen gemacht, sie leidet an Zöliakie und einer Herzerkrankung und erhielt im Gefängnis keine angemessene Behandlung und Nahrung.» Ihr und anderen Inhaftierten wurde eine angemessene medizinische Versorgung und in den meisten Fällen auch der Kontakt zu ihren Angehörigen verweigert. Die russischen Behörden verweigern willkürlich inhaftierten Dissident*innen systematisch den Kontakt zu ihren Familien, wie Amnesty International in einem Bericht von Ende Juni 2024 zeigte.
«Präsident Putin benutzt politische Gefangene und Menschenrechtsverteidiger*innen rücksichtslos, um seine Interessen zu durchzusetzen. Daher hat der Austausch einen bitteren Beigeschmack», so Lisa Salza weiter. «Dass ein veruteilter Mörder und andere Verbrecher nun frei sind, zeigt, wie Präsident Putin rechtsstaatliche Prinzipien mit Füssen tritt. Da er damit erfolgreich war, wird er sich nun zu weiteren politischen Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen ermutigt fühlen. Das macht mir grosse Sorgen. Ich fürchte um die Lage weiterer Menschenrechtaktivist*innen, die künftig ebenfalls als Faustpfand festgenommen werden könnten.»
Hintergrundinformationen
Seit der Einführung von Paragraf 207.3 sind in Russland mehr als 750 Personen auf dessen Grundlage strafrechtlich verfolgt worden, und ihre Zahl steigt weiter. Mehr als 8000 Personen sind bereits wegen der «Diskreditierung der Streitkräfte» schwer bestraft worden.
Auch die Künstlerin und Musikerin Aleksandra Skochilenko wurde unter dem repressiven Paragrafen 207.3 des russischen Strafgesetzbuchs angeklagt, weil sie in einem Supermarkt Preisschilder durch kurze Antikriegsbotschaften zu Kriegsverbrechen der russischen Truppen in der ukrainischen Stadt Mariupol ausgetauscht hatte. Sie wurde am 11. April 2022 in Untersuchungshaft genommen und am 16. November 2023 wegen «Verbreitung wissentlich falscher Informationen über die russischen Streitkräfte» zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Amnesty International hat sich im Rahmen von Urgent Actions und im Briefmarathon 2022 für sie eingesetzt.
Auch für weitere russische Menschenrechtsverteidiger*innen und inhaftierte Journalist*innen setzt sich Amnesty International mit Urgent Actions ein.
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