Geheimflüge/«Ausserordentliche Überstellungen» Bundesrat muss CIA-Flüge über die Schweiz verbieten

28. November 2006
«Mindestens in einem Fall, in dem des Mailänder Imams Abu Omar, hat ein CIA-Flugzeug, das «ausserordentliche Überstellungen» durchführte, die Schweiz überflogen», erklärte Ständerat Dick Marty, der So

«Mindestens in einem Fall, in dem des Mailänder Imams Abu Omar, hat ein CIA-Flugzeug, das «ausserordentliche Überstellungen» durchführte, die Schweiz überflogen», erklärte Ständerat Dick Marty, der Sonderermittler des Europarats an einer Diskussionsveranstaltung von Amnesty International (AI) zum System der «ausserordentlichen Überstellungen». Das sei ein Fakt, der von mehreren Quellen übereinstimmend bestätigt werde. «Ich erwarte von der Schweiz eine sehr klare Haltung zur Frage der «Überstellungen», forderte Marty, «denn die Menschenrechte sind einer der Grundpfeiler unserer Politik». Die Schweizer Sektion von AI hat in einer Diskussionsrunde mit mehreren ExpertInnen – darunter Dick Marty und Bernhard Docke, der Anwalt des ehemaligen Guantánamo-Gefangenen Murat Kurnaz – zwölf Forderungen an den Bundesrat formuliert. Diese Forderungen werden heute Mittwoch dem Bundesrat übermittelt, ebenso wie eine von 5200 Personen unterzeichnete Petition, die ein entschiedenes Vorgehen des Bundesrates gegen das illegale System der «ausserordentlichen Überstellungen» («extraordinary renditions») fordert.

Amnesty International fordert die Landesregierung in ihrem zwölf Punkte umfassenden Forderungskatalog unter anderem auf, öffentlich zu erklären, dass «ausserordentliche Überstellungen» und zu diesem Zweck durchgeführte Flüge nicht bewilligt werden, und wirkungsvolle Massnahmen zu ergreifen, um diese illegalen Transporte zu verhindern. Insbesondere soll eine unabhängige ExpertInnengruppe eingesetzt werden, die befugt ist, alle Orte zu besuchen, an denen einer Person die Freiheit entzogen werden kann. Die Schweiz soll das Fakultativprotokoll zur Folterkonvention möglichst rasch ratifizieren, das die Schaffung eines solchen Überwachungsmechanismus vorsieht.

AI fordert zudem, dass die Schweiz auf «diplomatische Zusicherungen» oder andere bilaterale Abkommen verzichtet, um eine unfreiwillige Überstellung von Personen in Länder zu rechtfertigen, in denen ihnen Folter, Misshandlung, «Verschwindenlassen» oder die Todesstrafe drohen.

Amnesty International verurteilt entschieden alle Handlungen mit «terroristischem» Charakter und verlangt, dass ihre Urheber gerichtlich verfolgt und bestraft werden. Dies darf allerdings nur unter strenger Befolgung der Regeln des Rechtsstaates und im Rahmen eines juristisch korrekten Verfahrens geschehen. Geheimgefängnisse  und Gefangenenlager, in denen Personen ohne korrektes juristisches Verfahren festgehalten werden, lassen sich durch nichts rechtfertigen. AI fordert die Schweizer Regierung auf, sich mit aller Entschiedenheit für die Schliessung solcher Gefangenenlager – wie Guantánamo – einzusetzen.


«Krieg gegen den Terror»
Das System der «ausserordentlichen Überstellungen»

(«extraordinary renditions»)

Forderungen von Amnesty International


Amnesty International verurteilt entschieden alle Handlungen mit «terroristischem» Charakter und verlangt, dass ihre Urheber gerichtlich verfolgt und bestraft werden. Dies darf allerdings nur unter strenger Befolgung der Regeln des Rechtsstaates und im Rahmen eines juristisch korrekten Verfahrens geschehen. In diesem Rahmen wird der Bundesrat aufgefordert:

  1. Öffentlich zu erklären, dass «ausserordentliche Überstellungen» und zu diesem Zweck durchgeführte Flüge nicht bewilligt werden, und wirkungsvolle Massnahmen zu ergreifen, wie verstärkte Kontrollen und eine Revision des Bewilligungsverfahrens für pauschale Überflugsrechte, um illegale Verschleppungen und entsprechende Flüge, geheim oder nicht, auf Schweizer Territorium und im Schweizer Luftraum zu verhindern.
  2. Dafür zu sorgen, dass niemand geheim oder willkürlich auf Schweizer Territorium festgenommen wird, insbesondere indem das Fakultativprotokoll zur Uno-Konvention gegen Folter ratifiziert wird und indem ein nationaler unabhängiger Schutzmechanismus geschaffen wird, der es erlaubt, alle Orte zu besuchen, an denen einer Person die Freiheit entzogen werden kann.
  3. Für den Fall, dass eine «ausserordentliche Überstellung» belegt ist, sicherzustellen, dass eine unabhängige und unparteiische Untersuchung eingeleitet wird, insbesondere müssen politische Entscheide und Verfahren, die die «ausserordentliche Überstellung» möglich gemacht haben, genau geprüft werden.
  4. Laufende internationale und regionale Untersuchungen zu «ausserordentlichen Überstellungen» und Geheimgefängnissen voll zu unterstützen. Dazu gehört auch, Untersuchungsbehörden alle angeforderten Informationen zur Verfügung zu stellen und ihnen zu erlauben, betroffene Personen zu befragen.
  5. Dafür zu sorgen, dass in- und ausländische Nachrichtendienste für ihre Aktionen gemäss internationalem und nationalem Recht zur Verantwortung gezogen werden. Urheber und Ausführende von «ausserordentlichen Überstellungen» müssen strafrechtlich verfolgt und gegebenenfalls bestraft werden.
  6. Rückführung oder Zwangsüberstellung von Personen – wer immer es auch sein möge – in Länder zu verbieten, in denen sie aller Wahrscheinlichkeit nach von schweren Menschenrechtsverletzungen oder der Todesstrafe bedroht sind.
  7. Auf «diplomatische Zusicherungen» oder andere bilaterale Abkommen zu verzichten, um eine unfreiwillige Überstellung von Personen in Länder zu rechtfertigen, wenn es stichhaltige Gründe dafür gibt, dass ihnen in diesen Ländern Folter, Misshandlung, «Verschwindenlassen», offensichtliche Rechtsverweigerung oder die Todesstrafe drohen.
  8. Dafür zu sorgen, dass allen Personen, die überstellt werden sollen, vor dem Transfer das Recht zugestanden wird, die Rechtmässigkeit der Massnahme von einem unabhängigen Gericht prüfen zu lassen. Für Personen, die überstellt werden sollen, muss eine juristische Unterstützung gewährleistet werden und sie müssen die Möglichkeit der Berufung mit aufschiebender Wirkung haben sowie das Recht, sich in letzter Instanz an internationale Gerichte wenden zu können. Im Falle einer Rückschaffung muss, wenn nötig, eine Kontrolle der Haftbedingungen durch die zuständige diplomatische Vertretung im Aufnahmeland sichergestellt werden.
  9. Zu gewährleisten, dass Opfer von willkürlichen Verhaftungen und von «ausserordentlichen Überstellungen» innert nützlicher Frist von der oder den verantwortlichen Regierungen eine angemessene Entschädigung (insbesondere eine Rehabilitation und eine angemessene finanzielle Kompensation) erhalten.
  10. Sich auf multinationaler Ebene durch die Unterstützung der Resolution und der Empfehlungen der parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 12. Juni 2006 (im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichts «Alleged secret detentions in Council of Europe member states» von Sonderermittler Dick Marty) ebenso wie durch die Unterstützung der vom Generalsekretär im Juni 2006 gemachten Vorschläge dafür einzusetzen, dass Massnahmen getroffen werden zum verstärkten Schutz der Menschenrechte von «terrorverdächtigen» Personen, die festgenommen, entführt oder überstellt worden sind.
  11. Sich auf bilateraler und multilateraler Ebene dafür einzusetzen, dass Geheimgefängnisse und Gefängnisse (wie Guantánamo Bay), in denen Personen ohne Eröffnung eines korrekten juristischen Verfahrens festgehalten werden, geschlossen werden.
  12. Sich dafür einzusetzen, dass im Ausland von US-amerikanischen Sicherheitskräften festgenommene Personen nur in offiziell anerkannten Orten inhaftiert werden und dass sie Zugang zu ihren Familien, zu einer Rechtsvertretung und zu Gerichten haben.