Offener Brief Bundesrat soll sich für einen Waffenstillstand in Israel und Libanon und ein Waffenembargo einsetzen

9. August 2006
An den Gesamtbundesrat Bundeshaus 3003 Bern Bern, den 8. August 2006 Offener Brief von Amnesty International an den Gesamtbundesrat zur Situation in Libanon und in Israel Sehr geehrter Herr Bundespräs

An den Gesamtbundesrat
Bundeshaus
3003 Bern

Bern, den 8. August 2006

Offener Brief von Amnesty International an den Gesamtbundesrat
zur Situation in Libanon und in Israel



Sehr geehrter Herr Bundespräsident
Sehr geehrte Damen Bundesrätinnen
Sehr geehrte Herren Bundesräte

Amnesty International ist äusserst besorgt über die Gewalteskalation im Nahen Osten und über die drastische Verschlechterung der Situation für die Zivilbevölkerung.

Angesichts der anhaltenden Missachtung von humanitären Grundsätzen durch beide Konfliktparteien ruft Amnesty International zu einem sofortigen und vollständigen Waffenstillstand auf, denn nur so kann die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten geschützt und können weitere Kriegsverbrechen vermieden werden. Wir bitten Sie nachdrücklich Ihre bisherige Zurückhaltung aufzugeben und alles in Ihrer Macht stehende zu unternehmen, damit zwischen dem Uno-Sicherheitsrat und den betroffenen Ländern so schnell wie möglich eine Einigung über einen Waffenstillstand vereinbart wird.

Zudem verlangt Amnesty International von der internationalen Gemeinschaft ein sofortiges Waffenembargo sowohl gegen Israel als auch gegen die Hisbollah. In diesem Zusammenhang fordern wir Sie deshalb dringlich auf, Waffenlieferungen – inklusive Material, das zur «Doppelnutzung» in Militäraktionen gebraucht wird – an Israel zu stoppen und keine Bewilligungen für Waffentransporte über Schweizer Territorium zu erteilen. Es geht nicht an, dass einerseits humanitäre Hilfe versprochen wird und andererseits Waffenlieferungen stattfinden.

Während der Bundesrat die Anwendung des Neutralitätsrechts in einem Konflikt, der nicht stricto sensu zwischen zwei Staaten ausgetragen wird prüft, verlängert sich die Liste der Opfer. Diese Zurückhaltung der Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen ist unverständlich, umso mehr als dass der Präsident des IKRK die Ansicht vertritt, die Genfer Konventionen seien anwendbar und er alles unternimmt, um den Opfern unter diesen prekären und gefährlichen Umständen zu Hilfe zu kommen.

Die vorsätzliche Lancierung von unverhältnismässigen oder wahllosen Angriffen und bewusste Angriffe auf Zivilpersonen oder zivile Einrichtungen gelten nach gebräuchlichem Völkerrecht als Kriegsverbrechen. Wir erwarten, dass die Schweiz sich für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts stark macht und sich somit für die leidende Zivilbevölkerung in Libanon und in Israel einsetzt.

Wir sind überzeugt, dass eine entschiedenere Haltung der Schweiz den Erwartungen der Bevölkerung unseres Landes entsprechen würde, die sehr besorgt ist über die Vorkommnisse in Libanon und Israel. Eine solche Haltung wäre zusätzlich ein wichtiges Signal für die internationale Gemeinschaft, damit diese ihre Verantwortung wahrnimmt.

Ich übermittle Ihnen hiermit die besten Grüsse im Namen unserer Organisation und ihrer Mitglieder und hoffe auf eine baldige Reaktion Ihrerseits.

Hochachtungsvoll

Amnesty International
Schweizer Sektion

Daniel Bolomey
Generalsekretär