Medienmitteilung Keine Rückschaffungen nach Tschetschenien!

Gemeinsame Medienmitteilung von der Gesellschaft für bedrohte Völker, Solidarités sans frontières, Schweizerische Flüchtlingshilfe und Amnesty International.
Das BFM hat per Anfang August 2008 eine Änderung der Wegweisungspraxis für abgewiesene Asylsuchende aus Tschetschenien verfügt und diese mit einer angeblich «veränderten Sicherheits- und Menschenrechtslage» vor Ort begründet. Laut BFM herrscht in Tschetschenien «keine Situation der allgemeinen Gewalt» mehr vor und deshalb könnten abgewiesene Asylsuchende gefahrlos in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Regionale und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie internationale Gremien wie das UNHCR und der Europarat teilen diese Einschätzung jedoch nicht. Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Präsidentin der GfbV, ist derselben Ansicht: «Es ist aus menschenrechtlicher und politischer Sicht völlig unverantwortlich, Tschetschenen heute in ihre unsichere Heimat zurückzuschicken.»

In einem Brief an das BFM protestierten namhafte Menschenrechtsorganisationen sowie ParlamentarierInnen und Privatpersonen aus der Schweiz und dem Ausland kürzlich gegen die Einschätzung des BFM und forderten seitens des BFM eine Neuüberprüfung des Entscheids, tschetschenische Asylsuchende in ihre Heimat zurückzuschaffen. In seiner Antwort auf dieses Schreiben vom 17. September beharrt BFM-Direktor Eduard Gnesa jedoch auf der Praxisänderung des BFM. Ein von den Initianten des Briefes gefordertes Treffen mit dem BFM wird ohne konkrete Begründung verweigert.

In einer heute eingereichten Interpellation an den Bundesrat fordert Nationalrat Josef Lang den Bundesrat auf, auf seine Praxisänderung bezüglich abgewiesener tschetschenischer Asylsuchender zurückzukommen. In der Begründung führt Lang u.a. an, dass andere Staaten – mit teilweise viel höheren Zahlen von abgewiesenen Asylsuchenden aus Tschetschenien – weiterhin keine Rückschaffungen nach Tschetschenien durchführen (so z.B. Österreich). Es gebe keinen ersichtlichen Grund, weshalb die Schweiz hier vorpreschen und einzelne abgewiesene Asylsuchende einem gravierenden lebensbedrohlichen Risiko aussetzen solle.

Gemäss übereinstimmenden Informationen von verschiedenen regionalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen ereignen sich in Tschetschenien beinahe täglich bewaffnete Zusammenstösse bei denen auch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte involviert sind.

Eine – unvollständige – Statistik für das erste Halbjahr 2008 weist über 88 Fälle von Entführungen oder Tötungen sowie 156 illegale Festnahmen auf. Obwohl die Gewalt vor Ort im Vergleich zu den letzten Jahren leicht abnahm, kommt es nach wie vor zu Übergriffen, gerade auch von Seiten eben dieser staatlichen Behörden. Es ist folglich davon auszugehen, dass die zwangsweise Rückführung von Personen nach Tschetschenien immer noch ein unkalkulierbares Risiko darstellt und aus menschenrechtlicher Sicht nicht zu verantworten ist.

Offizielle Stellungsnahme von Amnesty International