Staatsbesuch des russischen Präsidenten Medwedew Kein roter Teppich ohne klare Worte

Amnesty International, die Gesellschaft für bedrohte Völker und Reporter ohne Grenzen bedauern, dass es nach wie vor unklar ist, ob der Bundesrat den russischen Präsidenten beim Staatsbesuch auf die Menschenrechtsverletzungen in seinem Land ansprechen wird. Sie verlangen klare Worte auf dem roten Teppich. Der Bundesrat soll insbesondere den fehlenden Schutz von Menschenrechtsaktivisten und Medienschaffenden ansprechen sowie die verbreitete Straflosigkeit und die Blockierung der Reform des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs durch Russland.

In den letzten Jahren hat die russische Regierung die Pressefreiheit zunehmend eingeschränkt. «Medienschaffende geraten immer häufiger ins Fadenkreuz. Die Serie politisch motivierter Morde reisst nicht ab. Mit den Angriffen auf die Presse wird die Zivilgesellschaft mundtot gemacht», sagte Georg Hildebrand, Mediensprecher von Reporter ohne Grenzen. MenschenrechtsverteidigerInnen, Medienschaffende und AnwältInnen sind in Russland stark gefährdet, insbesondere in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan. Die Tötungen der tschetschenischen Menschenrechtsverteidigerinnen Natalia Estemirowa im Juli und Sarema Sadulajewa im August 2009 stehen in einer traurigen Reihe mit den Morden an dem Anwalt Stanislaw Markelow, der Journalistin Anastasia Baburowa Anfang dieses Jahres und der Journalistin Anna Politkowskaja, die 2006 ermordet worden ist. In den letzten 15 Jahren sind über 300 Medienschaffende in Russland umgebracht worden. Viele davon schrieben über die Lage in Tschetschenien.

Ende der Straflosigkeit

Die Taten sind eine Folge der Straflosigkeit. «Die russischen und tschetschenischen Behörden schauen lieber weg, als die Täter vor Gericht zu stellen. Der Bundesrat muss bei der russischen Regierung darauf drängen, dass die Strafuntersuchung in diesen Fällen nicht verschleppt wird. Die Verantwortlichen müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden», sagte Daniel Graf, Mediensprecher von Amnesty International. «Der Bundesrat soll Präsident Medwedew deutlich machen, dass die Schweiz von der russischen Regierung erwartet, MenschenrechtsaktivistInnen wirksam zu schützen.»

Russland blockiert Reform des Menschenrechtsgerichtshofes

Beim Staatsbesuch muss der Bundesrat zudem die längst überfällige Reform des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs auf die Agenda setzen. Bereits 2004 wurde ein Zusatzprotokoll zur Neuordnung des Gerichts verabschiedet. 46 Staaten haben das Protokoll ratifiziert. Nur Russland verweigert bis heute als einziges Land die Unterschrift.

«Russland ist der Hauptgrund, warum die Richter in Strassburg überlastet sind. Gegen kein anderes Land wird häufiger wegen Verletzung der Menschenrechte geklagt», sagte Franziska Stocker, Kommunikationsverantwortliche der Gesellschaft für bedrohte Völker. «In vielen Fällen hat der Menschenrechtsgerichtshof die Klagen gutgeheissen. Russland weigert sich aber, die Urteile und Empfehlungen umzusetzen.»

Die Schweiz wird am 18. November 2009 für ein halbes Jahr die Präsidentschaft des Europarates übernehmen. Ein Meilenstein wird die Ministerkonferenz im Februar 2010 in Interlaken sein, an der die Reform des Menschenrechtsgerichtshofes im Zentrum steht. Die Verfahren sollen vereinfacht und die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen auf staatlicher Ebene verbessert werden.

Hintergrundinformationen
  • Amnesty International hat am 30. Juni 2009 den ausführlichen Report «Russian Federation: Rule without law» über die massiven Menschenrechtsverletzungen im Nord-Kaukasus verfasst: siehe www.amnesty.org
  • Reporter ohne Grenzen hat am 10. September 2009 den Bericht «Helden und Handlanger. Die Arbeit von Journalisten und Medien in den russischen Regionen» vorgestellt. Viele russische JournalistInnen und Medien überleben nur durch finanzielle Zuwendungen regionaler Verwaltungen, Politiker und Unternehmer. Die ökonomische Notlage übernimmt die Aufgabe einer Zensurbehörde. Report (PDF)

Weitere aktuelle Informationen finden Sie auf:
www.rsf-ch.ch | www.gfbv.ch

Gemeinsame Medienmitteilung von von Amnesty International, Gesellschaft für bedrohte Völker und Reporter ohne Grenzen
Veröffentlicht: Zürich, 18. September 2009
Medienkontakt bei Amnesty International