«Dieser Entscheid kommt zum genau richtigen Zeitpunkt», kommentiert Daniel Bolomey, Generalsekretär der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Unsere Organisation kämpft seit mehr als zehn Jahren für die Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution. Das jetzige Modell entspricht zwar nicht eins zu eins unseren Erwartungen. Aber von seiner Struktur und Zusammensetzung, vom Fachwissen seiner PartnerInnen und von der Kompetenz seines Direktors her sollte es seine Notwendigkeit bestens beweisen können.» Die offenkundige Orientierungslosigkeit mancher SchweizerInnen angesichts von Diskussionen etwa um die Todesstrafe oder um den Stellenwert des Völkerrechts beweist, wie wichtig eine solche Einrichtung heute ist.
Amnesty International hatte im Juli 2009 den mangelnden Mut des Bundesrates kritisiert, der lieber ein Pilotprojekt testen als eine echte nationale Menschenrechtsinstitution gründen wollte. «Das jetzt vorgelegte Projekt beruhigt uns jedoch», so Daniel Bolomey. «Es vereint vielfältige Kompetenzen auf dem Gebiet der Menschenrechte und hat zudem mit Professor Walter Kälin einen Direktor, dessen Erfahrung in der Schweiz einzigartig ist. So dürfte es gelingen, innerhalb von vier Jahren die einschlägigen Kreise, insbesondere das Parlament und die Kantone, für eine definitive Unterstützung zu gewinnen.»
Amnesty International bedauert dennoch, dass die Unabhängigkeit des Kompetenzzentrums nicht vollständig gewährleistet ist. Das Zentrum wird im Wesentlichen Aufträge des Bundes ausführen, und der vorgesehene Finanzierungsrahmen von 1 Million Franken pro Jahr könnte sich als unzureichend erweisen, auch wenn zusätzlich Leistungen des Zentrums von anderen Institutionen oder von der Wirtschaft eingekauft werden können.
Die Organisation bedauert ausserdem, dass die Kantone nicht klarer in die Institution eingebunden wurden, obwohl sie sehr direkt betroffen sind: Tatsächlich betrifft die Umsetzung internationaler Menschenrechtskonventionen, die die Schweiz unterzeichnet hat, mehrheitlich kantonale Kompetenzbereiche. Die Diskussionen der vergangenen Jahre haben auf dieser Ebene immer wieder deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt.
Es bleiben viele Fragezeichen, namentlich betreffend das genaue Mandat und die Prioritäten des Zentrums wie auch sein künftiges Verhältnis zur Zivilgesellschaft. Doch Amnesty ist zuversichtlich: «Das Engagement von Walter Kälin an der Spitze der Institution und die Beteiligung von MERS - humanrights.ch im Netzwerk sind Garanten der Glaubwürdigkeit und der Öffnung gegenüber den NGOs. Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit», so Daniel Bolomey.
Zusatzinformationen
Zunächst im Rahmen einer NGO-Koalition, später als eine der Trägerorganisationen des «Förderverein Menschenrechtsinstitution Schweiz» engagiert sich Amnesty International seit rund zehn Jahren für die Schaffung einer unabhängigen Menschenrechtsinstitution in der Schweiz. Gestützt auf die «Pariser Prinzipien» der Uno haben bereits über 40 Mitgliedstaaten des Europarates und mehr als hundert Staaten weltweit eine solche Institution eingerichtet. Amnesty International hat die parlamentarischen Vorstösse von Ständerat Eugen David und Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi unterstützt, die beide die Schaffung einer solchen Institution forderten.
Medienmitteilung veröffentlicht: 3. September 2010
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