Die gegenwärtigen Veränderungen in Nordafrika und im Nahen Osten sind von historischer Bedeutung: In vielen Ländern, die seit Jahrzehnten diktatorisch regiert worden sind, bestehen heute nie da gewesene Chancen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Panikmache vor möglichen «Flüchtlingswellen» sowie die Forderungen nach einer rigorosen Abschottung und einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge als äusserst kleinmütig und ängstlich.
Amnesty International, Humanrights.ch / MERS, die Erklärung von Bern, der Schweizerische Friedensrat, TRIAL (Schweizerische Gesellschaft für Völkerstrafrecht) sowie die feministische Friedensorganisation Cfd fordern stattdessen, den Aufbruch in den arabischen Ländern aktiv und glaubwürdig zu unterstützen: Nebst humanitärer Soforthilfe soll die Schweiz auch ihre Hilfe für den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Institutionen, für die Stärkung der Zivilgesellschaft und die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen am Demokratisierungsprozess, für den Umbau der repressiven Polizeiapparate sowie für die Aufklärung und Ahndung von Menschenrechtsverletzungen anbieten. Die Schweiz muss weiter auch einen Beitrag an die wirtschaftliche und soziale Entwicklung leisten, um die Zukunftsperspektiven für die jungen Menschen in diesen Ländern zu verbessern.
Die vom Bundesrat am 11. März 2011 beschlossenen Hilfeleistungen und Massnahmen stellen einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Alle Bekenntnisse zu Demokratie und Menschenrechten werden jedoch unglaubwürdig, wenn der Nationalrat in einer Stimmung der Angst das Signal aussendet, dass er das Recht auf Asyl in Frage stellt und Kriegsflüchtlingen aus Libyen keine Aufnahme gewähren will.
Die Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Nordafrika und im Nahen Osten bleibt überdies nur dann glaubwürdig, wenn die Schweiz bereit ist, ihre Aussenpolitik konsequenter und kohärenter auf die Interessen der Bevölkerung und die Menschenrechte auszurichten: Es hat sich gezeigt, dass repressive Regierungen keine Partner für eine nachhaltige Sicherheits- und Aussenwirtschaftspolitik sein können. Waffenexporte und die Annahme von Fluchtgeldern sollten nicht erst dann gestoppt werden, wenn die betreffenden Potentaten bereits gestürzt oder am Wanken sind. Schliesslich muss die Schweiz auch mehr dazu beitragen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach internationalem Recht zu ahnden.
Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen wollen das Thema einer menschenrechtsorientierten Aussenpolitik in den nächsten Monaten vertiefen und konkretisieren: Für Anfang Juni 2011 ist die Durchführung einer Tagung mit VertreterInnen der offiziellen Schweiz und bundesnaher Kompetenzzentren sowie FachexpertInnen geplant.
Medienmitteilung veröffentlicht: 14. März 2011
Gemeinsame Medienmitteilung von Amnesty International, Humanrights.ch / MERS, der Erklärung von Bern, des Schweizerischen Friedensrats, TRIAL (Schweizerische Gesellschaft für Völkerstrafrecht) sowie der feministischen Friedensorganisation Cfd.
Medienkontakt bei Amnesty International