«Kriegsverbrecher» auf dem Bundesplatz anlässlich der Petitionsübergabe War crimes unit.  (15. März 2012) © Philippe Lionnet
«Kriegsverbrecher» auf dem Bundesplatz anlässlich der Petitionsübergabe War crimes unit. (15. März 2012) © Philippe Lionnet

Schweiz Die Schweiz darf kein Zufluchtsort für Kriegsverbrecher werden!

15. März 2012
Wenn den Behörden die nötigen Mittel zur wirksamen Strafverfolgung vorenthalten werden, droht unser Land zum sicheren Hafen für Völkermörder, Folterer und Kriegsverbrecher zu werden: Das befürchtet die Schweizerische Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof . Am 15. März überreichte sie deshalb dem Bundesrat eine von 10‘000 Personen unterschriebene Petition für die Schaffung einer Spezialeinheit zur Verfolgung von Personen, die Genozid, Folter oder Kriegsverbrechen begangen haben.

Am Donnerstag dem 15. März um 14.00 Uhr sind rund ein Dutzend Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler als international bekannte Kriegsverbrecher maskiert friedlich über den Bundesplatz spaziert. Die Aktion bildete den Rahmen für die Übergabe der Petition „War Crimes Unit“. Gleichzeitig verteilten Aktivisten und Aktivistinnen den Parlamentarierinnen und Parlamentariern Informationsflyer, worauf einige von ihnen die Petition unterzeichneten. Während der Pressekonferenz auf dem Bundesplatz gaben Philip Grant (TRIAL), Alain Bovard und Stella Jegher (beide Amnesty International) sowie Nationalrat Carlo Sommaruga Auskunft und beantworteten Fragen. Die 10‘000 Unterschriften wurden anschliessend der Bundeskanzlei übergeben.

Hintergrund

Seit dem 1. Januar 2011 sind die Bestimmungen zur Umsetzung des so genannten «Römer Statuts» des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in der Schweiz rechtskräftig. Namentlich wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins Strafgesetz aufgenommen, und Kriegsverbrechen wurden klarer definiert. Doch die nötigen Mittel zur Verfolgung von Personen, die solcher Verbrechen verdächtigt werden, fehlen. Damit besteht ein ernsthaftes Risiko, dass zahlreiche in der Schweiz anwesende Kriegsverbrecher straflos davonkommen.

Keinerlei Zahlen zu Kriegsverbrechern in der Schweiz

Wie viele Kriegsverbrecher oder Folterer sich in der Schweiz aufhalten oder hier vorbeikommen, ist nicht bekannt. Aus Zahlen, die von Nachbarländern veröffentlicht wurden, lässt sich aber schliessen, dass sich möglicherweise Tausende von Verdächtigen aus Ex-Jugoslawien, Rwanda, dem Irak, Afghanistan, Sierra Leone, Guatemala, Sri Lanka und vielen weiteren Ländern in Europa aufhalten. In der Schweiz sind mehrere Fälle bekannt, die straflos blieben.

Der Bundesrat hat am 20. Februar 2012 in seiner Antwort auf eine parlamentarische Interpellation bestätigt, dass die Bundesanwaltschaft (BA) «keine zusätzlichen Mittel erhalten [hat], um sich an die neuen Gesetzesbestimmungen anzupassen», und nebenbei erwähnt, dass die zuständigen Personen die Fälle «zusätzlich zu ihren laufenden Geschäften» bearbeiten müssten.

«Wenn die nötigen Mittel nicht zur Verfügung stehen, und wenn nicht eine nichtstaatliche Organisation Alarm schlägt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Behörden nichts gegen syrische, sri-lankische oder etwa kolumbianische Kriegsverbrecher unternehmen werden, die in die Schweiz kommen», befürchtet Bénédict De Moerloose von der Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof. «Die Schweiz wird ein Zufluchtsort für die schlimmsten Verbrecher werden. Das ist inakzeptabel.»

10‘000 Unterschriften an den Bundesrat

Es ist an der Zeit, zu handeln: Mit einer Petition fordern über 10‘000 Personen den Bundesrat auf, nach dem Vorbild der meisten anderen europäischen Staaten endlich eine Spezialeinheit zu schaffen, die imstande ist, Völkermörder, Folterer und Kriegsverbrecher aufzuspüren und wirksam zu verfolgen.

«Wir können uns nicht erlauben, noch Jahrzehnte zu warten, bis wir Kriegsverbrecher und Folterer verfolgen», erklärt Philip Grant von der Organisation TRIAL. «Dem Recht muss  Geltung verschafft werden, und zwar so rasch als möglich. Die Rechtsgrundlage dazu ist vorhanden. Die öffentliche Meinung will es so. Die Kriegsverbrecher fürchten sich davor. Jetzt ist es an den Behörden, zu handeln.»

Weiterführende Informationen:

Kampagne «War crimes Unit»

TRIAL: Fälle in der Schweiz

Interpellation Carlo Sommaruga