Ein Junge im Nothilfezentrum Zürich-Altstetten. © Jacek Pulawski
Ein Junge im Nothilfezentrum Zürich-Altstetten. © Jacek Pulawski

Nationalratsbeschlüsse zum Nothilferegime Abschied von Menschenrechten und der humanitären Tradition der Schweiz?

15.6.2012
In seiner jüngsten Asyldebatte hat der Nationalrat zahlreiche Verschärfungen des Asylgesetzes gutgeheissen – darunter die Ausdehnung des Nothilferegimes auf alle Asylsuchenden. Amnesty International und weitere Organisationen kritisieren dieses Regime seit längerem als unwürdig und menschenrechtswidrig.

Geht es nach dem Willen des Nationalrats, so sollen in Zukunft alle, die in der Schweiz Zuflucht suchen, während ihres Asylverfahrens nur noch Nothilfe erhalten. Das heisst: Unterkunft in abgelegenen, tagsüber zum Teil geschlossenen Unterkünften, ein Beitrag von um die 8 Franken fürs tägliche Überleben, und zusätzliche bürokratische Schikanen. Für die betroffenen Menschen die totale soziale Isolation.

Die Missstände im Nothilferegime, das vor einigen Jahren für abgewiesene Asylsuchende eingeführt wurde, haben Amnesty International und andere Organisationen letztes Jahr in einer breiten Sensibilisierungskampagne kritisiert. 20‘000 Menschen haben in einer Petition eine Revision der geltenden Regelungen gefordert. Dass damit das in unserer Verfassung  verankerte Recht auf ein Leben in Würde für alle und das Diskriminierungsverbot  verletzt werden, scheint heute jedoch einer Mehrheit unserer Volksvertreterinnen und -vertreter egal zu sein. Lieber möchten sie Flüchtlinge und Asylsuchende pauschal als Kriminelle und Schmarotzer darstellen, statt nach effizienten Lösungen für tatsächliche Probleme zu suchen.

Dass zahlreiche Asylsuchende ihr Leben riskieren, um den schwierigen Verhältnissen in ihren Heimatländern zu entfliehen, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Immerhin erhalten aber rund 40 Prozent aller Asylsuchenden in der Schweiz Asyl oder eine vorläufige Aufnahme, weil sie beweisen können, dass sie in ihrem Land verfolgt oder bedroht werden. Nach dem Willen des Nationalrats müssten nun also auch diese 40 Prozent zuerst Jahre unter gewollt prekären Bedingungen in der sozialen Isolation verbringen, bevor sie den Entscheid erhalten, dass sie in der Schweiz bleiben können. Ihre spätere Integration wird dadurch sicher nicht erleichtert!

Für die Schweiz, die sich gerne als Vorreiterin für die Menschenrechte und Hüterin humanitärer Werte sieht, ist eine solche menschenunwürdige  Behandlung eine Schande. Menschen nur aus politischen Gründen schlecht zu behandeln und zu bestrafen, widerspricht klar den Grundsätzen unserer Verfassung und dem Völkerrecht.