Schweiz Ständeratsentscheidung zu Dringlichkeitsrecht unterläuft Demokratie

Die Anwendung von Dringlichkeitsrecht erfordert laut Verfassung eine materielle und zeitliche Dringlichkeit und muss verhältnismässig sein. Das Parlament will diese Regeln der direkten Demokratie unterwandern, um zwei kontroverse Revisionspunkte im Dringlichkeitsrecht ins Asylgesetz zu integrieren: die Abschaffung des Botschaftsverfahrens und den Ausschluss der Desertion als Asylgrund.

Beide Massnahmen werden von Amnesty International als Frontalangriff auf die Essenz des Asylrechts betrachtet, denn die Leidtragenden einer solchen Verschärfung sind nicht etwa die vom Parlament ins Visier genommenen «Missbrauchenden», sondern von totalitären Regimen verfolgte Menschen wie zum Beispiel Militärdienstverweigerer aus Eritrea und Syrien.

Des Weiteren beschloss die SPK des Nationalrats, dass das Bundesamt – ebenfalls in Anwendung von Dringlichkeitsrecht – die Möglichkeit erhalten soll, in Testphasen vom geltenden Recht abzuweichen. Solche Abweichungen sind äusserst problematisch, so lange die Frage der staatlich finanzierten Rechtsvertretung nicht geklärt ist und der Zugang zu Bundeszentren für die Zivilgesellschaft nach wie vor eingeschränkt ist.

Es ist bedenklich, dass der Gesetzgeber mit Blick auf das Asylrecht bereit ist, internationales und nationales Recht zu verletzen und grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates wie das Verhältnismässigkeitsprinzip zu unterwandern. Asylrecht wird immer mehr zu AsylUNrecht, und dies in einem Staat, der ein menschenrechtliches Vorbild für die Herkunftsländer der Asylsuchenden sein sollte.

Medienmitteilung veröffentlicht: 12. September 2012
Medienkontakt