Zerstörter Panzer in Jemen. © Amnesty International
Zerstörter Panzer in Jemen. © Amnesty International

Schweiz Wieder Waffen für die Kriege im Nahen Osten?

Bern, 8. Februar 2016
Die Regierung darf das Waffenexport-Moratorium für den Nahen Osten nicht aufheben, fordert Amnesty International Schweiz.

Laut Medienberichten erwägt der Bundesrat eine teilweise Aufhebung des Waffenexport-Moratoriums in den Nahen Osten. Die Rede ist insbesondere vom Verkauf von Piranha-Schützenpanzern der Firma MOWAG an Katar. Amnesty International ist äusserst besorgt über die Möglichkeit, dass Schweizer Rüstungsgüter wieder in die Region verkauft werden könnten, da sich die humanitäre Krise seit der Verhängung des Moratoriums im März 2015 weiter verschärft hat.

Recherchen von Amnesty International belegen nicht nur mögliche Kriegsverbrechen der von Saudi-Arabien angeführten Allianz im Jemen, der namentlich auch Katar angehört. Sie zeigen auch, dass der «Islamische Staat» mit Waffen aus Beständen von Ländern wie Katar beliefert wurden.

Hinweise auf Kriegsverbrechen im Jemen

Der Bericht «Nowhere safe for civilians: Airstrikes and ground attacks in Yemen» (August 2015) erhärtet den Verdacht auf schwere Kriegsverbrechen, die in Jemen von allen Konfliktparteien begangen werden. Genauer untersucht wurden u.a. acht Luftangriffe, bei denen die von Saudi-Arabien angeführte Allianz in völkerrechtswidriger Weise dicht besiedelte Wohngegenden bombardierte.

Im Bericht «Bombs fall from the sky day and night: Civilians under fire in northern Yemen» (Oktober 2015) legt Amnesty eine genauere Untersuchung von 13 Luftangriffen vor, bei denen insgesamt rund 100 Zivilpersonen, darunter 59 Kinder getötet wurden. Dokumentiert wird auch der Einsatz von Streubomben.

Im Dezember 2015 dokumentierte Amnesty International die rücksichtslose und offenbar vorsätzliche Bombardierung von Schulen im Jemen durch die von Saudi-Arabien angeführte Allianz: «Luftangriffe auf Schulen zerstören die Zukunft von Kindern».

Waffentransfer an den «Islamischen Staat»

Der Bericht «Taking Stock: The Arming of Islamic State» (Dezember 2015) belegt, dass die IS-Kämpfer Waffen benutzen, die in mehr als zwei Dutzend unterschiedlichen Ländern produziert wurden, unter anderem in Russland, China, den USA und Staaten der Europäischen Union.

Laut diesen Recherchen sind zahlreiche Waffen via Katar in die Hände der IS-Kämpfer gelangt: Darunter portable Flugabwehrwaffen (MANPADS) aus chinesischer Produktion, die Katar gekauft und via Türkei an syrische Rebellen geleitet hat; sowie Sturmgewehre (FN FAL), die Belgien an Katar geliefert hatte.

Bereits 2011 stellte der Bundesrat den Export von Kriegsmaterial nach Katar temporär ein, nachdem Munition der Firma RUAG, die an Katar exportiert worden war, bei Rebellen in Libyen gefunden wurde. Es wäre besonders irritierend, wenn der Bundesrat heute Kriegsmaterial­-Exporte in dieses Land trotz den erwähnten Berichten über Weiterleitungen von Waffen an den «Islamischen Staat» erlauben würde.

Schützenpanzer gegen Demonstrationen

Im Hinblick auf einen möglichen Verkauf von Schützenpanzern der Firma MOWAG ist auch daran zu erinnern, dass die saudische Armee im März 2011 Piranha-Panzer, die mit Lizenz der Firma MOWAG in Kanada produziert worden waren, gegen Demonstrationen des arabischen Frühlings in Bahrein einsetzte.

Amnesty International fordert die Schweizer Regierung auf, das Export-Moratorium für Kriegsmaterial in den Nahen Osten aufrecht zu erhalten, solange die Kriegsparteien im Jemen, in Syrien und im Irak sich möglicher Kriegsverbrechen und schwerer Verletzungen der Menschenrechte schuldig machen.

Angesichts der Eskalation der Gewalt in der Region und der dadurch verursachten Flüchtlingsbewegungen wäre es ein fatales Zeichen an die involvierten Kriegsparteien und an die internationale Gemeinschaft, wenn die Schweiz das Waffenexport-Moratorium in den Nahen Osten jetzt lockern würde.