© Martin Bichsel
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Konzernverantwortungs-Initiative Schweiz: Standortpolitik mit Scheuklappen

11. Januar 2017
Der Bundesrat empfiehlt am 11. Januar 2017 die Konzernverantwortungsinitiative zur Ablehnung. Damit verpasst er die Gelegenheit, die grossen Herausforderungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ernsthaft anzugehen. Die Initiative verlangt, dass Schweizer Konzerne die Menschenrechte und die Umwelt respektieren.

In dem im Dezember 2016 publizierten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte unterstreicht der Bundesrat seine Erwartung, dass «in der Schweiz ansässige und/oder tätige Unternehmen […] ihre menschenrechtliche Verantwortung gebührend wahrnehmen». Trotzdem enthielt der NAP keine einzige verbindliche neue Massnahme zur Umsetzung dieses Ziels. Nun empfiehlt der Bundesrat auch die Konzernverantwortungsinitiative ohne vertiefte Diskussion zur Ablehnung. Offenbar ist er nicht bereit, den Worten auch Taten folgen zu lassen und internationale Entwicklungen nachzuvollziehen oder gar zu antizipieren.

International herrscht von OECD bis Uno Konsens, dass von Unternehmen heute ein proaktiver Umgang mit menschenrechtlichen und ökologischen Risiken erwartet wird und dafür Sorgfaltsprüfungen durchzuführen sind. Die Konzernverantwortungsinitiative schlägt vor, dieses Instrument gesetzlich zu verankern.

Die Nachbarsländer sind der Schweiz bereits heute deutlich voraus: Frankreich steht kurz vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das eine Sorgfaltsprüfungspflicht vorsieht. Die italienische Regierung hat im Dezember angekündigt, juristische Abklärungen zur Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht vorzunehmen. Und Deutschland wird ab 2018 systematisch überprüfen, dass bis 2020 mindestens 50% der grossen deutschen Firmen menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen etabliert haben und anderenfalls gesetzliche Massnahmen in Betracht ziehen.

Die Scheuklappenpolitik des Bundesrates hat nicht nur für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Konzerne gravierende Folgen. Auch die zahlreichen Unternehmen, die heute schon Wert auf eine faire und sozial nachhaltige Geschäftstätigkeit legen, leiden darunter. Für sie wären allgemeinverbindliche Vorgaben des Bundes nötig, um für alle Unternehmen die gleichen Voraussetzungen zu schaffen.

Die grundlegende Frage nach einem gesetzlichen Rahmen, in dem sich multinationale Konzerne bewegen sollen, stellt sich immer dringender. Die breite Koalition hinter der Konzernverantwortungsinitiative, bestehend aus 80 Organisationen der Zivilgesellschaft, freut sich auf die nun bevorstehende Diskussion im Parlament und die Abstimmungskampagne. Das Interesse an der Thematik im Parlament ist rege: Nach der Publikation des Nationalen Aktionsplanes für Wirtschaft und Menschenrechte, wurden gleich fünf Interpellationen mit Nachfragen zum NAP eingereicht. Auch in der Bevölkerung ist das Problembewusstsein gross, wie eine repräsentative Demoscope-Umfrage vom Juni 2016 zeigt: 90 Prozent der Befragten wollen, dass Schweizer Konzerne verpflichtet werden, Menschenrechte und Umwelt auch im Ausland zu respektieren.

Die Konzernverantwortungsinitiative gibt dem Parlament und der Bevölkerung die Chance, die Untätigkeit des Bundesrates zu korrigieren und einen Schritt in Richtung eines zukunftsorientierten, nachhaltigen und gerechteren Wirtschaftsstandortes Schweiz zu machen.