Anni Lanz kam in Domodossola einem ihr bekannten, schwer traumatisierten afghanischen Asylsuchenden zu Hilfe, der sich in einer Notlage befand und bei Minustemperaturen im Freien schlafen musste, und brachte ihn in die Schweiz zurück. Das Bundesgericht bestätigte nun die Verurteilung der Walliser Instanzen wegen «Förderung der rechtswidrigen Einreise». Das höchste Schweizer Gericht hält Anni Lanz namentlich vor, sie hätte die Möglichkeit gehabt, Abklärungen zu treffen, um dem Flüchtling in Domodossola zu helfen. Damit liege kein strafbefreiender Notstand vor.
«Wenn das Bundesgericht von jedem/jeder verlangt, vor einer Hilfeleistung umfassende Abklärungen zu treffen, ob die Hilfe vielleicht auch im Ausland möglich wäre, höhlt es das Recht der Menschen aus, spontan aus Mitgefühl und Solidarität zu handeln», so Reto Rufer, Asylrechtsexperte bei Amnesty Schweiz. «Mit einer etwas grosszügigeren Auslegung der strafrechtlichen Notstandsartikel hätte es das Bundesgericht in der Hand gehabt, ein positiveres Signal an die Gesellschaft zu senden».
«Das Urteil gegen Anni Lanz zeigt auch einmal mehr, dass die Schweizer Gesetzgebung dringend reformiert werden muss: Vorgeblich richtet sich der einschlägige Artikel 116 des Ausländergesetzes gegen Schlepper, tatsächlich trifft diese aber nur ein verschwindend kleiner Teil der Verurteilungen», so Rufer. Amnesty hatte sich mit einer Kampagne für die Entkriminalisierung von Solidarität eingesetzt und wird dieses Anliegen weiterhin mit aller Kraft vertreten.
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