Menschenrechtsaktivist*innen aus verschiedenen Bundesstaaten Wurden angeklagt, die sich für die Kastenlosen, Angehörige der indigenen Bevölkerung und für die Rechte der Frauen eingesetzt und die Politik der hindunationalistischen Regierung kritisiert hatten.
Seit über drei Jahren sitzt die indische Gewerkschafterin und Anwältin Sudha Bharadwaj im Gefängnis – ohne Beweise und ohne Verfahren. Sudha Bharadwaj ist auch in der Schweiz bekannt, weil sie sich für die per Gesetz vorgesehene Festanstellung von Leiharbeiter*innen beim Schweizer Zementkonzern Holcim in Indien eingesetzt hatte. Sie und 15 weitere Menschenrechtsverteidiger*innen, Jurist*innen und Kulturschaffende wurden beschuldigt, an den Gewaltvorfällen bei Bhima Koregaon beteiligt gewesen zu sein und eine Verschwörung gegen die Regierung geplant zu haben. Am 1. Januar 2018 wurden damals in Bhima Koregaon, Kastenlose nach einer Grossveranstaltung von hindunationalistischen Gruppen angegriffen. Die Polizei ging danach jedoch nicht gegen die Verantwortlichen der Gewalt vor. Stattdessen wurden Menschenrechtsaktivist*innen aus verschiedenen Bundesstaaten angeklagt, die sich für die Kastenlosen, Angehörige der indigenen Bevölkerung und für die Rechte der Frauen eingesetzt und die Politik der hindunationalistischen Regierung kritisiert hatten.
Den Gefangenen wurden Vergehen unter dem Anti-Terror-Gesetz (UAPA) vorgeworfen. Als «Beweise» dienten gefälschte Dokumente von Hackern, die in die Computer der Aktivist*innen geschleust worden waren. Ein Gerichtsverfahren hat bisher nicht stattgefunden. Eine Freilassung auf Kaution ist praktisch unmöglich. Dies, obwohl einige der Angeschuldigten im fortgeschrittenen Alter sind, Vorerkrankungen haben oder im Gefängnis an Covid-19 oder weiteren Infektionen erkrankt sind. Der 84-jährige Jesuitenpriester Stan Swamy, der an Parkinson litt und dessen Gesundheitszustand sich im Gefängnis kontinuierlich verschlechterte, starb am 5. Juli in Haft. Seine Freilassung war zuvor abgelehnt worden.
Berichten zu Folge hat sich auch der Gesundheitszustand von Sudha Bharadwaj im Laufe der Monate verschlechtert. Besorgnis erregt insbesondere, dass das Byculla-Frauengefängnis, in welchem Sudha Bharadwaj, Shoma Sen und Jyoti Jagtab eingesperrt sind, jüngst erneut zu einem Covid-19-Hotspot wurde und zahlreiche Gefangene erkrankt sind.
Bei der Botschaft abgeblitzt
Aus diesem Grund wollten der Solifonds, die Frauenrechtsgruppe Zürich von Amnesty International und hunderte Unterzeichnende am vergangenen Freitag eine Petition bei der indischen Botschaft in Bern einreichen, die die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen im Bhima-Koregaon-Fall forderte. Die Petition verlangt, dass die Anklagen gegen die Angeschuldigten fallengelassen werden. Die indische Regierung wird zudem aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Aktivist*innen, Menschenrechtler*innen, Medienschaffende, Akademiker*innen und Oppositionspolitiker*innen in der Lage sind, friedlich ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit wahrzunehmen. Gesetze, die das Menschenrecht auf freie Meinungsäusserung kriminalisieren, sollen aufgehoben werden.
Von der indischen Botschaft in der Schweiz war trotz frühzeitiger Ankündigung niemand bereit, die Petition entgegenzunehmen. Diese musste deshalb per Einschreiben der Post übergeben werden.