217’509 Menschen fordern, dass der Bundesrat sein Versprechen aus dem Abstimmungskampf einhält – jetzt umso mehr, als die EU ein griffiges Konzernverantwortungs-Gesetz einführt. «Wir können es selbst kaum glauben, wie viele Unterschriften in so kurzer Zeit zusammengekommen sind», kommentiert Alt-Ständerat Dick Marty (FDP/Tessin) und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung. «Das gewaltige Echo zeigt, dass die Bevölkerung nicht will, dass die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung ist.» Hunderte von Freiwilligen haben sich in den letzten drei Monaten engagiert, unterstützt von rund 30 prominenten Erstunterzeichner*innen.
«Das gewaltige Echo zeigt, dass die Bevölkerung nicht will, dass die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung ist.» Alt-Ständerat Dick Marty (FDP/Tessin)
Die Petition wurde am 1. Dezember 2022 mit 217'509 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie fordert von Bundesrat und Parlament, ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz einzuführen, wie es auf EU-Ebene vorgesehen ist. Die EU-Kommission hat Anfang Jahr eine neue Richtlinie vorgelegt, welche eine themenübergreifende Sorgfaltsprüfungspflicht verbunden mit Haftungsbestimmungen und Aufsichtsbehörden enthält. Die Richtlinie geht also weiter als die Konzernverantwortungsinitiative und soll bis Ende 2023 verabschiedet werden.
«Begeht ein Konzern wie Glencore Menschenrechtsverletzungen oder zerstört er die Umwelt, muss er heute immer noch nicht dafür geradestehen», sagt Chantal Peyer, politische Beraterin bei HEKS und Vorstandsmitglied der Koalition. «Der Bundesrat versprach im Abstimmungskampf ‘international abgestimmt’ vorzugehen. Unsere Petition ist die Erinnerung, dass es höchste Zeit ist, dass auch die Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz einführt. Nur wenn jetzt die Arbeiten beginnen, hat die Schweiz gleichzeitig wie die EU eine anständige Regulierung.»
Schweiz wird abgehängt
Die EU plant nicht nur eine Richtlinie über Konzernverantwortung, es sind auch noch zahlreiche weitere Regulierungsvorhaben auf dem Weg. So ist eine Verordnung geplant, die Produkte aus Zwangsarbeit auf dem EU-Markt verbieten soll. Und eine weitere Regelung soll die Einfuhr von gewissen Rohstoffen wie Rindfleisch oder Soja untersagen, wenn diese Entwaldung verursachen. Mitte-Nationalrat Martin Landolt stellt klar: «Die Schweiz ist international beim Thema Konzernverantwortung bald völlig abgehängt. Aus meiner Sicht steht der Bundesrat jetzt in der Verantwortung, beim Thema Konzernverantwortung mitzuziehen.»
Regelmässig neue Skandale
Leider werden seit der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative regelmässig neue Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung durch Konzerne mit Sitz in der Schweiz bekannt. So deckten die Tamedia-Zeitungen Ende September beispielsweise auf, wie die UBS brasilianische Agrarkonzerne finanziert, die in illegale Abholzung verwickelt sind. Der Genfer Reedereikonzern MSC, der Milliarden umsetzt, lässt seine Schiffe unter katastrophalen Bedingungen an indischen Stränden verschrotten. Und neue Dokumente zeigen, mit welchen skrupellosen Mitteln Syngenta die Gefährlichkeit seines Pestizids Paraquat verschleierte.
In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International Anfang November, wie die Firma Puma Energy mit Sitz in Genf und Singapur an der Lieferung von Flugtreibstoff an die Militärjunta in Myanmar beteiligt ist. «Ein Konzernverantwortungsgesetz hätte Puma Energy dazu verpflichtet, solche Geschäfte zu unterlassen oder für angerichtete Schäden geradezustehen», sagt Danièle Gosteli Hauser, Verantwortliche für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty Schweiz.
Rahel Ruch, Geschäftsleiterin der Koalition für Konzernverantwortung, hält fest: «Konzerne müssen für die Schäden, die sie verursachen, auch geradestehen. Nur so können wir solche Fälle in Zukunft verhindern.»