Mit der Veröffentlichung des Berichts des Bundesamtes für Justiz, der die Nachhaltigkeitspflichten der Schweiz und der EU vergleicht, anerkennt der Bundesrat grösstenteils den Rückstand der Schweiz im Bereich Konzernverantwortung. Der Regulierungsvorschlag der EU, zu dem der Ministerrat am 1. Dezember gerade eine vorläufige Stellungnahme verabschiedet hat, geht nämlich viel weiter als die Schweiz. Er sieht umfassende Sorgfaltsprüfungspflichten für Konzerne im Bereich Menschenrechte, Umweltschutz und Klimaschutz vor. Als Durchsetzungsmechanismen sind Aufsichtsbehörden mit Bussenkompetenz sowie Haftungsbestimmungen für Konzerne geplant. Solche Vorschriften fehlen im aktuellen Schweizer Gesetz gänzlich.
Sogar die milde überarbeitete EU-Richtlinie über Berichterstattungspflichten wird vom Bundesrat erst Mitte 2024 in die Vernehmlassung geschickt. Dabei würde die Anpassung bloss ein kleines Update des schwachen Gegenvorschlags der Schweiz bedeuten.
«Wenn man in einem Abstimmungskampf landauf landab verspricht, dass die Schweiz 'international abgestimmt' vorgehen soll, kann man dieses Versprechen nicht einfach fallenlassen, wenn die internationale Entwicklung weiter geht als erwartet.» Alt-Ständerat Dick Marty
Die Schweiz muss handeln
Am 1. Dezember hat die Koalition für Konzernverantwortung über 217’000 Petitions-Unterschriften der Bundeskanzlei in Bern übergeben, die in nur 100 Tagen gesammelt wurden. Sie fordert von Bundesrat und Parlament ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz und dass der Bundesrat sein Versprechen einhält, sich den internationalen Richtlinien anzugleichen, das er im Abstimmungskampf 2020 gegeben hat. Alt-Ständerat Dick Marty, Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, stellt klar: «Wenn man in einem Abstimmungskampf landauf landab verspricht, dass die Schweiz «international abgestimmt» vorgehen soll, kann man dieses Versprechen nicht einfach fallenlassen, wenn die internationale Entwicklung weiter geht als erwartet.»
Ohne echte Leitplanken wird der Missbrauch weitergehen
«Die zögerliche Haltung des Bundesrates ist nicht nur schockierend, sondern auch kontraproduktiv», sagt Danièle Gosteli Hauser, Verantwortliche für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty Schweiz. Das Zögern der Schweiz bei der Ausarbeitung eines starken und griffigen Konzernverantwortungsgesetzes öffne dem Missbrauch Tür und Tor, ohne dass die Firmen zur Rechenschaft gezogen werden können.