«Die Kommission hat die zahlreichen Stimmen von Betroffenen und die umfangreiche Kritik in der Vernehmlassung berücksichtigt. Sie hat auf die Schaffung eines zweifelhaften separaten Tatbestandes verzichtet und sich für eine grundlegende Reform der Art. 190 und Art. 189 entschieden», sagt Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsverantwortliche bei Amnesty Schweiz.
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Amnesty International, zahlreiche Persönlichkeiten und Politiker*innen diverser Parteien fordern seit nunmehr fast drei Jahren eine zeitgemässe, konsens-basierte Reform des Sexualstrafrechts, die Betroffenen sexualisierter Gewalt gerecht wird.
«Die Kommission hat die zahlreichen Stimmen von Betroffenen und die umfangreiche Kritik in der Vernehmlassung berücksichtigt. Sie hat auf die Schaffung eines zweifelhaften separaten Tatbestandes verzichtet und sich für eine grundlegende Reform der Art. 190 und Art. 189 entschieden», Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsverantwortliche bei Amnesty Schweiz.
Einer Vergewaltigung strafbar macht sich nach Ansicht einer Mehrheit der Kommission künftig, «wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt» («Nein-heisst-Nein»). Eine Minderheit der Kommission sprach sich für die Formulierung «ohne die Einwilligung einer Person» aus («Ja heisst Ja»-Lösung).
«Ja-heisst-Ja»-Lösung wird Betroffenen wirklich gerecht
Amnesty International ist weiterhin der Ansicht, dass nur die Zustimmungslösung «Ja-heisst-Ja» Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend gerecht wird und die Anforderungen internationaler Menschenrechtsnormen wie der Istanbul-Konvention vollständig erfüllt; dies insbesondere in Fällen von Freezing (Schockstarre), bei denen Opfer nicht mehr in der Lage sind, sich gegen eine Vergewaltigung zu wehren oder Widerspruch zu äussern.
«Die Ablehnungslösung («Nein-heisst-Nein») gibt dem Opfer weiterhin eine Mitverantwortung, indem erwartet wird, dass es seinen ablehnenden Willen äussert. Der Fokus bleibt dabei zu stark auf Betroffenen sexualisierter Gewalt und ihrem Verhalten. Die Minderheit der Kommission argumentiert zu Recht, dass das Opfer nicht für das verantwortlich gemacht werden soll, was ihm zugestossen ist. Keine Person soll sich schuldig fühlen, weil sie nicht deutlich genug ‚Nein‘ gesagt hat», sagt Cyrielle Huguenot.
«Wir rufen den Bundesrat und das Parlament dazu auf, die einmalige Gelegenheit zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu nutzen und sich mit einer ‚Ja-heisst-Ja‘-Lösung ohne Vorbehalte für den Schutz von Betroffenen sexualisierter Gewalt auszusprechen».
Amnesty International begrüsst, dass in beiden Varianten nun weitere Penetrationsformen vom Vergewaltigungstatbestand erfasst werden und in Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen künftig alle Menschen als Opfer einer Vergewaltigung anerkannt werden können, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität.