Ein zerstörtes Wohnzimmer im Gebäude 359 in Borodjanka, April 2022 © Amnesty International
Ein zerstörtes Wohnzimmer im Gebäude 359 in Borodjanka, April 2022 © Amnesty International

Ukraine-Konferenz in Lugano Schutz und Unterstützung für Menschen in der Ukraine dringend nötig

Medienmitteilung 1. Juli 2022, London/Bern – Medienkontakt
Vor der Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Lugano richtet Amnesty International einen dringenden Appell an die Staatengemeinschaft. Sie muss sofort eine nachhaltige Unterstützung für die notleidenden Menschen in der Ukraine sicherstellen, fordert die Menschenrechtsorganisation.

An der Ukraine Recovery Conference - URC2022, die am 4. und 5. Juli in Lugano stattfindet und an der Vertreter*innen aus 40 Staaten und 18 internationalen Organisationen teilnehmen, wird die Ukraine ihren Wiederaufbauplan vorstellen. Der anhaltende russische Angriffskrieg hat nicht nur Tausende getötet oder verletzt und Millionen Menschen vertrieben, sondern hat auch katastrophale Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der ukrainischen Bevölkerung. Er hat dazu geführt, dass vielen der Zugang zu Wohnraum, Wasser und sanitären Einrichtungen fehlt, die Arbeitslosigkeit weit verbreitet ist und in der gesamten Ukraine schwere Umweltschäden entstanden sind.

Menschenrechte in den Mittelpunkt der Diskussionen stellen

«Die sozioökonomischen Rechte der Menschen in der Ukraine wurden in einem katastrophalen Ausmass verletzt – mindestens 10 Millionen Menschen benötigen Nahrungsmittel- und Lebensunterhaltshilfe. Mehr als die Hälfte aller ukrainischen Unternehmen mussten geschlossen werden», sagte Oksana Pokalchuk, Direktorin von Amnesty Ukraine. «Bei den Diskussionen zum Wiederaufbau der Ukraine muss der Schutz der Rechte der betroffenen Menschen im Mittelpunkt der Diskussionen stehen.»

Die Ukraine war bis vor dem Krieg die Kornkammer Europas und eine wichtige Quelle für Grundnahrungsmittel für viele Länder im Nahen Osten und in Afrika. Der Krieg hat nicht nur zu einer weit verbreiteten Ernährungsunsicherheit in der Ukraine geführt, sondern auch die Lebensmittelversorgung in vielen Ländern der Welt massiv eingeschränkt und die Preise in die Höhe getrieben. Der Krieg hat auch verheerende Auswirkungen auf die Umwelt: Er verschlingt riesige Mengen fossiler Brennstoffe, zerstört Lebensräume, verursacht Waldbrände und verseucht Luft, Wasser und Boden der Ukraine mit giftigen Substanzen.

Die internationale Gemeinschaft sollte den Wiederaufbau der Ukraine durch finanzielle und technische Hilfe unterstützen – im Einklang mit den Verpflichtungen der Staaten im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Alle Pläne für den Wiederaufbau der Ukraine müssen nachhaltig sein, angemessen finanziert werden und die Menschenrechte in den Vordergrund stellen. Die internationale Hilfe für die Ukraine wird zwangsläufig über einen längeren Zeitraum hinweg fortgesetzt werden müssen.

Nachhaltiger Wiederaufbau nur in Absprache mit Betroffenen möglich

«Ein echter Wiederaufbau wird erst möglich sein, wenn der russische Angriffskrieg beendet ist, aber in der Zwischenzeit muss sich die internationale Gemeinschaft solidarisch mit den Menschen in der Ukraine zeigen und rasch Hilfe leisten. Die ukrainischen Behörden müssen ihrerseits eng mit humanitären Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um Lücken beim Schutz der am stärksten marginalisierten Menschen zu schliessen; insbesondere von Menschen mit Behinderungen, Kinder und ältere Menschen, Vertriebene und Menschen, die in Armut leben», so Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz.

«Amnesty International hofft, dass die Schweizer Regierung die Ukraine-Konferenz nutzt, um für ein breites Konzept der Sicherheits- und Friedenspolitik einzustehen. Nur wenn den direkt betroffenen Menschen zugehört wird, kann ein nachhaltiger Wiederaufbau gelingen».

Zusätzliche Informationen

Die fortlaufende Dokumentation von Amnesty International über Menschenrechtsverletzungen und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht, die während des Krieges in der Ukraine begangen werden, ist hier verfügbar.

In einer neuen, umfangreichen Untersuchung zum Luftangriff auf das Theater von Mariupol vom 30. Juni kommt Amnesty International zum Schluss, dass es sich bei der Bombardierung eindeutig um ein Kriegsverbrechen handelt. Die russischen Streitkräfte nahmen das Theater im März 2022 allem Anschein nach gezielt ins Visier, obwohl dort Hunderte Zivilpersonen Schutz gesucht hatten.