Sowohl die SVP-Initiative als auch der Gegenvorschlag des Kantons sehen eine generelle Bewilligungspflicht als Voraussetzung für jede Demonstration vor sowie die Überwälzung der Kosten für allfällige Polizeieinsätze auf die Demonstrierenden. Friedliche Demonstrant*innen und sogar unbeteiligte Passant*innen könnten mit hohen Summen zur Kasse gebeten werden.
«Nach Völkerrecht dürfen Behörden die Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht von einer Genehmigung abhängig machen. Solange eine Demonstration friedlich verläuft, ist sie durch das Recht auf friedliche Versammlung geschützt, auch wenn sie nicht genehmigt wurde. Dies gilt auch dann, wenn es zu Störungen oder gewissen Einschränkungen der öffentlichen Ordnung kommt», betonte Patrick Walder, Kampagnenkoordinator bei Amnesty Schweiz.
«Es ist Aufgabe der Behörden und nicht der Demonstrierenden, die Sicherheit bei Versammlungen zu gewährleisten. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während einer Versammlung darf nicht zu Lasten von Personen gehen, die Demonstrationen organisieren oder daran teilnehmen. Die drohende Kostenüberwälzung hat eine abschreckende Wirkung auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, indem sie die Ausübung dieser Rechte verhindert oder einschränkt.»
Zivilgesellschaft mobilisiert für Demonstrationsfreiheit
«Die Versammlungsfreiheit gehört zu den Fundamenten der Demokratie. Bürokratische Hürden und die einschüchternde Wirkung neuer Kostenfallen schwächen die demokratische Lebenswelt, die wir gerade jetzt stärken sollten», sagte Matthias Mahlmann, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich.
Markus Husmann von den Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz ergänzt: «Mit der Einführung einer generellen Bewilligungspflicht und einer weitreichenden Kostenüberwälzung für Polizeieinsätze bei Demonstrationen werden Rahmenbedingungen geschaffen, welche die freie Meinungsäusserung zu einem risikobehafteten und beschwerlichen Vorhaben machen.»
«Wer in einer freien Gesellschaft leben will, muss gewisse Störungen tolerieren. Nur das Strafrecht ist dazu da, gewalttätige Handlungen einzelner zu bestrafen. Diese Initiative setzt sich darüber hinweg und führt über die zwingende Kostenüberwälzung die Sippenhaft ein. Das ist ein klarer Angriff auf den liberalen Rechtsstaat», sagt Sanija Ameti, Co-Präsidentin von Operation Libero.
Insbesondere für Jugendliche und Ausländer*innen, die politisch nicht mitbestimmen dürfen, sind Demonstrationen eine Möglichkeit, an der politischen Debatte teilzuhaben. «Wir sollten Jugendliche, die sich für Politik interessieren und auf die Strasse gehen, nicht kriminalisieren, sondern ernst nehmen», sagte Florian Hebeisen, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände.
«Wir verdanken es den Aktivist*innen auf der Strasse, dass der Klimawandel auf der globalen Agenda steht. Wer unsere Lebensgrundlagen schützen will, muss die Meinungs- und Versammlungsfreiheit schützen», betont Iris Menn, Geschäftsführerin von Greenpeace Schweiz.
Die SVP-Initiative und der Gegenvorschlag des Kantons bedrohen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die in der Bundesverfassung und im Völkerrecht garantiert sind. Friedlich zu demonstrieren ist ein Grundrechtrecht und keine Gefälligkeit, die von den Behörden gewährt oder verweigert werden kann. Ein Nein zu den Vorlagen in Zürich ist auch deshalb wichtig, weil in anderen Schweizer Städten ähnliche Gesetzesinitiativen oder Massnahmen geplant oder bereits in Kraft sind.
Rechtliche Analyse und Argumente gegen Initiative und Gegenvorschlag hier