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Schweiz Freisprüche von der Einschüchterungsklage der Kolmar-Gruppe sind ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit

Medienmitteilung 21. Februar 2024, London/Bern – Medienkontakt
Das Regionalgericht Bern-Mittelland hat am Morgen des 21. Februars 2024 die drei Autor*innen eines Berichts über die Kolmar Group AG vom Vorwurf der üblen Nachrede freigesprochen. Das Urteil des Strafverfahrens ist ein wichtiger Schritt zum Schutz des Rechts auf freie Meinungsäusserung, auch wenn die Schweiz noch einiges unternehmen muss um Menschenrechtsverteidiger*innen besser vor Einschüchterungsklagen zu schützen.

Mark Dummett, Leiter des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International, reagierte auf die heutige Entscheidung eines Schweizer Gerichts, die Anklage wegen übler Nachrede der Kolmar Gruppe abzuweisen und die drei Autor*innen eines Berichts freizusprechen, in dem behauptet wurde, dass der Kolmar-Konzern durch den Kauf von geschmuggeltem libyschem Öl möglicherweise gegen internationales Recht verstossen habe:

«Die Entscheidung des Gerichts, die Autoren des Berichts freizusprechen, die von ihrem Recht Gebrauch machten, die Aktivitäten eines multinationalen Unternehmens zu untersuchen, ist ein Schritt zum Schutz des Rechts auf freie Meinungsäusserung und der Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen, die versuchen, Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen.»

«Amnesty International und über zwanzig weitere Nichtregierungsorganisationen begrüssen den Freispruch (PDF, 3 pages in english), weil sie besorgt sind über die abschreckende Wirkung, die Fälle wie diese, die von mächtigen Unternehmen angestrengt werden, auf die Möglichkeiten von Organisationen der Zivilgesellschaft, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen haben, das Fehlverhalten von Unternehmen zu untersuchen.»

«Die von Kolmar eingereichten Straf- und Zivilklagen gegen die Autor*innen und Herausgeber*innen des Berichts tragen die Merkmale einer Einschüchterungsklage.» Mark Dummett, Leiter des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International

«Die von Kolmar eingereichten Straf- und Zivilklagen gegen die Autor*innen und Herausgeber*innen des Berichts tragen die Merkmale einer Einschüchterungsklage (SLAPP – strategische Klage gegen öffentliche Teilnahme), mit der Unternehmen und andere versuchen, ihre unverhältnismässige Macht und ihren Reichtum auszunutzen, um kritische Stimmen durch langwierige und aggressive Rechtsstreitigkeiten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Der noch laufende Zivilprozess von Kolmar stellt nach wie vor eine existenzielle Bedrohung für Public Eye und TRIAL International dar, die Nichtregierungsorganisationen, die den Bericht veröffentlicht haben.»

«Nach der heutigen Entscheidung sollte Kolmar seiner Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte nachkommen. Das Unternehmen sollte davon absehen, das Recht auf freie Meinungsäusserung von Menschenrechtsverteidiger*innen weiterhin zu behindern. Kolmar sollte unter anderem keine Berufung gegen das Urteil einlegen und die mit dem Fall verbundenen Zivilklagen zurückziehen. Wir fordern die Schweizer Behörden auf, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Unternehmen nicht länger in der Lage sind, ihre Gesetze zu missbrauchen, um Menschenrechtsverteidiger*innen zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern.»

«In einem ersten Schritt muss die Schweiz sicherstellen, dass Diffamierung nicht mehr als Straftat behandelt wird. Ausserdem sollte die Schweiz einen umfassenden Rechtsrahmen schaffen, der Schutz vor SLAPPs bietet, unter anderem durch eine frühzeitige Einstellung des Verfahrens.»

Zum Hintergrund    

Das Regionalgericht Bern-Mittelland hat heute Morgen die drei Autor*innen des von den NGOs Public Eye und TRIAL International im Jahr 2020 veröffentlichten Berichts Libyan fuel smuggling: a Swiss trader sailing through troubled waters vom Vorwurf der üblen Nachrede freigesprochen. In dem Bericht wurde Kolmar, ein in der Schweiz ansässiger Handels- und Ölraffineriekonzern, vorgeworfen, möglicherweise gegen internationales Recht verstossen zu haben, indem er Treibstoff von einem Netzwerk von Zwischenhändler*innen kaufte, die beschuldigt wurden, während des Bürgerkriegs in Libyen Gasöl aus der Raffinerie Zawiya zu schmuggeln.

Kolmar hat bestritten, von illegalen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Beschaffung von Treibstoff aus Libyen gewusst zu haben. Eine zivilrechtliche Klage von Kolmar gegen die Verleger*innen und Autor*innen, in der 1,8 Millionen US-Dollar Schadenersatz gefordert werden, ist noch offen.