Mit der Änderung des Asylgesetzes, die morgen im Parlament beraten wird, wird ein klarer Handlungsrahmen für Angestellte in den Bundesasylzentren (BAZ) geschaffen. Die vorübergehende Inhaftierung von Asylsuchenden und andere Zwangsmassnahmen, die bereits heute in den BAZ praktiziert werden, sollen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Angesichts der Schwere der damit verbundenen Grundrechtseingriffe ist es unerlässlich, dass das Gesetz die Anwendung dieser Massnahmen klar regelt und eingrenzt und die Rechte von Betroffenen schützt.
Ein von Amnesty International im Jahr 2021 veröffentlichter Bericht hat gezeigt, dass die vorübergehende Inhaftierung von Asylsuchenden in speziellen Sicherheitsräumen zu schweren Misshandlungen geführt hat. Das Westschweizer Fernsehen RTS hat kürzlich neue Fälle von Gewalt gegen Minderjährige im Bundesasylzentrum Les Rochats (VD) aufgedeckt. Sie zeigen, wie gross die Gefahr des Missbrauchs bei vorübergehenden Inhaftierungen ist. Laut den RTS-Recherchen mussten mehrere Minderjährige, die unter Zwang in einem Raum festgehalten wurden, völkerrechtswidrige Zwangsmassnahmen über sich ergehen lassen: Sie wurden mit Pfefferspray besprüht oder auf den Boden gedrückt, während ihre Arme auf dem Rücken blockiert wurden.
«Die Verwendung eines Sicherheitsraums oder einer anderen Arrestzelle birgt ein hohes Risiko der physischen und psychischen Misshandlung. Ein Gesetz, das die vorübergehende Festhaltung erlaubt, muss eindeutig die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit, die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln und ein verstärktes Monitoring des Sicherheitspersonals vorsehen. All diese Garantien fehlen im aktuellen Gesetzesentwurf», stellt Alicia Giraudel, Juristin bei Amnesty International, fest.
Kinder sollten grundsätzlich von den geplanten Gesetzesänderungen ausgenommen werden. Amnesty International fordert, dass die vorübergehende Festhaltung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren (und nicht wie vorgeschlagen nur von Minderjährigen unter 15 Jahren) untersagt wird. Laut der Uno-Kinderrechtskonvention gilt jede Person unter 18 Jahren als Kind. Alle Massnahmen in den BAZ sollten in erster Linie das Wohl und die (psychische) Gesundheit des Kindes zum Ziel haben.
«Die vorübergehende Inhaftierung von Minderjährigen per Gesetz zu erlauben, würde eine Praxis bestätigen, von der bereits bekannt ist, dass sie zu schweren Missbräuchen führt. Wir fordern die Behörden auf, ihre Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt in den Bundesasylzentren fortzusetzen. Und wir fordern das Parlament auf, im Interesse der Kinder die Revision des Asylgesetzes zu korrigieren», schliesst Alicia Giraudel.