© Queeramnesty.ch
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Rechte von LGBTI*-Personen

August 2021
Rund um den Globus werden Menschen, dafür wen sie lieben, wie sie sich kleiden und letztlich dafür, wer sie sind, zur Zielscheibe. Doch weltweit kämpfen LGBTI*-Aktivist*innen für ihre Rechte.

In zahlreichen Ländern werden lesbische, schwule, trans und intergeschlechtliche Personen (LGBTI*) tagtäglich benachteiligt und in ihren Rechten verletzt. Die Diskriminierung basiert auf ihrer sexuellen Orientierung (zu wem sie sich hingezogen fühlen), ihrer Geschlechtsidentität (wie sie sich selbst definieren, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht), ihrem Geschlechtsausdruck (wie sie ihr Geschlecht durch Kleidung, Haare oder Make-up und mehr zum Ausdruck bringen) oder ihren Geschlechtsmerkmalen (z.B. Genitalien, Chromosomen, Fortpflanzungsorgane oder Hormonspiegel).

Die Ungleichbehandlungen nehmen gravierende, teils lebensbedrohliche Formen an: Betroffene werden beleidigt, belästigt, erhalten keine Arbeit oder keinen Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Täglich werden LGBTI*-Personen aufgrund ihrer Identität auf offener Strasse schikaniert, verprügelt oder gar ermordet. Intergeschlechtliche Menschen werden weltweit gefährlichen, invasiven und völlig unnötigen Operationen unterzogen. Die physischen und psychischen Auswirkungen können ihr Wohlbefinden ein Leben lang beeinträchtigen.

Anstatt ihre Schutzpflicht wahrzunehmen, fördern manche Regierungen die Feindseligkeit gegenüber LGBTI*-Personen sogar noch. Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in 71 Ländern kriminalisiert und werden in neun Ländern mit dem Tod bestraft; darunter Iran, Saudi-Arabien, Sudan und Jemen. Und selbst wenn diese repressiven Gesetze nicht angewendet werden: Allein ihre Existenz verstärkt die Vorurteile gegenüber LGBTI*-Personen und lässt sie schutzlos gegenüber Belästigung, Erpressung und Gewalt.

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Was können wir gegen diese Diskriminierung tun?

Weltweit überwinden Aktivist*innen enorme Hindernisse und setzen ihre eigene Sicherheit aufs Spiel, um für die Rechte von LGBTI*-Personen einzustehen. Sie decken Menschenrechtsverletzungen auf und erwirken die Anpassung diskriminierender Gesetze. Durch Pride-Märschen und globale Bewusstseinstage, so zum Beispiel der internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie (auch bekannt als IDAHOTB), bilden LGBTI*-Menschen Allianzen und präsentieren sich selbstbewusst der Welt. Das globale und kollektive Engagement von Aktivist*innen und Organisationen hat sich ausgezahlt: Heute erkennen mindestens 43 Länder homophobe Straftaten als eine Form von Hassverbrechen an. 28 Länder die gleichgeschlechtliche Ehe bis heute legalisiert; darunter Argentinien, Kanada, Irland, Malta, Südafrika und Uruguay.

Was tut Amnesty International, um die Rechte von LGBTIQ*-Personen zu verteidigen?

Wir setzen uns weltweit dafür ein, dass LGBTI*Personen vor Diskriminierung geschützt werden. Gegenüber Regierungen und Entscheidträger*innen sprechen wir offiziell Empfehlungen aus, Gesetze zu verbessern und die Rechte von Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, zu schützen.

Nach einer weltweiten Kampagne von Amnesty International entschied das höchste Gericht Taiwans, dass das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe verfassungswidrig ist. Im Mai 2019 hat Taiwan die gleichgeschlechtliche Ehe offiziell anerkannt; eine Premiere in Asien. In Griechenland, Dänemark und Norwegen hat unsere Arbeit die Gesetzgebung zur Anerkennung der Genderidentität und des wahren Geschlechts stark beeinflusst. Und erst kürzlich prangerte die Organisation die Verabschiedung eines homo- und transphoben Gesetzes in Ungarn öffentlich an.

Die LGBTI*-Bewegung erzielte grosse Fortschritte. Dennoch bleibt viel zu tun. Amnesty International unterstützt den weltweiten Aktivismus mit zahlreichen Hilfsmitteln zu einer Reihe von LGBTI*-Themen; beispielsweise ein Advocacy-Toolkit zur Bekämpfung von Diskriminierung in Sub-Sahera-Afrika oder die Body Politics-Reihe, die das Bewusstsein für die Kriminalisierung von Sexualität und Reproduktion schärft.

6 Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um LGBTI*

Lesen Sie dazu auch unsere Informationen zur inklusiven Sprache und finden Sie weitere Begriffserkläfungen in unserem Glossar.

Glossar der wichtigsten Begriffe

Warum sind LGBTI*-Rechte wichtig?

Wir alle sollten stolz darauf sein können, wer wir sind und wen wir lieben. Wir alle haben das Recht auf persönliche Selbstbestimmung und Anerkennung vor dem Gesetz. Unsere Identität sollten wir frei zum Ausdruck bringen dürfen, ohne Diskriminierung fürchten zu müssen. Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (in der die Rechte eines jeden Menschen erstmals definiert wurden) schützt das Recht auf freie Meinungsäusserung für alle.

Das Ende von Homophobie und Transphobie wird Leben retten. Menschen, die sich als LGBTI* identifizieren, sind einem erhöhten Risiko von physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit.

Wer LGBTI*-Personen akzeptiert und ihre Identität anerkennt, beginnt Hürden zu überwinden, die durch Geschlechterstereotypen entstandene sind. Stereotypen grenzen ein und definieren, wie wir unser Leben zu leben haben. Damit schaden sie der ganzen Gesellschaft. Ihr volles Potenzial können Menschen erst dann ohne Diskriminierung und soziale Zwänge entfalten, wenn Stereotypen durchbrochen und beseitigt sind.

LGBTI*-Menschen, insbesondere trans und intergeschlechtliche Menschen, sind oft von wirtschaftlicher und sozialer Ausgrenzung bedroht. Amnesty International kämpft für Gesetze, die es allen ermöglichen, ihre Rechte auf Gesundheit, Bildung, Wohnen und Beschäftigung wahrzunehmen; unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentitäten.

Wo sind sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen strafbar?

Sex mit einer Person des gleichen Geschlechts zu haben, ist in 70 Ländern illegal. In Bangladesch, Barbados, Guyana, Sierra Leone, Katar, Uganda und Sambia droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Neun Länder bestrafen Homosexualität mit der Todesstrafe: Afghanistan, Brunei, Iran, Irak, Mauretanien, Pakistan, Saudi-Arabien, Sudan und Jemen.

Was ist ein Pride March?

Pride Marches (Märschedes Stolzes) sind Veranstaltungen und Aktionen von  Menschen, die aufgrund strenger Definitionen von Männlichkeit und Weiblichkeit an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Prides werden auf zahlreiche Arten – einschliesslich Karneval-Umzüge, Filmvorführungen und Debatten – und zu regional unterschiedlichen Jahreszeiten gefeiert. In Amerika und Europa beginnt die Saison in der Regel im Juni, während in Südafrika die Pride-Märsche zwischen Februar und März stattfinden. Die Ereignisse sind in all ihren Formen eine Gelegenheit für LGBTI*-Menschen, zu zeigen, dass sie stolz auf ihre Identität sind und die LGBTI*-Bewegung in ihrer ganzen Vielfalt zu feiern. Gleichzeitig sind es politische Aktionen mit der Forderung, die Rechte von LGBTI*-Menschen zu respektieren und zu schützen. Pride-Märsche sind in mehreren Ländern auf der ganzen Welt verboten; darunter Russland, Saudi-Arabien, Uganda und seit kurzem auch in der Türkei. 

Was bedeutet sexuelle Orientierung?

Die sexuelle und/oder romantische Orientierung einer Person bezieht sich darauf, zu wem sie sich hingezogen fühlt und mit wem sie Beziehungen eingeht. Die sexuelle Orientierung ist etwas persönliches, und jeder Mensch kann selbst entscheiden, wie er sie definiert. Die Übergänge sind fliessend und bei manchen Menschen ändert sich die sexuelle Orientierung im Laufe des Lebens. Unterschieden wird, ob man sich zu Personen des gleichen Geschlechts (Homosexualität), des anderen Geschlechts (Heterosexualität), beider Geschlechter (Bisexualität), unabhängig des Geschlechts (Pansexualität) oder zu niemandem (Aromantik und/oder Asexualität) hingezogen fühlt.

Und was ist mit Geschlechtsidentität gemeint?

Die Geschlechtsidentität ist das innere Wissen einer Person darüber, welches Geschlecht sie hat. Diese Selbstwahrnehmung kann sowohl von den biologischen Geschlechtsmerkmalen als auch von der gesellschaftlichen Wahrnehmung abweichen. Jeder Mensch sollte selbst über seinen Geschlechtsausdruck bestimmen und seine Identität ausleben dürfen, ohne Diskriminierung fürchten zu müssen.

Menschen, die sich dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, werden als Cis-Menschen bezeichnet. Trans Menschen identifizieren sich nicht oder nicht ausschliesslich mit dem zugewiesenen Geschlecht. Manche Menschen identifizieren sich weder (ausschliesslich) als männlich noch (ausschliesslich) als weiblich und/oder lehnen die Reduktion der Geschlechtervielfalt auf diese zwei Kategorien ab. Diese Personen bezeichnen sich als nicht-binär.

Einige trans  Personen entscheiden sich dafür, einen sozialen oder medizinischen Transitionsprozess zu durchlaufen, um entsprechend ihrer Geschlechtsidentität zu leben und wahrgenommen zu werden. Transitionen können viele Formen annehmen. Manche Menschen nehmen neue Pronomen an, ändern ihren Namen oder ihr Erscheinungsbild, beantragen eine Änderung des Familienstandes und/oder unterziehen sich einer geschlechtsbestätigenden Operation oder Hormonbehandlung.

Die Geschlechtsidentität ist von der sexuellen Orientierung unabhängig.

Wo können Transgender-Menschen ihr Geschlecht im Personenstand anerkennen lassen?

In einigen Ländern können Transgender-Personen ihren Personenstand ändern lassen. In den meisten Fällen müssen sie sich jedoch erniedrigenden Prozessen unterziehen, einschliesslich psychiatrischer Diagnosen und irreversibler Sterilisation, die ihre Menschenrechte verletzen. Nur in sieben Ländern gibt es keine derartigen Verfahren. Diese sind: Argentinien, Belgien, Kolumbien, Dänemark, Irland, Malta und Norwegen.

Was bedeutet «intergeschlechtlich»?

Eine Person wird als iintergeschlechtlich bezeichnet, wenn sie mit Geschlechtsmerkmalen geboren wird, die sich von dem unterscheiden, was allgemein als «weiblich» oder «männlich» angesehen wird. Zum Beispiel kann der Körper bei manchen Menschen sowohl männliche als auch weibliche Merkmale aufweisen. Die Chromosomenanordnung einer Person kann weder typisch männlich noch typisch weiblich sein. Diese Merkmale können bei der Geburt vorhanden sein oder während oder nach der Pubertät deutlicher werden.

Viele intergeschlechtliche Menschen unterziehen sich elektiven und irreversiblen invasiven «Normalisierungs»-Operationen, meistens als Kinder, aber manchmal auch später. Diese Eingriffe sind in der Regel nicht medizinisch indiziert, sondern Folge des sozialen Druckes, den gängigen Genderstereotypen zu entsprechen. Sie können bei den betroffenen Menschen verheerende körperliche und seelische Langzeitschäden hinterlassen.