Nationalrat
Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten. Volksinitiative
Geschäft des Bundesrats. Weltausstellung 2020 in Dubai
Mo. Imark. Die Verwendung von Steuergeldern für Rassismus, Antisemitismus und Hetze unterbinden
Mo. Quadri. Den freien Ausgang der Asylsuchenden in den Empfangszentren einschränken
Ständerat
Mo. SPK-NR. Ersatz des Status der vorläufigen Aufnahme
NATIONALRAT
Dienstag, 19. und Mittwoch, 20. September
17.300 Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten. Volksinitiative
Eine der zentralen Gründe, warum sich Amnesty Schweiz deutlich gegen die Masseneinwanderungsinitiative ausgesprochen hatte, war die darin enthaltene Forderung nach Einführung von Höchstzahlen und Kontingenten im Bereich Asyl und Familienzusammenführungen. Kontingente im Asylwesen sind unvereinbar mit internationalem Recht. Sie können zu Verletzungen des Non-Refoulement-Gebots führen, das zum zwingenden Völkerrecht gehört und von dem sich kein Staat – mit welchen Gründen auch immer – entbinden darf.
Amnesty Schweiz hat sich nicht direkt zur Initiative «Raus aus der Sackgasse» geäussert, jedoch aber zum Gegenvorschlag des Bundesrats, der in der Vernehmlassungsvorlage weiterhin Höchstzahlen und Kontingente im Asylbereich vorsah. Nach vorwiegend negativen Rückmeldungen in der Vernehmlassung verzichtete der Bundesrat auf einen Gegenentwurf und empfiehlt die Rasa-Initiative zur Ablehnung. Der Nationalrat wird trotzdem über drei Gegenvorschläge diskutieren. Amnesty Schweiz befürwortet die Minderheitsanträge I und II, da beide die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz respektieren und demnach auch das Non-Refoulement-Prinzip eingehalten werden kann.
Eine umfangreiche Stellungnahme zu Kontingenten im Asylbereich finden Sie hier (pdf)
Mittwoch, 27. September
17.036 Geschäft des Bundesrats. Weltausstellung 2020 in Dubai
Amnesty International vertritt selten bis nie Positionen, die auf Boykotte oder die Nichtteilnahme an Veranstaltungen abzielen. Der Ansatz von Amnesty ist vielmehr, Ereignisse dazu zu nutzen, Menschenrechtsverletzungen aufs Tapet zu bringen. So auch für die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung 2020 in Dubai, für die der Bundesrat einen Verpflichtungskredit in Höhe von 12,75 Millionen Franken beantragt.
Eine Teilnahme begründet die Landesregierung unter anderem mit den bedeutenden wirtschaftlichen Interessen der Schweiz in diesem Golfstaat und der einmaligen Möglichkeit, unser Land einem grossen muslimischen Publikum vorzustellen – zumal der Schweizer Pavillon in der Nähe desjenigen des Gastlandes errichtet werden soll. Bei den Hauptbotschaften soll es gemäss Bundesrat primär um Innovationskraft, Produkt- und Dienstleitungsqualität gehen. Unter dem Motto «Creating the future» sollen jedoch auch «Schweizer Werte in der Politik, beispielsweise in den Bereichen gute Regierungsführung, internationale Zusammenarbeit, Toleranz und Solidarität» vermittelt werden.
Für Amnesty International ist zentral, dass es hierbei nicht bei einem Lippenbekenntnis bleibt. Demokratische Werte dürfen nicht nur dann herangezogen werden, wenn sie als Verkaufsargument – z.B. für Stabilität und Sicherheit des Innovationsstandorts Schweiz – nützlich sind. Die Schweiz muss vielmehr die Chance nutzen, die Bedeutung der Menschenrechte als Voraussetzung für Frieden und Sicherheit in der Welt zu betonen. Sie darf dabei auch den Kontrast zur problematischen Menschenrechtslage in den VAE nicht scheuen – und das wird nicht ohne Dissens mit dem Gastgeberland gehen. Amnesty Schweiz ruft die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf, den Verpflichtungskredit an entsprechende Bedingungen zu knüpfen.
Die Menschenrechtslage in den VAE ist besorgniserregend, die Meinungsfreiheit ist massiv eingeschränkt. Menschenrechtsverteidigerinnen – und -verteidiger werden in erheblichem Masse überwacht, bedroht und willkürlich inhaftiert. Die VAE spielen zudem eine tragende Rolle in der saudischen Militärkoalition im Jemen-Krieg und werden schwerer Völkerrechtsverletzungen verdächtigt. Hier einige Links mit konkreten Informationen zu VAE und Menschenrechte:
- Rolle der VAE in Jemen (Link)
- Ahmed Mansour, bekannter Menschenrechtsverteidiger, dessen Ehefrau den Schweizer Pass hat (Link)
- Genereller Überblick über die Menschenrechtslage (Link)
Mittwoch, 27. September
16.3289 Mo. Imark. Die Verwendung von Steuergeldern für Rassismus, Antisemitismus und Hetze konsequent unterbinden
Amnesty Schweiz hatte zusammen mit Partnerorganisationen bereits die Gelegenheit, ihre Vorbehalte gegen die Motion 16.3289 anzubringen. In einem Schreiben (pdf) an die Mitglieder der APK-S hat Amnesty ausgeführt, warum dieser Text den aussenpolitischen Spielraum der Schweiz unnötig eingeschränkt, den Kampf gegen die Korruption unterwandert und den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen gefährdet.
Der Vorstoss Imark richtet sich nicht nur gegen Aktivitäten und Kampagnen, die als antisemitisch qualifiziert werden könnten. Er will vielmehr allen Bestrebungen «die von rivalisierenden Gruppierungen oder souveränen Staaten als Provokation aufgefasst werden können» die direkte oder indirekte Unterstützung durch den Bund entziehen. Das wirft verschiedene ungelöste Fragen auf: Wer entscheidet, wann eine Kampagne als «Provokation» empfunden werden könnte? Wie viel Rücksicht muss auf die Empfindlichkeiten von autoritären bis diktatorischen Staatschefs genommen werden? Die Motion hätte schwerwiegenden Auswirkungen auf zentrale Bereiche der Schweizer Aussenpolitik, darunter die Korruptionsbekämpfung, den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und die multilaterale Zusammenarbeit. Amnesty International empfiehlt, die Motion in ihrer ursprünglichen Form abzulehnen.
Die APK-S hat wichtige Änderungen (pdf) vorgeschlagen, welche die vagen Aspekte des Vorstosses beseitigen und den Interpretationsspielraum bedeutend einschränken. Amnesty Schweiz ist – zusammen mit verschiedenen Mitgliedern der Kommission – weiterhin der Ansicht, dass die aktuelle Situation im Grunde zufriedenstellend ist und dass es keiner Gesetzesänderung bedarf. Amnesty Schweiz stellt sich jedoch nicht gegen eine Annahme gemäss Änderungsantrags der ständerätlichen Kommission.
Freitag, 29. September
14.413 Pa.Iv. Vischer. Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und 14.434 Pa.Iv. Derder. Schutz der digitalen Identität von Bürgerinnen und Bürgern
Amnesty Schweiz begrüsst diese beiden parlamentarischen Initiativen, die den Schutz der Privatsphäre in der Verfassung stärken möchten. Ein Verfassungsartikel, welcher die Daten einer Person zu deren Eigentum erklärt und die Beweislast beim Datenschutz zu Lasten von Staat und Unternehmen und zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürgerinnen umgekehrt, stärkt den heute dringend nötigen Schutz der Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das Recht auf Privatsphäre ist ein wichtiges Menschenrecht, für welches sich Amnesty International einsetzt. Die Privatsphäre ist in der Bundesverfassung (Artikel 13) und in internationalen Verträgen wie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert. Im digitalen Zeitalter wird die Privatsphäre vielfach bedroht, sei es durch staatliche Überwachung, sei es durch die Aktivitäten von Unternehmen, die persönliche Daten im Netz oftmals ohne Einwilligung der betroffenen Person sammeln und weiterverwerten. Amnesty Schweiz hat sich bereits in der Vernehmlassung zum neuen Datenschutzgesetz für eine deutliche Stärkung der gesetzlichen Garantien zum Schutz der Privatsphäre ausgesprochen.
Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden haben gezeigt, was viele bereits befürchtet hatten: Regierungen und Geheimdienste speichern und analysieren im Geheimen unsere privaten Daten sowie unsere Kommunikation aus E-Mails, Telefonaten und SMS. Sie überwachen Millionen von Menschen – ohne Aufsicht, Transparenz und Kontrolle. Das Bewusstsein, unter staatlicher Überwachung zu stehen, führt bei vielen Menschen zu Selbstzensur. Diese «Schere im Kopf» beeinträchtigt die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Wer Angst hat, überwacht zu werden, sagt weniger offen seine Meinung und traut sich seltener, im Internet zu Protest aufzurufen oder sich über sensible Themen zu informieren. Verdachtsunabhängige Massenüberwachung und mangelnder Schutz der Privatsphäre sind denn auch eine Gefahr für die Grundrechte und die demokratische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger.
Unter diesem Link finden Sie detaillierte Informationen von Amnesty International zum Thema Überwachung und Privatsphäre.
Datum noch offen
16.3019 Mo. Quadri. Den freien Ausgang der Asylsuchenden in den Empfangszentren einschränken
Amnesty Schweiz lehnt diese Motion entschieden ab, da sie nicht nur unzulässige Einschränkungen für die persönliche Bewegungsfreiheit auferlegen will, sondern auch einen ganzen Bevölkerungsteil stigmatisiert. Junge alleinstehende «Wirtschaftsmigranten» seien eine Bedrohung für westliche Frauen und dürften deshalb an Abenden und Nächten der Wochenenden die Empfangs- und Verfahrenszentren nicht mehr verlassen, heisst es in der Begründung des Motionärs.
Es gibt gerechtfertigte Gründe, die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden einzuschränken – etwa, wenn die Person für eine Anhörung rasch zur Verfügung stehen muss oder aus anderen administrativen Gründen. Es handelt sich dabei jedoch immer um individuelle Einschränkungen, die punktuell verfügt werden und die durch die Umstände gerechtfertigt sind. Auch Einschränkungen bei den Ausgeh-Zeiten können aus logistischen und praktischen Gründen verhängt werden. Nicht zu rechtfertigen ist dagegen ein generelles Bewegungsverbot einzig aufgrund des unbegründeten generellen Verdachts, die Betroffenen könnten Delikte begehen. Die Übergriffe in der Silvesternacht 2015 in Köln werden als Tatbeweis herangezogen, um alle alleinstehenden männlichen Asylbewerber in der Schweiz zu kriminalisieren und mit Sexualstraftätern in einen Topf zu werfen – entgegen dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der Unschuldsvermutung und wider das Diskriminierungsverbot.
STÄNDERAT
Montag, 11. September
17.3270 Mo. SPK-NR. Ersatz des Status der vorläufigen Aufnahme
Amnesty Schweiz begrüsst die Absicht, den Status der vorläufigen Aufnahme zu überdenken. Nach Ansicht von Amnesty und der Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) soll er durch einen dauerhaften und stabilen Schutzstatus ersetzt werden. Entgegen der SPK-S, welche die Motion mit knapper Mehrheit ablehnt, sind die Organisationen der Ansicht, dass es sich um eine realistische Lösung handelt, die es erlauben würde, unnötige Sozialhilfekosten zu sparen und die Integration zu erleichtern.
Rund die Hälfte aller Asylsuchenden haben heute den Status F und bleiben meist über viele Jahre in der Schweiz. Für eine Neuregelung der unbefriedigenden Situation haben sich auch der Gemeinde- und der Städteverband und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) ausgesprochen.
Der Nationalrat hat die Motion der SPK-N angenommen, die eine Umsetzung gemäss der vom Bundesrat favorisierten Variante 2 verlangt. Eine Expertenkommission soll die Möglichkeiten für einen zusätzlichen Status klären. Amnesty unterstützt diese Vorgehensweise, auch wenn die Vorschläge des Bundesrats verbesserungsbedürftig sind.
Die Variante 2 hat den Vorteil, dass Schutzberechtigte einen klaren und positiven Status erhalten sollen. Betroffen wären alle Personen, die heute eine vorläufige Aufnahme erhalten. Der Vorschlag enthält jedoch nach wie vor weitgehende Einschränkungen, die Schutzbedürftige gegenüber anerkannten Flüchtlingen benachteiligen würden und die nicht gerechtfertigt sind. Aus Sicht von Amnesty und der SFH sollte der Status den Schutzbedürftigen die gleichen grundlegenden Rechte wie bei anerkannten Flüchtlinge gewähren. Zudem sieht der Vorschlag eine erhebliche Schlechterstellung gegenüber subsidiär Schutzberechtigten in der EU vor. Konkret sind folgende Punkte zu überdenken:
Die Variante 2 schränkt die Niederlassungsfreiheit zu stark ein (Anspruch auf Kantonswechsel erst nach zwei Jahren Erwerbstätigkeit in einem anderen Kanton). Damit wird die Chance, eine Arbeitsstelle zu finden, begrenzt. Dies widerspricht dem Ziel einer rascheren Integration in den Arbeitsmarkt.
- Beim Familiennachzug würde weiterhin eine zu lange Wartefrist von zwei Jahren gelten (heute drei). Auch dieser Punkt erschwert die rasche Integration.
- Die Reisefreiheit soll gleich stark eingeschränkt bleiben wie bei der vorläufigen Aufnahme heute. Das ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt. Die betroffenen Personen leben langfristig in der Schweiz und können das legitime Bedürfnis haben, Verwandte etwa in Deutschland zu besuchen. Dies wäre weiterhin nur in Ausnahmefällen und mit hohem bürokratischem Aufwand möglich. Die Einschränkung der Reisefreiheit würde zudem der EU-Regelung widersprechen, welches für Personen mit subsidiärem Schutz ein Reisedokument vorsieht.
- Die Sozialhilfe würde bei Variante 2 der heutigen vorläufigen Aufnahme entsprechen. Diese ist in fast allen Kantonen tiefer als für Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Angesichts des vergleichbaren Schutzbedarfs wie bei anerkannten Flüchtlingen und angesichts der längerfristigen Aufenthaltsdauer in der Schweiz ist dies nicht gerechtfertigt. Auch die Regelung in der EU sieht für subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich den gleichen Sozialhilfeansatz wie für Staatsangehörige vor.
- Die Kantone könnten nach fünf Jahren eine Aufenthaltsbewilligung Dies wäre eine Kann-Vorschrift – wie bei der heutigen Härtefallregelung. Angesichts der heute uneinheitlichen und mehrheitlich sehr strengen kantonalen Praxis bei den Härtefällen braucht es jedoch eine verbindliche Regelung. Der Bericht des Bundesrats nennt als Variante einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung nach fünf Jahren. Dies wäre zu begrüssen, falls die Variante 2 weiterverfolgt werden sollte.
- Die Aufenthaltsdauer mit dem neuen Schutzstatus würde nach wie vor nur zur Hälfte an die Einbürgerungsfrist Angesichts des meist langfristigen Schutzbedarfs und der entsprechenden Aufenthaltsdauer in der Schweiz ist dies nicht gerechtfertigt.
Hier finden Sie die ausführliche Stellungnahme (pdf) der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, bei der Amnesty International Mitglied ist.