© Béatrice Devènes
© Béatrice Devènes

Wintersession 2017 (27. 11. - 15.12.2017) Menschenrechte im Parlament Winter 2017

20. November 2017
Am 9. November wurde die Schweiz zum dritten Mal vom Uno-Menschenrechtsrat der Allgemeinen Periodischen Überprüfung (UPR) unterzogen. 108 Staaten haben etwa 250 Empfehlungen an unser Land gerichtet. Dies macht deutlich, dass die Schweiz zwar eine gute Schülerin in Sachen Achtung der Menschenrechte ist, dass aber durchaus Verbesserungen nötig sind – vor allem im Bereich der Diskriminierung, der geschlechtsspezifischen Gewalt oder auch, weil unser Land noch immer keine nationale Menschenrechtsinstitution im Einklang mit den Pariser Prinzipien hat.

Eben wurde das Vernehmlassungsverfahren des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung einer nationalen Menschenrechtsinstitution abgeschlossen. Wir warten jetzt auf die entsprechende Botschaft. Amnesty ist zuversichtlich, dass dieses Projekt, das die Zivilgesellschaft vor fast 18 Jahren initiiert hat, mit Unterstützung einer grossen Mehrheit des Parlaments zu einem erfolgreichen Abschluss kommen wird. In der kommenden Session wird das Parlament auch über den Zivildienst, das Waffenrecht oder eine Überprüfung des Status der vorläufigen Aufnahme debattieren.

Nationalrat

Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Pa. Iv. Waffentragen auch für Bürgerinnen und Bürger

Pa. Iv. Jede Schweizer Waffe registrieren

Ständerat

Transfer der Vollzugsstelle für den Zivildienst ins VBS

Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten. Volksinitiative

Mo. SPK-NR. Ersatz des Status der vorläufigen Aufnahme

Geschäft des Bundesrats. Weltausstellung 2020 in Dubai

STÄNDERAT

6. Dezember 2017
17.3000 Transfer der Vollzugsstelle für den Zivildienst ins VBS

Mit der Übertragung der Vollzugsstelle für den Zivildienst ins VBS will eine Mehrheit des Nationalrates ein altbewährtes Prinzip aufgeben, dass die Führung des Zivildienstes der rein zivilen Verwaltung zuweist. Sollte die Vollzugstelle dem VBS übertragen werden, wäre nicht auszuschliessen, dass einige Dienstpflichtige den zivilen Ersatzdienst ablehnen würden.

Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die Zeugen Jehovas aus diesem Grund den Zivildienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten. Einen solchen Fall von Militärdienstverweigerunggab es beispielsweise in Armenien. Das Komitee für Menschenrechte der Vereinten Nationen hatte in seinen abschliessenden Bemerkungen vom 31. August 2012 festgehalten:

„Der Ausschuss nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass das Gesetz über den Ersatzdienst in der Fassung von 2004 und 2006 immer noch nicht gewährleistet, dass Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen einen tatsächlich zivilen Ersatzdienst  leisten können. Der Ausschuss ist auch besorgt darüber, dass Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die überwiegende Mehrheit davon Zeugen Jehovas, immer noch inhaftiert sind, weil sie sich weigern, sowohl den Militärdienst als auch den bestehenden Ersatzdienst zu leisten.“

„Der Vertragsstaat sollte einen echten Zivildienst einrichten, der allen Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen zugänglich ist und der weder bestraft noch aufgrund seiner Art, seiner Kosten oder seiner Dauer diskriminierend ist." (cf. http://bit.ly/2z6ZUj9).

Als Armenien 2011 eine Änderung des Gesetzes für einen Ersatzdienst vorsah, empfahl die OSZE dem Land in seinem Kommentar, die Behörde, die die Anträge für den Ersatzdienst bearbeitet, einer zivilen Kontrolle zu unterstellen. „Eine vollständige Trennung von militärischer Führung und Kontrolle muss dazu beitragen, den alternativen Arbeitsdienst in einen echten Zivildienst umzuwandeln, der für Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen eine praktikable Option sein kann. Armenien muss daher sicherstellen, dass der alternative Arbeitsdienst nicht unter militärische Kontrolle gestellt wird.“ (cf. http://bit.ly/2iizuRy ).

Wir empfehlen dem Ständerat, die Vollzugsstelle für den Zivildienst im Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF beizubehalten, und die Motion 17.3000 abzulehnen.


7. Dezember 2017
17.030 Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten. Volksinitiative

Eine der zentralen Gründe, warum sich Amnesty Schweiz deutlich gegen die Masseneinwanderungsinitiative ausgesprochen hatte, war die darin enthaltene Forderung nach Einführung von Höchstzahlen und Kontingenten im Aslybereich und bei Familienzusammenführungen. Kontingente im Asylwesen sind unvereinbar mit internationalem Recht. Sie können zu Verletzungen des Non-Refoulement-Gebots führen, das zum zwingenden Völkerrecht gehört und von dem sich kein Staat – mit welchen Gründen auch immer – entbinden darf.

Amnesty Schweiz hat sich nicht direkt zur Initiative «Raus aus der Sackgasse» geäussert, jedoch aber zum Gegenvorschlag des Bundesrats, der in der Vernehmlassungsvorlage weiterhin Höchstzahlen und Kontingente im Asylbereich vorsah. Nach vorwiegend negativen Rückmeldungen in der Vernehmlassung verzichtete der Bundesrat auf einen Gegenentwurf und empfiehlt die Rasa-Initiative zur Ablehnung. Sollte die Initiative nicht zurückgezogen werden, befürwortet Amnesty Schweiz den Gegenentwurf 3 (Minderheit I), der explizit die Einhaltung völkerrechtlichen Verpflichtungen bei der Zuwanderungssteuerung verlangt und demnach auch das Non-Refoulement-Prinzip respektiert.

Eine umfangreiche Stellungnahme zu Kontingenten im Asylbereich finden Sie hier (pdf)

 

13. Dezember 2017
17.3270 Mo. SPK-NR. Ersatz des Status der vorläufigen Aufnahme

Amnesty Schweiz begrüsst die Absicht, den Status der vorläufigen Aufnahme zu überdenken. Nach Ansicht von Amnesty und der Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) sollte er durch einen dauerhaften und stabilen Schutzstatus ersetzt werden.

Die Variante 2 des Bundesratsberichts schlägt einen positiven Schutzstatus (neue Bewilligung A) vor. Der Nationalrat hat diesen aufgenommen und empfiehlt die Ausarbeitung eines neuen Vorschlags auf Basis der bundesrätlichen Variante. Die Schwierigkeiten der vorläufigen Aufnahme sind seit vielen Jahren bekannt. Nun besteht eine konkrete Chance, eine realistische Lösung zu finden, die sowohl den Betroffenen wie auch der Schweizer Gesellschaft Vorteile bringt.

Amnesty und die SFH erachten es als wichtig, dass die Einzelheiten des neuen Schutzstatus durch eine Expertenkommission erarbeitet werden. Denn die rechtlichen und faktischen Fragen in Zusammenhang mit diesem Thema sind komplex, und es braucht spezifische Kenntnisse und Erfahrungswerte, um wirksame Lösungen zu finden.

Rund die Hälfte aller Asylsuchenden haben heute den Status F. Sie haben einen vergleichbaren Schutzbedarf wie anerkannte Flüchtlinge und bleiben meist über viele Jahre in der Schweiz. Die heutige vorläufige Aufnahme beihaltet jedoch zahlreiche Hürden, die eine Integration erschweren und verzögern. Die Folge sind hohe Kosten, insbesondere für Kantone und Gemeinden. Als Voraussetzung einer gelungenden Integration brauchen alle Schutzbedürftigen einen Zugang zu grundlegenden Rechten: Arbeitsmarktintegration, Kantonswechsel, Familiennachzug, Reisemöglichkeiten und Sozialhilfe. Diese Aspekte sollten für einen neuen, positiven Schutzstatus berücksichtigt werden.

Keine Lösung dagegen bietet der Schutzstatus S. Dies unter anderem deshalb, weil Personen so in einem Zwischenstatus gehalten werden, der den derzeitigen Bemühungen des Bundes zur Intergration von Geflüchteten diametral entgegensteht.

Hier finden Sie das ausführliche Argumentarium (pdf) der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, bei der Amnesty International Mitglied ist.

 

14. Dezember 2017
17.036  Geschäft des Bundesrats. Weltausstellung 2020 in Dubai
Amnesty International vertritt selten bis nie Positionen, die auf Boykotte oder die Nichtteilnahme an Veranstaltungen abzielen. Der Ansatz von Amnesty besteht vielmehr darin, Ereignisse dazu zu nutzen, Menschenrechtsverletzungen aufs Tapet zu bringen. So auch für die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung 2020 in Dubai, für die der Bundesrat einen Verpflichtungskredit in Höhe von 12,75 Millionen Franken beantragt.

Eine Teilnahme begründet die Landesregierung unter anderem mit den bedeutenden wirtschaftlichen Interessen der Schweiz in diesem Golfstaat und mit der einmaligen Möglichkeit, unser Land einem grossen muslimischen Publikum vorzustellen – zumal der Schweizer Pavillon in der Nähe des Pavillons des Gastlandes errichtet werden soll. Gemäss dem Bundesrat sollen primär die Innovationskraft sowie Produkt- und Dienstleitungsqualität der Schweiz in den Vordergrund gestellt werden. Unter dem Motto «Creating the future» sollen jedoch auch «Schweizer Werte in der Politik, beispielsweise in den Bereichen gute Regierungsführung, internationale Zusammenarbeit, Toleranz und Solidarität» vermittelt werden.

Für Amnesty International ist zentral, dass es hierbei nicht bei einem Lippenbekenntnis bleibt. Demokratische Werte dürfen nicht nur dann herangezogen werden, wenn sie als Verkaufsargument – z.B. für Stabilität und Sicherheit des Innovationsstandorts Schweiz – nützlich sind. Die Schweiz muss vielmehr die Chance nutzen, die Bedeutung der Menschenrechte als Voraussetzung für Frieden und Sicherheit in der Welt zu betonen. Sie darf dabei auch den Kontrast zur problematischen Menschenrechtslage in den VAE nicht scheuen – und das wird nicht ohne Dissens mit dem Gastgeberland gehen. Amnesty Schweiz ruft die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf, den Verpflichtungskredit an entsprechende Bedingungen zu knüpfen.

Die Menschenrechtslage in den VAE ist besorgniserregend. Menschenrechtsverteidigerinnen – und -verteidiger werden in erheblichem Masse überwacht, bedroht und willkürlich inhaftiert. Die Beschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit für die Bevölkerung des Landes sind erheblich und betreffen sogar Ausländer. Ein Beweis dafür ist die Festnahme und Inhaftierung von zwei Journalisten des französischsprachigen Schweizer Fernsehens, die am 11. November in Abu Dhabi verhaftet wurden, während sie über das Schicksal von Gastarbeitern in den Emiraten berichteten. Die VAE spielen zudem eine tragende Rolle in der saudischen Militärkoalition im Jemen-Krieg und werden schwerer Völkerrechtsverletzungen verdächtigt.

Hier einige Links mit Informationen zu VAE und Menschenrechte:

Nationalrat

 Datum noch offen
15.407 Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Amnesty spricht sich nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme einer spezifischen Bestimmung über «terroristische» Handlungen in das Strafgesetzbuch aus. Amnesty fordert jedoch, dass diese Bestimmung äusserst präzise formuliert wird, so dass es nicht zu missbräuchlichen Auslegungen kommen kann. Terrorismus wird heute von verschiedenen Staaten zu ungenau und zu umfassend definiert.

In ihrer Stellungnahme (französisch) zum Beitritt zum Übereinkommen des Europarats über die Verhütung des Terrorismus und die Stärkung der strafrechtlichen Normen gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität hat Amnesty International festgestellt, dass Staaten und internationale Gremien ihre eigenen Definitionen des Begriffs «Terrorismus» entwickelt haben, da es im Völkerrecht keine allgemein gültige Auslegung gibt. Diese Definitionen wurden im Laufe der Zeit immer undeutlicher und sind oft zu breit gefasst.

Der Mangel an Klarheit, der in vielen Anti-Terror-Gesetzen zu finden ist, hat Unsicherheit darüber geschaffen, was genau einen Terrorakt darstellt. Dies kann schwerwiegende Konsequenzen haben – angefangen bei der Erstellung von Täterprofilen von Mitgliedern bestimmter Gruppen, denen Neigung zu «Radikalisierung», «Extremismus» oder «Kriminalität» zugewiesen wird, bis hin zur absolut missbräuchlichen Anwendung von Gesetzen, die Terrorismus aufgrund von Stereotypen definieren.

In gewissen Fällen können verdächtige Personen, die in keiner Weise mit Straftaten in Verbindung gebracht werden, einer Reihe von Massnahmen ausgesetzt werden: ungerechtfertigte Überwachung ihrer elektronischen Kommunikation, Kontrolle ihres Aufenthalts, Überwachung  von Treffen bestimmter Personen, gewalttätige Hausdurchsuchungen, Kontrollen oder die völlige Schliessung von Kultstätten. Zu weit gefasste Definitionen von Terrorismus haben sehr reale Konsequenzen.

Nach dem im Völkerrecht verankerten «Prinzip der Legalität» muss das Strafrecht hinreichend präzise sein, um sicherzustellen, dass jeder genau weiss, was eine Straftat ist und welche Folgen ihre Begehung hat.

Die Bevölkerung mit «Angst» zu erfüllen, sie einzuschüchtern oder zu bedrohen, wird häufig als Schlüsselelement der Terrorismus-Definitionen verwendet. Die Gefahr besteht, dass damit auch Handlungen des zivilen Ungehorsams als eine «Bedrohung» der etablierten Ordnung angesehen werden können und friedliche Aktivistinnen und Aktivisten als «Terroristen» kriminalisiert werden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben wiederholt Staaten kritisiert, die Gesetze verabschiedet haben, die den Terrorismus ungenau und zu umfassend definieren.

 

Datum noch offen
17.415  Pa. Iv. Waffentragen auch für Bürgerinnen und Bürger

Amnesty International lehnt diese vorgeschlagene Änderung des Waffengesetzes entschieden ab, das sie eine übermässige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach sich ziehen würde. Der Vorschlag erscheint umso absurder, als er zu einem Zeitpunkt vorgelegt wird, da die USA, wo es bekanntlich sehr leicht ist, eine Waffe zu erhalten, durch mörderische Schiessereien und Amokläufe heimgesucht werden.

Es ist absurd zu sagen, dass Menschenleben gerettet werden könnten, wenn mehr Menschen bewaffnet wären.  Nur durch die Beschränkung der Anzahl der im Umlauf befindlichen Waffen auf ein Minimum kann das Risiko rücksichtsloser Handlungen – insbesondere wenn sie von psychisch Kranken begangen werden – begrenzt werden. Feuerwaffen sind kein Spielzeug und dürfen nur von Profis oder Sportlern oder Jägern benutzt werden, sofern sie entsprechend ausgebildet sind. Amnesty empfiehlt diese Initiative abzulehnen.

 

Datum noch offen
14.426  Pa. Iv. Jede Schweizer Waffe registrieren

Diese Initiative und zwei ähnliche Vorstösse (14.427 und 14.428) fordern eine Änderung der Übergangsbestimmung des Waffengesetzes. Demnach soll jede Person, die im Besitz einer Waffe ist, diese innerhalb von zwei Jahren bei der zuständigen Behörde anmelden. Amnesty International setzt sich seit langem für eine bessere Waffenkontrolle ein und empfiehlt, diese Initiative anzunehmen.

Amnesty hat unter anderem die Schaffung des internationalen Waffenhandelsabkommens ATT unterstützt und sich für dessen Ratifizierung durch die Schweiz eingesetzt. In diesem Zusammenhang sprach sich Amnesty für ein zentrales Waffenregister aus, in dem alle Waffen, die sich im Besitz einer in der Schweiz wohnhaften Person befinden, mit bestimmten Ausnahmen registriert werden sollten.

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die präventive Wirkung des Waffengesetzes gewährleistet ist und dass alle noch nicht aufgeführten Waffen zügig registriert werden. Das fordert auch die vorliegende Initiative, die von Amnesty unterstützt wird.