© Parlamentsdienste 3003 Bern
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Herbstsession 2018 (10. – 27. September) Menschenrechte im Parlament Herbst 2018

30. August 2018
Rüstungsexporte, Flüchtlinge, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, die Anti-Menschenrechtsinitiative: Das sind Themen in diesem Parlamentsnewsletter.

Wie lassen sich die Interessen der Schweizer Rüstungshersteller mit Menschenrechten in Einklang bringen? Kann die Schweiz eine kohärente Menschenrechtspolitik betreiben und gleichzeitig Waffenexporte fördern - neu auch in Bürgerkriegsländer? Diese Frage sorgt für Zündstoff – gegen die weitere Liberalisierung der Waffenexporte formiert sich erheblicher Widerstand aus der Politik und der Zivilgesellschaft. Die NGO-Plattform für Menschenrechte, bei der Amnesty International Mitglied ist, und foraus diskutieren darüber zusammen mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern an zwei Veranstaltungen in Bern und Neuenburg.

Wie gehen wir mit Flüchtlingen und Migranten um? Kaum ein anderes Thema wird in Europa derart kontrovers diskutiert. Und nirgendwo sonst steht das Europa der Menschenreche und des Völkerrechts dermassen auf dem Prüfstand. Welche Richtung schlägt hier die Schweiz ein? Die Asyl- und Flüchtlingspolitik namentlich gegenüber Afrika kommt auch in dieser Session erneut aufs Tapet. Nachfolgend finden Sie unsere Empfehlung zu ausgewählten Vorstössen.

Ständerat

15.4126 Verfolgungsfreie Rückkehr von Eritreern vorantreiben (Mo. Geissbühler) und 18.3409 Umsetzung einer fairen Eritrea Asylpolitik (Mo. Müller)

16.3109 Rückübernahmeabkommen mit Algerien, der Dominikanischen Republik, Marokko und Tunesien abschliessen (Mo. Geissbühler)

Nationalrat

13.407 Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (Pa. Iv. Reynard)

17.303 Für eine wirksame Flüchtlingspolitik vor Ort anstelle falscher Anreize für Völkerwanderungen (Standesinititative AG)

Agenda

«Heisser Herbst der Menschenrechte»

Rüstungsexporte und Menschenrechte: Widerspruch?!

«Sicherheitswahn: Wie gefährlich ist Prävention für die Menschenrechte?»

 

 

Ständerat

15.4126 Verfolgungsfreie Rückkehr von Eritreern vorantreiben (Mo. Geissbühler) und 18.3409 Umsetzung einer fairen Eritrea Asylpolitik (Mo. Müller)

Die Motion 15.4126 will den Bundesrat beauftragen, Verhandlungsgespräche mit Isayas Afewerki, dem Regierungschef Eritreas, aufzunehmen, mit dem Ziel einer «verfolgungsfreien Rückkehr von Eritreern, die in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt haben.» Auch die Motion 18.3409 verlangt vom Bundesrat, mit Eritrea «Massnahmen zur zwangsweisen Rückkehr auszuhandeln». Ziel beider Vorstösse ist es, eine möglichst rasche eine grosse Anzahl an Asylsuchenden nach Eritrea zurückzuschicken. Amnesty empfiehlt beide Vorstösse abzulehnen.

Die Motionen verkennen die schlechte Menschenrechtslage im Land und die mangelnde Verlässlichkeit des eritreeischen Regimes: Wie die Uno-Sonderbeauftragte für Eritrea wiederholt festgehalten hat, hat die Regierung Aferwerki trotz anderslautenden Beteuuerungen ihre Menschenrechts-Versprechen nicht eingehalten. Es bestehen keinerlei Anzeichen, dass sich die (Menschenrechts-)Lage in Eritrea verbessert hat. Auch die Schweizer Delegation äusserte sich im Rahmen der Beratungen im Menschenrechtsrat vom 12. März 2018 in Genf weiterhin besorgt über die Menschenrechtssituation. Sie kritisierte insbesondere den mangelnden freien und unabhängigen Zugang zum Land, der eine wichtige Voraussetzung für überprüfbare Informationen aus Eritrea wäre.

Es handelt sich bei Eritrea um einen Willkürstaat, der keine Garantien für die Sicherheit von Rückkehrern geben kann. Ein Uno-Bericht und diverse Berichte von Menschenrechtsorganisationen haben schwerste Menschenrechtsverletzungen im Land dokumentiert. Bevor nicht mindestens das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) Zugang zu den Gefängnissen erhält, würde der Ausbau der diplomatischen Beziehungen lediglich dem Regime zur Legitimierung dienen. Eine kohärente Schweizer Aussenpolitik müsste in erster Linie bei der Verbesserung der Menschenrechtslage in Eritrea ansetzen, nicht bei einem Rückübernahmedeal mit dem Regime.

Amnesty International und die Schweizerische Flüchtlingshilfe haben Bundesrätin Sommaruga und das Staatssekretariat für Migration SEM zudem aufgerufen, die geplante Aufhebung der vorläufigen Aufnahme für zahlreiche Eritreerinnen und Eritreer zurückzunehmen. Nur wenige Asylsuchende, deren Gesuch definitiv abgelehnt wird, werden aus Angst vor Repression freiwillig nach Eritrea zurückkehren. Ohne Schutzstatus landen sie in der Schweiz in der Nothilfe und werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt oder aber sie tauchen unter und sind dann besonderen Risiken ausgesetzt.

 

16.3109 Rückübernahmeabkommen mit Algerien, der Dominikanischen Republik, Marokko und Tunesien abschliessen (Mo. Geissbühler)

Amnesty International lehnt Rückübernahmeabkommen nicht grundsätzlich ab, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, dass sie nicht dazu dienen, den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) zu umgehen, der zum zwingenden Völkerrecht gehört.  

Amnesty International  beurteilt den vorliegenden Vorstoss auch aus anderen Gründen skeptisch: Er erscheint wenig sinnvoll, da bereits verschiedene Abkommen mit den vier betroffenen Staaten bestehen, vor allem aber, weil ein Rückübernahmeabkommen wie jedes bilaterale Übereinkommen von beiden Vertragspartnern umgesetzt werden muss, um funktionieren zu können. Die Erfahrung zeigt, dass im Falle der in der Motion genannten Staaten nicht das Fehlen von Abkommen Rückweisungen verhindert, sondern der mangelnde Wille der Herkunftsländer der Migration diese umzusetzen.  Amnesty International empfiehlt, die Motion abzulehnen.

 

Nationalrat

13.407 Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (Pa. Iv. Reynard)

Amnesty International unterstützt diese Initiative und erachtet sie als gutes Mittel zur Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTI-Personen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die in diesem Jahr ihren 70. Jahrestag feiert, und die beiden Uno-Pakte zu ihrer Umsetzung verurteilen alle Formen der Diskriminierung, einschliesslich der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität. Amnesty International begrüsst deshalb auch den Änderungsvorschlag der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats, welcher verlangt, nicht nur die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, sondern auch aufgrund der geschlechtlichen Identität unter Strafe zu stellen. Amnesty empfiehlt ausdrücklich, diese Initiative zu unterstützen.

 

17.303 Für eine wirksame Flüchtlingspolitik vor Ort anstelle falscher Anreize für Völkerwanderungen (Standesinititative AG)

Der Kanton Aargau fordert den Bund auf, durch eine Änderung der Asylpolitik dafür zu sorgen, dass die Schweiz Flüchtlingen möglichst nahe der Herkunftsländer hilft. Gleichzeitig will die Standesinitiative, dass der Bund «Anreize konsequent abbaut, welche Schleppern ein blühendes Geschäft mit lebensgefährlichen Reisen ermöglicht». Amnesty empfiehlt, den Vorstoss abzulehnen.

Die Initiative bietet keine gesetzgeberische Lösung an und blendet die Fluchtursachen und die Realitäten in den Herkunftsregionen völlig aus. Mehr als 68,5 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Elend. Die Mehrheit (40 Millionen Menschen) hat innerhalb ihres Heimatlandes Zuflucht gesucht (intern Vertriebene). Von den über 25 Millionen Flüchtlingen, die ihr Heimatland verlassen mussten, fand die Mehrheit Schutz in einem Nachbarland. So liegt das grösste Flüchtlingslager der Welt nicht etwa in Europa, sondern im kenianischen Dadaab. 10 Länder, die zusammen gerade einmal 2,5 des weltweiten BIP erwirtschaften, beherbergen  über 50 Prozent der Flüchtlinge weltweit. Die Türkei hat allein 2,9 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, Pakistan und Libanon über 1 Million.

 Die geforderte «Hilfe vor Ort» ist längst ein fester Bestandteil der schweizerischen Entwicklungspolitik.  Zudem knüpft die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit bereits heute vermehrt an migrationspolitische Ziele, indem sie einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration legt, wie die vorberatenden Kommissionen festgehalten haben.

 

Agenda

«Heisser Herbst der Menschenrechte»

Der Abstimmungskampf gegen die Anti-Menschenrechtsinitiative ist definitiv angelaufen. Amnesty-Gruppen in werben in diversen Städten in der ganzen Schweiz für die Menschenrechte und mobilisieren gegen die «Fremde Richter»-Initiative. Ein Besuch lohnt sich: Argumente, Infos und Überraschungen!

Amnesty Schweiz nimmt an verschiedenen Podien teil, u.a. am 14. September im Anna Göldi-Museum und am 30. Oktober im Palace St. Gallen.

 

Rüstungsexporte und Menschenrechte: Widerspruch?!

Wie lassen sich die Interessen der Schweizer Rüstungshersteller mit Menschenrechten in Einklang bringen? Kann die Schweiz eine kohärente Menschenrechtspolitik betreiben und gleichzeitig Waffenexporte fördern? Die NGO-Plattform für Menschenrechte und foraus laden ein zu zwei Veranstaltungen in Bern und Neuenburg. Es diskutieren Parlamentarierinnen und Parlamentarier und Vertreterinen und Vertreter der Zivilgesellschaft. Mehr zu den Events

 

«Sicherheitswahn: Wie gefährlich ist Prävention für die Menschenrechte?»

Die diesjährige Jahrestagung NGO-Plattform für Menschenrechte nimmt die Themen Überwachung, Terrorbekämpfung und Gewaltprävention zum Schwerpunkt. Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und von NGOs debattieren über neueste Entwicklungen und Gefahren für die Menschenrechte. Der Anlass findet am Dienstag, 4. September 2018, 10.00 bis 16.45 Uhr, an der UniS in Bern statt. Programm