Warum multinationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz nicht auch für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haften sollen, die sie im Ausland begehen, das geht vielen Menschen nicht auf. Dass es Handlungsbedarf gibt, wurde auch im Parlament erkannt. Die Konzernverantwortungsinitiative wird von einer immer breiteren Allianz von Organisationen getragen und auch in der Wirtschaft dreht allmählich der Wind. Verschiedene Unternehmen und Verbände haben ihre Meinung geändert und sprechen sich für die Initiative oder einen Gegenvorschlag aus. Die Initianten – darunter auch die Schweizer Sektion von Amnesty International – sind erfreut über diese Entwicklung und bereit, die Initiative zurückzuziehen, wenn ein wirksamer Gegenvorschlag durchkommt. Klar ist aber auch: Auf eine zahnlose, verwässerte Vorlage werden die Initianten nicht eingehen – dafür ist das Anliegen zu wichtig. Zudem kann mit einer breiten Zustimmung bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern gerechnet werden.
Nationalrat
18.033 Erklärung des Nationalrates. Stopp der Kriegsverbrechen in Syrien (28.05)
17.046 Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative) (30.05 + 06.06)
17.3583 Verbot der salafistischen Organisation «Lies»
16.077 OR. Aktienrecht (Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative)
Ständerat
16.3330 Islamische Gebetsstätten. Verbot der Finanzierung durch das Ausland und Offenlegungspflicht
Nationalrat
18.033 Erklärung des Nationalrates. Stopp der Kriegsverbrechen in Syrien
Der AKP-N schlägt dem Nationalrat vor, eine Erklärung zur Verurteilung von Kriegsverbrechen in Syrien anzunehmen. Amnesty International begrüsst diese Initiative. Eine Erklärung des Parlaments zu aussenpolitischen Ereignissen ist selten, in diesem Fall aber angebracht; es ist an der Zeit, allen Konfliktparteien in Syrien zu zeigen, dass sie schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts nicht mehr begehen können, ohne eine Reaktion hervorzurufen. Umso glaubwürdiger ist eine solche Erklärung, wenn sie – wie im vorliegen Fall – vom Depositarstaat der Genfer Konventionen ausgeht.
Wir bitten Sie dringend, diese Erklärung zu unterstützen.
17.046 Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)
Amnesty International stellt sich entschieden gegen diese Initiative, da sie einen direkten Angriff auf die Menschenrechte darstellt. Sie ist für unseren Rechtsstaat und für die internationale Stellung der Schweiz brandgefährlich. Amnesty stellt sich auch gegen einen Gegenvorschlag, das dieser nur die Chance der Initiative erhöhen, das Nein-Lager spalten und der Forderung Legitimität verleihen könnte.
Die direkte Demokratie würde durch eine Annahme der Initiative nicht gestärkt, im Gegenteil:
Sollte es zu einem unlösbaren Widerspruch zwischen einem neuen Verfassungsartikel und völkerrechtlichen Verpflichtungen kommen, müsste der Bundesrat, der gemäss Art. 184 BV dazu befugt ist, den entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag kündigen. In anderen Worten, der Bundesrat könnte ohne weitere Konsultationen Verträge kündigen, welche die Stimmberechtigten zu einem früheren Zeitpunkt angenommen haben.
Dieses und weitere zentrale Argumente gegen die «Selbstbestimmungsinitiative» finden Sie einem Q&A von Amnesty Schweiz.
Wir rufen den Nationalrat auf, dem Ständerat zu folgen und diese Initiative und einen möglichen Gegenvorschlag klar und deutlich abzulehnen.
17.3583 Verbot der salafistischen Organisation «Lies»
In ihrer Stellungnahme zum neuen Antiterror-Strafgesetz hat Amnesty International bereits darauf hingewiesen, dass gemäss internationalen Menschenrechtsstandards jeder das Recht hat, seine Meinung zu äussern und sein Recht auf freie Meinungsäusserung auf friedliche Weise wahrzunehmen, auch indem er Informationen und Ideen aller Art sucht, empfängt und weitergibt. Zwar können die Staaten die Ausübung der Meinungsfreiheit einschränken, doch muss jede Einschränkung in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen.
Es erscheint uns übertrieben, die Organisation unter Missachtung der Meinungs- und Religionsfreiheit einfach zu verbieten. Lediglich die Anstiftung zu Straftaten sollte verboten werden. Weiter zu gehen ist ein Verstoss gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Meinungsfreiheit.
Amnesty International empfiehlt, diesen Antrag abzulehnen.
16.077 OR. Aktienrecht (Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative)
Im Rahmen der Revision des Aktienrechts schlägt die Rechtskomission (RK) des Nationalrats einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KOVI) vor. Sie möchte dadurch einen Rückzug der Initiative ermöglichen. Im Gegensatz zum Bundesrat anerkennt die RK den Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Ein Gegenvorschlag wird von zahlreichen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden unterstützt. Amnesty International empfiehlt, den Gegenvorschlag in seiner ursprünglichen Form zu unterstützen, d.h. den Kreis der betroffenen Unternehmen nicht übermässig einzuschränken (Antrag der Minderheit).
Die Konzernverantwortungsinitiative 17.060 will alle Konzerne verpflichten, die Menschenrechte und die Umwelt bei ihren Geschäften – auch im Ausland – zu achten. Sie wurde im Oktober 2016 mit 120'000 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Initiative wird von 98 Organisationen getragen, darunter der Schweizer Sektion von Amnesty International.
IKEA und Migros haben bereits Ende 2017 ihre Unterstützung für den Gegenvorschlag bekundet. Am 20. April begrüsste der Groupement des Entreprises Multinationales (GEM), ein wirtschaftlicher Dachverband von 90 transnationalen Unternehmen, die Entscheidung der Kommission. Laut GEM bestätigt sie «die zahlreichen Massnahmen, die in ihren Mitgliedsunternehmen bereits in Kraft sind und den internationalen Standards in Bezug auf soziale und ökologische Verantwortung entsprechen». Auch der 350-köpfige Unternehmerverband für nachhaltiges Wirtschaften öbu begrüsst den Gegenvorschlag, der einen «pragmatischen Kompromiss zwischen Nichtstun und Überregulierung» darstelle und dessen Umsetzung «eine Stärkung des Standortes Schweiz» zur Folge hätte.
Das Initiativkomitee und die strategischen Gremien des Vereins Konzernverantwortungsinitiative haben im Vorfeld der Kommissionssitzung den ursprünglichen indirekten Gegenvorschlag von Nationalrat Karl Vogler (CSP/OW) geprüft. Dieser enthielt schmerzhafte Abstriche gegenüber der Initiative. So gälte die neue Regelung für weniger Unternehmen als die Initiative und die Haftung würde gleich mehrfach eingeschränkt – sie käme nur noch in gewissen Konstellationen und nur bei Verletzungen von Leib, Leben oder Eigentum zum Tragen.
Explizit ausgeschlossen würde eine Haftung für jegliche Zulieferer, was namentlich den zentralen Kritikpunkt von Wirtschaftsverbänden aufnimmt. Die Rechtskommission hat den Vorschlag von Karl Vogler dann aber weiter abgeschwächt. Der Kreis der Unternehmen, die von den neuen Bestimmungen betroffen wären, soll mit einer Verdoppelung des Schwellenwertes massiv eingeschränkt werden.
Grundsätzlich hat eine rasche und konkrete Umsetzung der Anliegen der Initiative über das Aktienrecht gegenüber einer langwierigen Konkretisierung via Volksabstimmung und Verfassungsänderung auch Vorteile; unter der Voraussetzung, dass ein solcher Gegenvorschlag auch genügend wirksam ist. Das Initiativkomitee hat der Rechtskommission im Vorfeld ihres Entscheids auf Anfrage mitgeteilt, dass es bereit ist die Initiative zurückzuziehen, wenn der zugestellte Entwurf des Antrages unverändert und definitiv verabschiedet wird. Der Nationalrat kann nun diese Chancen wahren, indem er den ursprünglichen Gegenvorschlag seiner Rechtskommission annimmt, gleichzeitig aber die nachträglich beschlossene Verdoppelung des Schwellenwerts zur Festlegung der betroffenen Unternehmen wieder nach unten korrigiert (wie von einer Minderheit der Kommission gefordert).
Transparenz im Rohstoffhandel
Der Abbau von Rohstoffen geht mit massiven Schäden für die Umwelt einher. In einer separaten Bestimmung (Art. 964a-964e) schlägt der Bundesrat im Rahmen der Aktienrechtsrevision vor, internationale Transparenzbestimmungen für die Rohstoffbranche nachzuvollziehen. Durch die Offenlegung von Zahlungen an Regierungen soll Korruption in Entwicklungsländern bekämpft und somit das Funktionieren des Staates verbessert werden, wovon namentlich der Umweltschutz profitieren könnte. Nach dem Willen der Kommissionsmehrheit soll hingegen der Rohstoffhandel ausgeklammert werden – obwohl die Schweiz hier global führend. Eine Minderheit verlangt den Einbezug des Rohstoffhandels, ohne den die Norm praktisch nutzlos bliebe.
Amnesty International empfiehlt:
- den Gegenvorschlag der Mehrheit zur Konzernverantwortungsinitiative anzunehmen
- die Minderheit für tiefere Schwellenwerte (250 Vollzeitstellen, Umsatz von CHF 40 Mio.; Bilanzsumme von CHF 20 Mio.) zu unterstützen und
- dem Geschäft in der Gesamtabstimmung zuzustimmen.
- Zudem wird empfohlen, die Minderheit zu unterstützen, die einen Einbezug des Rohstoffhandels fordert.
STÄNDERAT
16.3330 Islamische Gebetsstätten. Verbot der Finanzierung durch das Ausland und Offenlegungspflicht
Dieser Vorstoss, der sich ausschliesslich an muslimische Religionsgemeinschaften richtet, ist eindeutig diskriminierend und verstösst gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung. Amnesty International versteht nicht, warum es nur muslimischen Gemeinschaften verboten sein sollte, ausländisches Geld zu erhalten und nicht auch jüdischen, christlichen oder buddhistischen Gemeinschaften. Es ist auch ungerechtfertigt, die Lesung des Korans in einer Ortsprache zu verlangen, wenn weiterhin z.B. die Bibel auf Latein und die Tora auf Hebräisch gepredigten werden dürfen.
Amnesty fordert den Ständerat auf, die Motion abzulehnen.
17.3779 Vorladungskompetenz für den Nachrichtendienst des Bundes und 17.3730 Permanente Überwachung von Gefährdern
Diese beiden Motionen fordern eine Verschärfung des Nachrichtendienstgesetzes NDG, das Amnesty Schweiz bereits bei seiner Verabschiedung im Jahr 2016 abgelehnt hatte, da es im Wesentlichen darum ging, eine Rechtsgrundlage für die Sammlung von Informationen über Personen oder Organisationen im In- und Ausland zu schaffen, gegen die der Verdacht eines möglichen kriminellen Verhaltens besteht. Diese präventive (weitgehend geheime) Datenverarbeitung steht im Widerspruch zum Schutz bestimmter Menschenrechte und Grundrechte, die durch die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert werden.
Zudem ist das NDG vor weniger als einem Jahr in Kraft getreten und hat noch keine Zeit gehabt, seine Wirkung voll zu entfalten oder seine potenzielle Wirksamkeit bei der Prävention terroristischer Gewalt nachzuweisen.
Amnesty International empfiehlt, diese beiden Vorstösse abzulehnen.
15.3803 Keine unangebrachten Auslandsreisen für in der Schweiz aufgenommene Personen aus dem Asylbereich
In dieser Motion wird ein generelles Reiseverbot für Personen im Asylbereich gefordert, die keinen besonderen Anspruch auf ein Reisedokument nach Artikel 28 der Flüchtlingskonvention haben.
Amnesty International ist der Ansicht, dass ein solches generelles Verbot verschiedenen Fällen nicht gerecht wird. Eine Jugendliche, die vorläufig in die Schweiz aufgenommen wurde und seit mehreren Jahren hier lebt, könnte beispielsweise nicht an der Maturareise mit ihrer Abschlussklasse teilnehmen, wenn diese in ein Nachbarland führt. Eine Person, die aus humanitären Gründen in die Schweiz aufgenommen wurde, weil sie vor einem bewaffneten Konflikt geflohen ist, kann nicht an der Beerdigung ihres Vaters oder ihrer Mutter teilnehmen, die im Land geblieben sind.
Ein generelles Verbot wäre nach Ansicht von Amnesty International unverhältnismässig, die Motion ist in vorliegender Form abzulehnen.
Gleiches gilt für die Motionen 15.3844 Keine Auslandsreisen für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene und 15.3953 Keine Reisen ins Heimatland für vorläufig Aufgenommene. Für weitere Informationen zu Heimatreisen siehe auch die Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, bei der Amnesty International Mitglied ist.