Der Ständerat hat die Chance, sich für den vom Nationalrat vorgezeichneten, breit abgestützten Weg zu entscheiden und dafür zu sorgen, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz künftig auch im Ausland zur Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten verpflichtet sind. Mit einer weiteren Verwässerung, wie sie eine knappe Mehrheit der Rechtskommission vorschlägt, droht die Vorlage dagegen zum Papiertiger zu verkommen.
Die jüngste Entdeckung von Handgranaten der Ruag im Jemen hat die Debatte um Schweizer Waffenexporte erneut in den Vordergrund gerückt. Über den konkreten Fall hinaus stellt sich immer dringender die Frage nach der Kohärenz der schweizerischen Aussenpolitik. Soll die Schweiz Kriegsmaterial in Krisenregionen exportieren und damit Konflikte anheizen, in denen sowohl das humanitäre Völkerrecht als auch die Menschenrechte verletzt werden, während sie gleichzeitig humanitäre Hilfe leistet? Diese Grundsatzfrage wird die Debatte am 11. März zur Erweiterung der demokratischen Grundlage für Waffenexporte prägen. Was auch immer der Bundespräsident über unsere Beziehungen zu Saudi-Arabien denkt, Amnesty International fordert einen vollständigen Stopp der Waffenexporte an alle am Jemen-Konflikt beteiligten Länder; die Annahme der Motion 18.3394 würde dem Parlament die Befugnis geben, diese Entscheidung zu treffen.
Ständerat
Motionen 18.3394: Erweiterung der demokratischen Basis von Waffenexporten und 18.4084: Waffenexporte. Kontrollen verstärken
16.077, Entwurf 2: Aktienrecht als indirekter Gegenentwurf zur Konzernverantwortungsinitiative (Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt») und Konzernverantwortungsinitiative 17.060
16.3864 Bewilligungspflicht für ausländische Redner an politischen Veranstaltungen
16.3982 Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob diese als sicher gelten oder nicht
Nationalrat
18.3409 Umsetzung einer fairen Asylpolitik in Bezug auf Eritrea
17.486 Kindswohl respektieren, Administrativhaft von Minderjährigen stoppen
Ständerat
11. März 2019
Motionen 18.3394: Erweiterung der demokratischen Basis von Waffenexporten und 18.4084: Waffenexporte. Kontrollen verstärken
Amnesty International unterstützt diese beiden Anträge, deren Annahme langfristig zu einer besseren Kontrolle der Kriegsmaterialexporte führen dürfte. Das es Handlungsbedarf gibt, hat sich sowohl in der Praxis - Schweizer Offensivwaffen, die in Libyen, Syrien und vor kurzem im Jemen entdeckt wurden - als auch im Bericht der Eidg. Finanzkontrolle, der im vergangenen Sommer veröffentlicht wurde, gezeigt. Die wiederholten Skandale torpedieren die Glaubwürdigkeit der Schweizer Neutralitätspolitik und stehen im Widerspruch zur humanitären Tradition.
Amnesty International unterstützt auch die so genannte « Korrekturinitiative », die mehr Transparenz bei Waffenexporten verlangt und ebenfalls fordert, dass Parlament und Bevölkerung über Regelungen zu Kriegsmaterialexporten mitbestimmen können. Der Ständerat würde durch die Annahme der BDP-Motion (18.3394) einen Rückzug der Initiative ermöglichen.
12. März 2019
16.077, Entwurf 2: Aktienrecht als indirekter Gegenentwurf zur Konzernverantwortungsinitiative (Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt») und Konzernverantwortungsinitiative 17.060
Der Nationalrat hat in der Sommersession 2018 mit deutlicher Mehrheit einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative angenommen. Der Ball liegt nun beim Ständerat, der entscheiden muss, ob er diesen breiten Kompromiss mitträgt und damit einen Rückzug der Initiative ermöglicht. Eine weitere Verwässerung («Subsidiaritätsklausel») wird von den Initianten abgelehnt, da damit die Haftung faktisch ausser Kraft gesetzt würde.
Die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) fordert, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren müssen. Amnesty International gehört zur Koalition von 110 Organisationen der Zivilgesellschaft, die die Kovi unterstützen. Hinzu kommt ein Wirtschaftskomitee mit über 100 Unternehmer/innen sowie kirchlichen Kreise.
Der vom Nationalrat angenommene indirekte Gegenvorschlag nimmt wichtige Forderungen der Initiative auf, insbesondere die Pflicht, eine Sorgfaltsprüfung durchzuführen. Der Gegenvorschlag schwächt die Initiative zugleich in vielen Bereichen ab. Die verbindlichen Regeln gelten demnach nur für sehr grosse Unternehmen und die Haftungsbestimmungen sind stark eingeschränkt. Explizit ausgeschlossen wird eine Haftung für wirtschaftlich kontrollierte Unternehmen (eine zentrale Forderung der Wirtschaftsverbände).
Ein Gegenvorschlag im Gesetz kann rascher umgesetzt werden als eine Volksinitiative und so schnell zu Verbesserungen führen. Deshalb hat das Initiativkomitee mitgeteilt, die Initiative zurückzuziehen, sofern der vom Nationalrat angenommene Gegenvorschlag nicht noch weiter abgeschwächt wird.
Eine knappe Mehrheit der Rechtskommission des Ständerats will den Gegenbvorschlag nun jedoch mit der Einführung einer Subsidiaritätsklausel verwässern. Dadurch würde die Haftung faktisch ausser Kraft gesetzt, denn Geschädigte müssten zuerst zeigen, dass eine Klage gegen die Tochtergesellschaft im Ausland rechtsstaatlich unmöglich ist. Erst dann wäre es möglich, den Konzern in der Schweiz zur Verantwortung zu ziehen. Die Folge: Langwierige und unberechenbare Verfahren über Zuständigkeiten.
Regeln gegen Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne machen nur Sinn, wenn ihre Nichtbeachtung auch Konsequenzen hat. Der Vorschlag der Ständeratskommission ist zu einem Papiertiger verkommen. Sollte das Plenum diesen Entscheid nicht korrigieren, bedarf es aus unserer Sicht eine Volksabstimmung über die Initiative.
Eine Minderheit in der Kommission fordert zudem, dass die Sorgfaltsprüfungspflicht auf Zulieferer beschränkt wird, und nicht mehr auf Geschäftsbeziehungen mit Dritten, wie alle internationalen Vorgaben es vorsehen (OECD-Leitsätze, Uno-Leitprinzipien). Eine weitere Minderheit will die Haftung vollständig streichen. Damit würden der Vorlage die Zähne gezogen. Das Ziel, dass Konzerne bei Tätigkeiten im Ausland Menschenrechte besser respektieren und Umweltstandards einhalten, würde verfehlt.
Der Ständerat kann die Chancen auf einen Rückzug der Initiative wahren, indem er sich gegen eine Verwässerung der Nationalratsvorlage ausspricht (keine Einführung einer Subsidiaritätsklausel, Sorgfaltsprüfungspflicht für die ganze Wertschöpfungs- und Lieferkette und Beibehaltung der Haftung) und den Gegenvorschlag annimmt.
Amnesty International empfiehlt bei 16.077 Entwurf 2 Zustimmung zu:
- Minderheit für den Verzicht auf ein Subsidiaritätsregelung
- Mehrheit für eine Sorgfaltsprüfungspflicht (welche die Geschäftsbeziehungen mit Dritten enthält)
- Mehrheit für die Beibehaltung der Haftung
- dem Gegenvorschlag in der Gesamtabstimmung.
Zudem empfehlen wir selbstverständlich (5), die Konzernverantwortungsinitiative 17.060 anzunehmen.
19. März 2019
16.3864 Bewilligungspflicht für ausländische Redner an politischen Veranstaltungen
Der Antrag sieht vor, öffentliche Reden durch nicht hier ansässige Personen von einer Bewilligung abhängig zu machen, wie dies zwischen 1948 und 1998 der Fall war. Amnesty International ist der Ansicht, dass diese Massnahme die Meinungsfreiheit unverhältnismässig einschränken würde und im Zeitalter des Internets völlig unsinnig wäre. Als der entsprechende Bundesratsbeschluss – der aus dem Kalten Krieg datierte – 1998 abgeschafft wurde, galt er zudem als verfassungswidrig.
Ein Auftritt kann heute schon im Einzelfall verboten werden, wenn er die «innere oder äussere» Sicherheit der Schweiz bedroht. Eine Bewilligungspflicht ginge eindeutig zu weit. Dann hätte beispielsweise auch Amnesty International letztes Jahr eine Erlaubnis beantragen müssen, damit die Direktorin der türkischen Ländersektion, die unter Erdogan monatelang im Gefängnis sass, an unserer Generalversammlung öffentlich über die Situation in der Türkei sprechen kann. Amnesty International empfiehlt, diesen Antrag abzulehnen
19. März
16.3982 Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davo, ob diese als sicher gelten oder nicht
Dieser Antrag stellt nichts weniger als den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulment) in Frage, der in mehreren von der Schweiz ratifizierten verbindlichen internationalen Übereinkommen enthalten ist. Zur Erinnerung: Das «Non-Refoulement»-Gebot ist Teil des zwingenden Völkerrechts (ius cogens) und daher – wie in Artikel 53 des Wiener Übereinkommens von 1969 dargelegt – eine von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Norm, von der keine Ausnahmeregelung zulässig ist.
Selbst der schlimmste Terrorist ist vor Folter geschützt, und das Schweizer Recht kann von diesem Grundsatz nicht abweichen. Amnesty empfiehlt daher, diesen Antrag klar abzulehnen.
Nationalrat
4. März 2019
18.3409 Umsetzung einer fairen Asylpolitik in Bezug auf Eritrea
Der Antrag fordert eine «faire» Politik, empfiehlt aber Massnahmen (Aufhebung so vieler vorläufiger Aufnahmen wie möglich, sofortige Stärkung der diplomatischen Präsenz der Schweiz in Eritrea zur Durchsetzung von Abschiebungen), die ausschliesslich auf eine Verschärfung der Situation für eritreische Asylsuchende abzielen.
Amnesty International empfiehlt, diesen Antrag aus den folgenden Gründen abzulehnen:
- Trotz der Annäherung zwischen Äthiopien und Eritrea zeigt die Menschenrechtssituation in diesem Land immer noch keine konkreten Anzeichen einer Verbesserung. Im Gegenteil: In den letzten Monaten wurden erneut Demonstrationen unterdrückt und es kam zu Massenverhaftungen.
- Anlässlich der Beratungen des Uno-Menschenrechtsrates in Genf im März 2018 äusserte sich die Schweizer Delegation besorgt über die Menschenrechtslage in Eritrea. Sie kritisierte insbesondere den mangelnden freien und unabhängigen Zugang internationaler Beobachter zum Land, der eine wichtige Voraussetzung für überprüfbare Informationen aus Eritrea wäre.
- Der jüngste Bericht der Sonderberichterstatterin des Uno-Menschenrechtsrates für Eritrea, der im Juni 2018 veröffentlicht wurde, verurteilt weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit unbegrenztem Nationaldienst und weit verbreiteter Folter in Gefängnissen.
- In einem Beschluss vom Dezember 2018 kritisierte der Uno-Ausschuss gegen Folter das Bundesverwaltungsgericht, welches die Beschwerde eines eritreischen Asylsuchenden im vornherein als aussichtslos bezeichnete und in einem sehr summarischen Verfahren erledigt hatte.
Amnesty International fordert in jedem Fall eine sorgfältige Einzelfallprüfung, wenn Risiken wie Folter oder Zwangsarbeit bestehen. Solange sich die Menschenrechtssituation nicht wesentlich und dauerhaft verbessert hat, hält es Amnesty zudem für falsch, die vorläufige Aufnahme für zahlreiche Eritreerinnen und Eritreer aufzuheben.
Nur wenige Asylsuchende, deren Gesuch definitiv abgelehnt wird, werden aus Angst vor Repression freiwillig nach Eritrea zurückkehren. Ohne Schutzstatus landen sie in der Schweiz in der Nothilfe und werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dies dürfte die Befürchtungen nur bestärken, wonach «Eritreer im Vergleich zu anderen Flüchtlingsgruppen als schwer integrierbar gelten und überdurchschnittlich häufig Sozialhilfe beziehen», wie in der vorliegenden Motion behauptet wird.
17.486 Kindswohl respektieren, Administrativhaft von Minderjährigen stoppen
Die Administrativhaft von Minderjährigen verstösst gegen die Uno-Kinderrechtskonvention, der die Schweiz beigetreten ist. Mehrere Uno-Organe – der Ausschuss für die Rechte des Kindes, der Menschenrechtsausschuss, das Büro des Hochkommissars für Flüchtlinge – haben bereits die vollständige Abschaffung dieser stossenden Praxis gefordert.
In der Schweiz haben neun Kantone die Inhaftierung von Minderjährigen aus migrationsrechtlichen Gründen aufgehoben und alternative Lösungen wie die Familienplatzierung gefunden. Es ist an der Zeit, dass die Praxis auf Bundesebene harmonisiert wird und die Schweiz ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt. Deshalb unterstützt Amnesty International den Vorschlag zur entsprechenden Änderung des Ausländergesetzes.