Beide Kammern werden sich auch dem Kampf gegen Sexismus widmen. Mit der Annahme der Motion Rytz (19.3869) hat der Ständerat die Gelegenheit, anhaltende Geschlechterstereotypen und diskriminierendes Verhalten endlich koordiniert und wirksam zu bekämpfen und der faktischen Gleichstellung der Geschlechter einen Schritt näher zu kommen. Aufgrund einiger Verspätung im Departement erst für Anfang 2021 erwartet ist die Revision des Sexualstrafrechts, welche in einem längst überfälligen Schritt ein «zeitgemässes Sexualstrafrecht» schaffen soll.
Schliesslich bietet sich dem Parlament die Möglichkeit, einen konkreten Beitrag zur besseren Unterstützung gewaltbetroffener Geflüchteter zu tun. Amnesty unterstützt die entsprechende Motion der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (20.3924), lehnt aber weitere Verschärfungen im Ausländer- und Asylrecht ab (u.a. 16.403, 20.063).
Im Anschluss finden Sie Amnesty’s Position zu konkreten Geschäften zu diesen Themen.
Übersicht (Nach Themen)
Gleichstellung
13.468 n Pa. Iv. Fraktion GL. Ehe für alle
19.081 s ZGB. Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister
Asyl und Migration
20.063 n Ausländer- und Integrationsgesetz. Änderung
Sexuelle Gewalt
19.3869 n Mo. Nationalrat (Rytz Regula). Breit angelegte Präventionskampagne gegen Sexismus
19.317 n Kt. Iv. Genf. Für eine einfachere Bekämpfung sexueller Belästigung
Weitere Geschäfte
20.024 Weltbankgruppe und Afrikanische Entwicklungsbank. Kapitalerhöhung
Gleichstellung
SR, Dienstag, 1. Dezember
13.468 n Pa. Iv. Fraktion GL. Ehe für alle
Der Nationalrat sprach sich in der Sommersession sich für die «Ehe für alle» aus und für eine umfassende Gleichstellung: Gleichgeschlechtliche Paare sollen die gleichen Rechte haben, auch dann, wenn es um den Zugang zur Samenspende und die Elternschaftsanerkennung ab Geburt geht.
Amnesty International ist erfreut über dieses Bekenntnis zum Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und ruft den Ständerat auf, seiner Rechtskommission zu folgen und sich ebenfalls für die Vorlage auszusprechen.
Der Entscheid für eine umfassende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Bereich der Ehe fiel im Nationalrat – sieben Jahre nach der Einreichung einer entsprechenden parlamentarischen Initiative durch Nationalrätin Kathrin Bertschy – mit 132 zu 52 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) sehr deutlich aus.
SR, Dienstag, 1. Dezember und NR, Montag, 07. Dezember
19.081 s ZGB. Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister
Beide Räte haben sich bereits weitgehend dem bundesrätlichen Vorschlag angeschlossen, und sich für die vereinfachte Personenstandsänderung von trans Menschen entschieden. Für die Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags und des Vornamens soll künftig eine einfache Erklärung ausreichen. Amnesty begrüsst den auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhenden Vorschlag, wie auch das Transgender Network Schweiz.
Amnesty begrüsst auch den Entscheid der Rechtskommission des Ständerates, dem Vorschlag des Nationalrats zu folgen wonach urteilsfähige Minderjährige keine Zustimmung der gesetzlichen Vertreter brauchen.
Amnesty empfiehlt dem Ständerat, seiner Kommissionsmehrheit zu folgen.
Asyl und Migration
NR, Mittwoch, 16. Dezember 2020
20.063 n Ausländer- und Integrationsgesetz. Änderung
Amnesty International erachtet ein grundsätzliches Verbot oder zusätzliche Restriktionen von Auslandreisen für Asylsuchende und «vorläufig» Aufgenommene als unverhältnismässigen Eingriff in das in der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie in die Kinderrechte. Zudem wäre die Bewegungsfreiheit der Betroffenen damit stark eingeschränkt.Die Menschenrechtsorganisation hat deshalb bereits in der Vernehmlassung die vorgesehenen Änderungen deshalb entschieden abgelehnt. Hingegen begrüsst Amnesty, dass erwerbstätige «vorläufig» Aufgenommene neu bei Erfüllen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung eines Kantonswechsels haben sollen.
Dies reicht jedoch nicht aus: es braucht weitere Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von vorläufig Aufgenommenen.
20.3924 Mo. SPK-NR. Unterstützung von gewaltbetroffenen Geflüchteten in den Bundesasylzentren sicherstellen
Die rechtzeitige Erkennung, Diagnose und Behandlung der Traumata von Geflüchteten mit Gewalterfahrungen ist nicht nur im Hinblick auf Wohlergehen und Gesundheit der Betroffenen von zentraler Bedeutung, sondern auch für faire Asylverfahren. Dass diesbezüglich im neuen Asylverfahren erhebliche Defizite bestehen, hat auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt. Zumindest im Falle von Minderjährigen ist die Schweiz dazu auch völkerrechtlich verpflichtet (Prinzip des übergeordneten Kindesinteresse in der Uno-Kinderrechtskonvention).
Amnesty empfiehlt die Annahme der Motion.
SR, Donnerstag, 17. Dezember 2020
16.403 s Pa. Iv. Müller Philipp. Familiennachzug. Gleiche Regelung für Schutzbedürftige wie für vorläufig Aufgenommene
Amnesty lehnt die vorgeschlagene Anpassung der Familiennachzugsregeln für Personen mit vorübergehenden Schutzstatus in der Schweiz ab. Die hohen Hürden für den Familiennachzug werden seit Jahren im Zusammenhang mit der vorläufigen Aufnahme von zivilgesellschaftlichen Organisationen und internationalen Gremien kritisiert. Die dreijährige Wartefrist ab Statusgewährung ist nicht gerechtfertigt. Die Menschenrechtsorganisation ist dezidiert der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Anpassungen der Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht mit dem Recht auf Familienleben sowie dem Kindeswohl vereinbar sind. Zudem hält die Menschenrechtsorganisation eine Anpassung der Regelung des Familiennachzugs für Personen mit Schutzstatus-S aufgrund der Irrelevanz des Status weder für nötig noch für sinnvoll.
Des Weiteren verweist Amnesty auf die Stellungnahme der SFH vom 18. März 2019.
Amnesty empfiehlt den Vorstoss zur Ablehnung
Sexuelle Gewalt
SR, Mittwoch, 9. Dezember 2020
19.3869 n Mo. Nationalrat (Rytz Regula). Breit angelegte Präventionskampagne gegen Sexismus
Amnesty empfiehlt Annahme der Motion, womit der Ständerat dem Bundesrat und dem Nationalrat folgen würde. Die Istanbul-Konvention, welche auch die Schweiz ratifiziert hat, verlangt von den Vertragsparteien klare Massnahmen, «um soziale und kulturelle Verhaltensmuster zu ändern und Vorurteile zu beseitigen, die auf dem Gedanken der Unterlegenheit der Frau oder auf stereotypen Rollenbildern für Frauen und Männer beruhen». Dies bedeutet zum Beispiel auch, dass die Vertragsstaaten regelmässig Sensibilisierungskampagnen fördern und durchführen, um in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein und das Verständnis für unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gewalt zu verbessern. Auch die Uno-Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau (CEDAW) fordert von der Schweiz Massnahmen, um Praktiken zu beseitigen, die auf stereotypen Rollenbildern beruhen.
Stereotype Geschlechterbilder führen auch in der Schweiz zu Ungleichheit in der Bildung (geschlechterspezifische Berufswahl) und der Arbeitswelt (Lohnungleichheit, mangelnde Vertretung von Frauen in höheren Kaderpositionen), und tragen auch zur weit verbreiteten sexuellen Belästigung in diesen Bereichen bei.
NR, Donnerstag 17. Dezember 2020
19.317 n Kt. Iv. Genf. Für eine einfachere Bekämpfung sexueller Belästigung
Amnesty empfiehlt diese Standesinitiative zur Annahme. Sexuelle Belästigung soll in die Liste der Diskriminierungen aufgenommen wird, für welche die Beweislasterleichterung gilt. Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schrecken aus verschiedenen Gründen oft davor zurück, diese anzuzeigen und Wiedergutmachung zu verlangen. Diese Gesetzesänderung würde dazu beitragen, solche Hindernisse abzubauen, und wäre somit ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die verbreitete Straflosigkeit bei sexueller Belästigung und Gewalt in der Schweiz. Regelmässig erschüttern diesbezüglich Skandale die Öffentlichkeit, wie kürzlich mutmassliche Fälle beim Westschweizer Fernsehens RTS.
Weitere Geschäfte
SR, Mittwoch, 2. Dezember und NR, Donnerstag, 10. Dezember 2020
20.024 Weltbankgruppe und Afrikanische Entwicklungsbank. Kapitalerhöhung
Der Ständerat wird sich erneut mit den Kapitalerhöhungen für die Weltbankgruppe und die Afrikanische Entwicklungsbank befassen. Seine Aussenpolitische Kommission hat einen alternativen Kompromissvorschlag zu den vom Nationalrat beschlossenen Vorgaben für das Verhalten der Schweizer Vertretung in den Organen der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank eingefügt. Leider fehlt in diesem jedoch ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten sowie gegen Repressalien. Ausserdem macht der Kompromissvorschlag keine Vorgaben bezüglich dem Abstimmungsverhalten der Schweiz in den verschiedenen Gremien.
Eine Minderheit der APK des Ständerats unterstützt jedoch den vom Nationalrat eingebrachten Artikel 3c, welcher mehr Transparenz bezüglich dem Schweizer Abstimmungsverhalten verlangt. Entsprechend empfiehlt Amnesty Annahme der Minderheit zu Artikel 3c sowie die Ergänzung des Kompromissvorschlages um klare Vorgaben bezüglich den Menschenrechten und dem Schutz der Bevölkerung vor Repressalien.