Aussenpolitisch wird auch die Beziehung zu China im Zentrum stehen. Das Parlament hat die Gelegenheit, eine klarere Verankerung der Menschenrechte in der Umsetzung der China-Strategie zu fordern.
Neben institutionellen Entwicklungen sind in der kommenden Session auch ganz konkrete Fortschritte möglich: Durch ein 24-Stunden Beratungsangebot sollen von Gewalt Betroffene besser unterstützt werden, und der Ständerat kann sich für die Wiedereinführung des Botschaftsasyls aussprechen; eine zentrale Forderung von Amnesty International für die Legislatur, die angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan dringender denn je ist.
Im Anschluss finden Sie Amnesty’s Position zu diesen und weiteren Geschäften der bevorstehenden Session.
Übersicht (Nach Themen)
Nationale Menschenrechtsinstitution
Menschenrechtsaussenpolitik
Sexuelle Gewalt
Asyl und Migration
Waffen und Waffenhandel
21.021 Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer. Volksinitiative
21.3960 Ratifikation des Atomwaffenverbotsvertrags
nationale Menschenrechtsinstitution
NR, Dienstag, 14. September 2021
19.073 Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und zum Schutz der Menschenrechte. Bundesgesetz
Nachdem der Ständerat in der Sommersession die Vorlage zur Schaffung einer Nationlen Menschenrechtsinstitution (NMRI) klar angenommen hat, ist nun der Nationalrat am Zug. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf des Bundesrats, der 2019 ans Parlament ging, war eine wenig ambitionierte Umsetzung der internationalen Vorgaben.
Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass eine unabhängige, starke und langfristig finanzierte NMRI einen wesentlichen Mehrwert bieten kann, indem sie die öffentliche Debatte mit Fachwissen unterstützt.
Auch wenn es ein wenig den Anschein macht, dass der Berg eine Maus gebären wird − vor allem, was die geplanten Ressourcen für die NMRI betrifft: Die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzes wäre ein Fortschritt. Ein Signal, dass auch das Schweizer Parlament einsieht, wie zentral der Schutz und die Förderung der Menschenrechte für eine Gesellschaft – gerade in Krisenzeiten – sind.
Amnesty empfiehlt dem Nationalrat, seiner Kommission zu folgen und das Geschäft 19.073 anzunehmen. In Bezug auf Artikel 10a und 10b des Entwurfs unterstützt Amnesty die Mehrheit der Kommission. Die Abweichung vom Ständerat ist wichtig, um der NMRI eine langfristige Finanzierung und ein umfassendes und nachhaltiges Mandat zu erteilen.
MenschenrechtsAussenpolitik
Beide Räte werden sich mit Vorstössen zur Menschenrechtslage in China beschäftigen. Der Nationalrat wird entscheiden, ob der Bundesrat seine China-Strategie mit konkreten Zielen zur Förderung der Menschenrechte ergänzen soll (21.3965, am 14. September) und ob das Freihandelsabkommen entsprechend nachverhandelt werden soll (21.3966, am 27. September). Beide Forderungen wurden von der Aussenpolitischen Kommission unterstützt.
Der Ständerat wird weiterhin die Motion seiner APK behandeln, welche einen verstärkten Austausch und ein koordiniertes Auftreten der verschiedenen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gegenüber China fordert (21.3592, am 30. September).
Amnesty International sieht alle drei Vorstösse als Elemente, welche eine konsequentere Vertretung der menschenrechtlichen Werte der Schweiz gegenüber China unterstützen können. Entsprechend empfiehlt Amnesty deren Annahme.
Sexuelle Gewalt
Im August hat die Rechtskommission des Ständerates zweimal über die Sexualstrafrechtsrevision diskutiert, und breite Anhörungen durchgeführt. Amnesty International begrüsst, dass auch direkt betroffene Personen ihre Sicht und Erfahrung teilen konnten, und erwartet, dass das Parlament diesen in der weiteren Beratung angemessen Rechnung trägt. Die RK-S hat die Verwaltung beauftragt, weitere Varianten auszuarbeiten, und erhält so die Möglichkeit, auch die breit geforderte Zustimmungslösung tiefer zu prüfen.
Amnesty begrüsst, dass sich die Rechtskommission ernsthaft mit den verschiedenen Varianten auseinandersetzt. Allerdings ist die Verzögerung des Prozesses – die Beratung im Ständerat ist frühestens für Sommer 2022 vorgesehen – bedauerlich.
Neben der Strafrechtsreform berät die Herbstsession über weitere Geschäfte, welche unmittelbar helfen könnten, Opfer von sexueller Gewalt zu unterstützen. So zum Beispiel die Motionen zur Schaffung eines 24h-Beratungsangebot.
NR, Donnerstag, 16. September 2021
SR, Montag, 27. September 2021
20.4463, 20.4451 und 20.4452 24h-Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Personen gemäss Istanbul-Konvention
Sowohl im Ständerat als auch im Nationalrat wurden gleichlautende Motionen zur Schaffung eines 24h-Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Personen eingereicht. Beide Räte haben «ihre eigene» Motion bereits angenommen, müssen aber die (gleichlautende) Motion des anderen Rates noch behandeln.
Das geforderte Beratungsangebot ist ein wichtiges Element der konkreten Umsetzung der Istanbul Konvention gegen Gewalt an Frauen und gegen häusliche Gewalt, und somit der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.
Entsprechend begrüsst Amnesty diese Vorstösse, und empfiehlt sie zur Annahme.
Asyl und Migration
NR, Dienstag, 14. September 2021
21.018 UNO-Migrationspakt
Amnesty International hat sich während der Verhandlungen zum Uno-Migrationspakt für umsetzbare Empfehlungen eingesetzt und erachtet das Schlussdokument trotz gewisser Schwächen als Fortschritt. Schon früher hat Amnesty dem Parlament empfohlen, den Uno-Migrationspakt zu unterstützen. Mit der Zustimmung zu der Vereinbarung würde die Schweiz ein wichtiges Zeichen setzen für die internationale Zusammenarbeit und die Verlässlichkeit der Schweizer Diplomatie.
In der Sommersession hat der Ständerat die Beratung des Paktes sistiert, und die SPK-N empfiehlt dem Nationalrat dasselbe. Amnesty International bedauert die erneute Verzögerung bei der Ratifizierung und fordert das Parlament und den Bundesrat auf, den Uno-Migrationspakt zeitnah zu beraten und umzusetzen.
SR, Mittwoch, 15. September 2021
21.3282 s Wiedereinführung Botschaftsasyl
Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat es mit neuer Dringlichkeit gezeigt: Bedrohte Menschen sind gezwungen, sich unter Todesgefahr auf unsichere Fluchtrouten zu begeben, um im Ausland überhaupt erst um Asyl ersuchen zu können. Die Wiedereinführung des Botschaftsasyl – eine zentrale Forderung von Amnesty International für die laufende Legislatur – böte die Möglichkeit, Menschen vor Ort zu helfen und ihnen eine sichere Flucht in die Schweiz zu ermöglichen.
Seit 2015 steckt die europäische Migrationspolitik in der Krise: Die Tendenz zur Abschottung hat sich in diversen Staaten verstärkt. Damit verschlimmerte sich die gravierende Lage an den europäischen Aussengrenzen. Die Leidtragenden sind in erster Linie Menschen auf der Flucht. Griechenland, Italien und Spanien, die die Hauptlast an Asylgesuchen tragen, werden vom Rest Europas weitgehend sich selbst überlassen. Was die Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie der Türkei oder Libyen betrifft, hat sich gezeigt, dass das Fehlen funktionierender Asylsysteme zu schweren Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten führt.
Nachdem die Beratung in der Sommersession verschoben wurde, empfiehlt Amnesty weiterhin die Annahme der Motion 21.3282 zwecks Ausarbeitung einer Gesetzesgrundlage zur Wiedereinführung des Botschaftsasyls.
SR, Mittwoch, 15. September 2021
20.063 n Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes
Amnesty International erachtet ein grundsätzliches Verbot oder zusätzliche Restriktionen von Auslandreisen für Asylsuchende und «vorläufig» Aufgenommene als unverhältnismässigen Eingriff in das in der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie in die Kinderrechte. Zudem wäre die Bewegungsfreiheit der Betroffenen damit stark eingeschränkt. Die Menschenrechtsorganisation hat deshalb bereits in der Vernehmlassung die vorgesehenen Änderungen entschieden abgelehnt.
Hingegen begrüsst Amnesty International, dass erwerbstätige «vorläufig» Aufgenommene neu bei Erfüllen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung eines Kantonswechsels haben sollen. Dies reicht jedoch nicht aus: Es braucht weitere Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von vorläufig Aufgenommenen. Entsprechend empfiehlt Amnesty dem Ständerat nicht auf die Vorlage einzutreten.
SR, Mittwoch, 15. September 2021
21.051 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration. (COVID Testpflicht)
Amnesty International lehnt zwangsweise Tests für abgewiesene Asylsuchende ab, wie in unserer Vernehmlassungsantwort ausgeführt wird.
Trotz den von Amnesty International und mehreren anderen Organisationen geäusserten Bedenken, halten sowohl der Bundesrat wie auch die SPK-N an der Möglichkeit von Tests gegen den Willen der betroffenen Person fest.
Amnesty International betrachtet Covid-Tests unter Zwang als unverhältnismässigen Eingriff und damit als Verletzung des Grundrechts auf körperliche Integrität als Teil der persönlichen Freiheit. Es ist zudem zweifelhaft, ob solche Tests ohne ernstliche Verletzungsgefahr und/oder körperlichen Zwang durchgeführt werden können. Somit besteht ein Risiko von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Des Weiteren verletzt der Gesetzesvorschlag den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung, da keine andere Bevölkerungsgruppe zu einem Covid-Test verpflichtet und gezwungen wird.
Aufgrund dieser erheblichen menschenrechtlichen Bedenken lehnt Amnesty International die vorgeschlagene Änderung des AIG ab, und unterstützt den Nichteintretensantrag der Minderheit der SPK.
Schutz von Kindern und Jugendlichen auf der Flucht
wAFFEN UND wAFFENHANDEL
NR, Montag, 13. September
21.021 Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer. Volksinitiative
Amnesty ist Mitglied der Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer und teilt deshalb deren Forderungen.
Nachdem der Ständerat im Sommer den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative leicht abgeändert hat, hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates ein weiteres Schlupfloch für Waffenexporte geschaffen, welches die Allianz nicht akzeptieren will. Mit dieser Ausnahmebestimmung würden beispielsweise Kriegsmaterialexporte in die Türkei oder die Ukraine möglich werden, was aus Sicht der Allianz inakzeptabel ist. Wenn jedoch der Nationalrat am 13. September dem Vorschlag des Ständerates folgt, wird die Allianz die Korrektur-Initiative zurückziehen.
Entsprechend empfiehlt Amnesty dem Nationalrat, dem ständerätlichen Vorschlag zu folgen.
NR, Dienstag, 14. September 2021
21.3960 Ratifikation des Atomwaffenverbotsvertrags
Auch die Schweiz muss den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren und sollte sich nicht von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft isolieren. Der Bundesrat sagt selbst, dass er das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen teilt. Das Ende der nuklearen Bedrohung anzustreben ist klar im Einklang mit der schweizerischen humanitären Tradition und ihrer aussenpolitischen Interessen und Werte.
Entsprechend empfiehlt Amnesty das Postulat der SIK-N zur Annahme.