Bundeshaus Bern, Südsicht. © parlament.ch
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Herbstsession vom 12. September bis 30. September Menschenrechte im Parlament: Herbst 2022

9. September 2022
Nach der Rekordhitze und Dürre in diesem Sommer und den weltweit erkennbaren schweren Folgen der globalen Erderwärmung wird sich die Herbstsession wieder dem Thema der Klimagerechtigkeit widmen. Gleich mehrfach werden Ständerat und Nationalrat den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative beraten und erwartungsgemäss zum Abschluss bringen.

Amnesty International teilt das Ziel der Gletscherinitiative, menschengemachte Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null zu senken, und fordert ebenfalls, dass fossile Energieträger so schnell wie möglich nicht mehr genutzt werden. Entsprechend sehen wir den indirekten Gegenvorschlag in der Version Nationalrat als einen minimalen ersten Schritt, um schnelle und effektive Massnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. 

Neben dem Klimaschutz wird auch der Krieg in der Ukraine die Debatten bestimmen.  Die Schweiz hat Menschen, die in Folge der russischen Invasion in die Schweiz geflüchtet sind, mit offenen Armen empfangen. Wir fordern das Parlament auf, Vorstösse abzulehnen, welche diese Solidarität in Frage stellen und begrenzen wollen.

Unsere Positionen zu diesen und anderen Geschäften der kommenden Session finden sie in diesem Newsletter.

Übersicht (Nach Themen)

Klimagerechtigkeit

21.501 – Pa. IV - Indirekter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative. Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 

Asyl und Migration

21.4444 – Postulat - Wie sorgt der Bundesrat dafür, dass die Fifa und das IOC ihren Verpflichtungen nachkommen? 

Stärkung des Völkerrechts 

22.3857 – Postulat – Strafbarkeit von vorsätzlichen Verstössen gegen zwingendes Völkerrecht 

22.3362 – Motion – Kampf gegen die Straffreiheit. Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut in das Schweizer Recht  

Weitere Themen

22.3362 – Motion – Kampf gegen die Straffreiheit. Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut in das Schweizer Recht  

22.3201 – Postulat – Digitale Gewalt eindämmen 

Klimagerechtigkeit

15. & 22. September, Ständerat sowie 20. & 26. September Nationalrat
21.501 – Pa. IV - Indirekter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative. Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 205

Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative ist in beiden Räten mehrmals traktandiert, und wird wohl diese Session zu Ende beraten. Amnesty International teilt das Ziel der Gletscherinitiative, menschengemachte Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null zu senken, und fordert ebenfalls, dass fossile Energieträger so schnell wie möglich nicht mehr genutzt werden. 

Die Menschenrechte und deren Schutz sind eng mit dem Klimawandel verknüpft, denn er hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf unser eigenes Wohlergehen. Der Klimawandel bedroht nicht nur unsere Existenz, sondern hat auch schädliche Auswirkungen auf unsere Rechte auf Leben, Gesundheit, Nahrung, Wasser, Wohnung und Lebensunterhalt. 

So fordert Amnesty International insbesondere, dass Massnahmen zum Schutz des Klimas auf eine menschenrechtsverträgliche Weise umgesetzt werden, und dass diese dazu dienen, Ungleichheiten zu reduzieren, statt zu fördern. 

In der Herbstsession wird sich der Ständerat zum indirekten Gegenvorschlag äussern. Amnesty International sieht den Vorschlag als einen ersten Schritt, aber die darin enthaltenen Massnahmen dürften ungenügend sein, um die obengenannten Ziele zu erreichen. Entsprechend empfiehlt Amnesty International dem Ständerat, die Parlamentarische Initiative 21.501 anzunehmen und dabei der Minderheit der UREK-N zu folgen, die einen höheren Betrag für das Gebäudeprogramm fordert. 

Asyl und migration

Unangemessene Einschränkungen beim Schutzstatus-S 

Nach der russischen Invasion der Ukraine hat sich die Schweiz mit der Aktivierung des Schutzstatus-S den gesamteuropäischen Bemühungen angeschlossen, geflüchteten Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen.  

Amnesty International fordert, dass allen Menschen der gleiche Schutz geboten wird. Niemand, der vor dem Krieg in der Ukraine flieht, darf diskriminiert werden. In der Herbstsession sind verschiedene Vorstösse traktandiert, die versuchen, den Schutz vor Verfolgung und Krieg auf einzelne Personengruppen (22.3518) oder bestimmte Regionen der Ukraine (22.3517 und 22.3516) zu begrenzen.  

Amnesty International empfiehlt diese Vorstösse zur Ablehnung. 

15.September, Ständerat
21.310 – Standesinitiative - Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren 

Die Standesinitiative 21.310 fordert die Bundesbehörden auf, sicherzustellen, dass Asylsuchende, die auf den griechischen Inseln untergebracht sind, in die Schweiz in Sicherheit gebracht werden, damit ihnen hier ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet werden kann. Amnesty hat die menschenunwürdige Behandlung von Geflüchteten und schlechten Aufnahmebedingungen in Griechenland ausführlich dokumentiert.  

Amnesty International bedauert, dass die SPK-S in der zweiten Beratung der Standesinitiative keine Folge mehr gegeben hat und empfiehlt dem Ständerat sie trotzdem anzunehmen.  

28. September, Nationalrat
21.4045 - Motion - So schnell wie möglich wieder eine Vertretung in Kabul einrichten 

Motion 21.4045 fordert, dass die Schweiz schnellstmöglich wieder eine Vertretung in Kabul einrichten soll.  

Ende August 2022 hat Amnesty International letztmals die illegalen Pushbacks, Folter und Waffengewalt gegen Geflüchtete aus Afghanistan an der Grenze zum Iran oder der Türkei dokumentiert. Dies zeigt, wie dringend sichere Fluchtwege, vor allem für Frauenrechtsaktivist*innen und bedrohte Menschenrechtsverteidiger*innen, nach wie vor sind.  

Durch die Erteilung von humanitären Visa für bedrohte Personen und der Erleichterung der Familienzusammenführung könnte eine Schweizer Vertretung  in Kabul einen wichtigen Beitrag zum Schutz bedrohter Menschen leisten. Deshalb unterstützt Amnesty International dieses Anliegen.  

Sport und menschenrechte

28. September 2022, Nationalrat
21.4444 – Postulat - Wie sorgt der Bundesrat dafür, dass die Fifa und das IOC ihren Verpflichtungen nachkommen? 

Postulat 21.4444 will den Bundesrat beauftragen, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, ob die Fifa und das IOC die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) einhalten.  

Recherchen von Amnesty International zeigen auf, dass es bei der Vorbereitung und Durchführung von internationalen Sportveranstaltungen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen immer wieder zu massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen kommt. Aktuelles Beispiel ist die Fussball-WM in Katar 2022, wo die Vorbereitungsarbeiten mit Zwangsarbeit, Lohndiebstahl und Hunderten von ungeklärten Todesfällen einhergingen. Auch bei anderen Sportgrossveranstaltungen gilt: Die Weltsportverbände unternehmen nicht genügend, um negative Konsequenzen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte zu verhindern, zu mildern und zu entschädigen. Deshalb muss die Schweiz Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Sportverbände mit Sitz in der Schweiz, ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht gemäss den Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nachkommen.  

Entgegen der ablehnenden Haltung des Bundesrates empfiehlt Amnesty International das Postulat zur Annahme. 

Stärkung des Völkerrechts 

27. September 2022, Ständerat
22.3857 – Postulat – Strafbarkeit von vorsätzlichen Verstössen gegen zwingendes Völkerrecht 

Postulat 22.3857 will den Bundesrat beauftragen, vorsätzliche Verstösse gegen zwingendes Völkerrecht, insbesondere das Verbot der Folter, der Sklaverei und der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen, sowie die damit verbundene Verweigerung des Zugangs zu einem Asylverfahren konsequenter zu bestrafen.  

Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulats.  

Die Stärkung des Völkerrechts ist eine aussenpolitische Priorität der Schweiz. Es ist daher auch aus Gründen der Politikkohärenz angezeigt, Lücken in der Schweizer Gesetzgebung zu identifizieren und zu schliessen.  Amnesty International begrüsst das Postulat und empfiehlt es dem Ständerat zur Annahme.

27. September, Ständerat
22.3362 – Motion – Kampf gegen die Straffreiheit. Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut in das Schweizer Recht  

Auch die Motion 22.3362 zielt auf die Stärkung der Umsetzung des Völkerrechts in der Schweiz, indem der Bundesrat beauftragt wird, die Übernahme des Verbrechens der Aggression in das Schweizerische Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten. 

Staaten sollen sicherstellen, dass ihre nationale Gesetzgebung zu internationalen Verbrechen dem Völkerrecht vollumfänglich entspricht. Deshalb begrüsst Amnesty International die Stossrichtung der Motion.  

weitere themen

27. September, Ständerat
22.3234 - Motion - Krisenzentren für Opfer von sexualisierter, häuslicher und geschlechtsbezogener Gewalt 

Das Angebot an Unterstützung und Schutz für Opfer sexualisierter Gewalt variiert stark von Kanton zu Kanton. In mehreren Regionen der Schweiz ist es ungenügend. Mit dieser Motion würden nicht nur die Anforderungen von Artikel 25 der Istanbul-Konvention erfüllt, der die Einrichtung von Nothilfezentren für Opfer sexueller Gewalt fordert, sondern auch Artikel 4, der die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Opfer in der Schweiz gewährleisten soll.  

Solche Nothilfezentren sind kein neues Konzept, sie haben sich in einigen Kantonen bereits seit mehreren Jahren bewährt. Die Tatsache, dass dennoch etliche Kantone keine solche Angebote eingeführt haben, unterstreicht die Notwendigkeit von minimalen Standards auf Bundesebene. Menschen, die sexualisierte oder häusliche Gewalt erlebt haben, würden von solchen Nothilfezentren in der ganzen Schweiz stark profitieren.  

Wie eine von gfs.bern 2019 durchgeführte Umfrage gezeigt hat, verzichtet die überwiegende Mehrheit der Opfer nach dem Übergriff auf eine Anzeige. Die Sicherung der Gewaltspuren in einem Krisenzentrum würde es ihnen ermöglichen, dies später noch zu tun, wenn sie dazu bereit sind. Dies könnte dazu beitragen, die weitgehende Straflosigkeit von sexuellen Gewaltverbrechen zu verringern. 

Amnesty International empfiehlt daher dem Ständerat, Motion 22.3234 anzunehmen. 

22.September, Nationalrat 
22.3201 – Postulat – Digitale Gewalt eindämmen 

Digitale Gewalt muss ernst genommen werden muss, da sie schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben kann und die Ausübung ihrer Meinungsfreiheit behindert, indem sie Betroffene zum Schweigen bringt. Amnesty International beobachtet mit Besorgnis, wie stark insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in der Schweiz digitaler Gewalt ausgesetzt sind. Es ist wichtig, sich auf Daten und eine seriöse Analyse der Situation verlassen zu können, um sinnvolle Massnahmen zur Bekämpfung dieser Gewalt entwickeln zu können.  

Wir weisen das Parlament jedoch darauf hin, dass Massnahmen zur Prävention und Verfolgung dieser Art von Gewalt die Rechte auf Privatsphäre und freie Meinungsäusserung nicht unverhältnismässig beeinträchtigen dürfen. Wir empfehlen daher, in den Bericht, der im Falle der Annahme dieses Postulats verfasst würde, eine Analyse der Auswirkungen jeder vorgeschlagenen Massnahme auf diese grundlegenden Menschenrechte aufzunehmen. 

Amnesty International empfiehlt die Annahme des Postulats 22.3201. 

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