Übersicht (Nach Themen)
Angriff auf die europäische Menschenrechtskonvention
Erklärung der Rechtskommission
Asyl und Migration
Israel / Besetzte Palästinensische Gebiete
Motion: Finanzielle Unterstützung in Palästina. Einsetzung einer Taskforce
Weitere Geschäfte
Motion: Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft
Motion: Für eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus
Angriff auf die Europäische Menschenrechtskonvention
Erklärung der Rechtskommission
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt eine zentrale Rolle im Schutz und in der Durchsetzung der Menschenrechte. Er stellt in letzter Instanz sicher, dass die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten Rechte auch in der Schweiz und anderen Mitgliedstaaten respektiert und umgesetzt werden. Dies ist besonders wichtig in Fällen, in denen nationale Gerichte versagen oder die Menschenrechte unzureichend schützen.
In der Sommersession wird der Ständerat auf Antrag seiner Rechtskommission über eine «Erklärung» beraten, welche das EGMR-Urteil zu den Klimaseniorinnen scharf kritisiert, und den Bundesrat auffordert, dem Urteil keine Folge zu leisten. Diese Diskussion stellt einen gefährlichen Tabubruch dar. Das Urteil ist präzise formuliert, greift nicht direkt ein in die gesetzgeberischen Kompetenzen und übersteuert keine Volksentscheide. Stattdessen regt es eine Anpassung an, die – sofern die Massnahmen nicht in die Zuständigkeit des Bundesrates fallen – einen gesetzgeberischen Prozess erfordert. Dieser Prozess soll die Verletzung der Menschenrechte beheben und wird nach demokratischen Grundsätzen geführt, wie es auch bei anderen Anpassungen der Fall ist.
Der EGMR ist ein unverzichtbares Instrument für die Durchsetzung der Menschenrechte in Europa. Amnesty International betont die Wichtigkeit, dass alle Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen gegenüber dem EGMR ernst nehmen und dessen Urteile umsetzen. 2018 haben sich 66% der Schweizer*innen und alle Kantone deutlich für die EMRK ausgesprochen, indem sie die Anti-Menschenrechtsinitiative der SVP an der Urne abgelehnt haben.
Amnesty International lehnt deshalb die Erklärung 24.053 der RK-S ab, und fordert den Ständerat auf, dies ebenfalls zu tun.
Asyl und Migration
In der Legislaturperiode 2023-2027 stehen für Amnesty International zentrale menschenrechtliche Herausforderungen im Fokus. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf das Ziel 17 der Legislaturplanung des Bunderats, wonach die Schweiz «für eine stringente Asyl- und Integrationspolitik» sorgen soll, «die Chancen der Zuwanderung» nutzen und sich «für eine effiziente europäische und internationale Zusammenarbeit» einsetzen will.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Schweiz eine menschenwürdige und faire Asylpolitik verfolgt, die sowohl den Schutzbedürfnissen der Asylsuchenden gerecht wird als auch deren Integration in die Gesellschaft fördert. Amnesty International fordert daher, dass die Legislaturplanung Massnahmen beinhaltet, welche sicherstellen, dass die Rechte der Geflüchteten gewahrt werden und gleichzeitig die Chancen der Migration anerkannt werden. Zudem sollte die Schweiz eine aktive Rolle in der europäischen und internationalen Zusammenarbeit spielen, um eine koordinierte, humane und menschenrechtskonforme Asyl- und Migrationspolitik zu gewährleisten. Neben der Legislaturplanung, die am 6. Juni im Ständerat beraten wird, sind folgende asyl- und migrationspolitischen Geschäfte wichtig:
Afghanistan - Nationalrat - Montag, 27.5.2024
Erneut fordern gewisse Stimmen mehr Härte im Umgang mit Geflüchteten aus Afghanistan. Die Motion 23.4241 fordert eine Verschärfung der bisherigen Asylpraxis vom 17. Juli 2023. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates lehnt die Motion zwar ab, forderte aber im Gegenzug die Umsetzung der Kommissionsmotion 24.3008. Die Vorstösse verkennen, dass die aktuelle Praxis des Staatssekretariats für Migration keine Garantie für Asyl in der Schweiz bedeutet. Jeder Fall einer geflüchteten Person aus Afghanistan wird einzeln geprüft. Klar ist, dass die Menschenrechtslage in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban unverändert schlecht ist und Menschen unseren Schutz benötigen. Die aktuelle Asylpraxis hat sich diesbezüglich bewährt.
Amnesty International empfiehlt die Ablehnung der Motionen 23.4241 und 24.3008.
Eritrea - Nationalrat - Montag, 10. Juni 2024
Eritrea steht im Zentrum von verschiedenen Verschärfungen. In der Sommersession werden dazu die drei Motionen 23.4038, 23.4440 und 23.4447 behandelt. Motion 23.4038 fordert den Bundesrat dazu auf, mit Eritrea Verhandlungen zu einem Migrationsabkommen oder einer Migrationspartnerschaft aufzunehmen. Verhandlungen führt die Schweiz schon länger aber bisher erfolglos. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es weiterhin unwahrscheinlich, dass sich an der Verhandlungssituation etwas ändert. Motion 23.4440 fordert den Bundesrat dazu auf, mit Drittstaaten Transitabkommen zu schliessen, um abgewiesene eritreische Asylsuchende zurückzuführen. Eritrea lehnt eine unfreiwillige Rückkehr seiner Staatsangehörigen ab, dies gilt auch für Rückübernahmen über Transit durch Drittländer. Trotz des geringen Nutzens könnte diese Motion eine Türe für weitere Verschärfungen im Asylbereich öffnen. Die Motion 23.4447 fordert Massnahmen gegen Personen, die das Regime im Herkunftsland in der Schweiz gewaltsam unterstützen. Diesbezüglich existieren bereits rechtliche Mittel, wie der Bundesrat in seiner Antwort darlegt.
Amnesty International empfiehlt die Ablehnung aller drei Motionen.
Israel / Besetzte Palästinensische Gebiete
24.3194 | Motion | Sofortige Einstellung der Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA)
Nationalrat - Dienstag, 4.6.2024
Die Motion 24.3194 verlangt, dass die Schweiz ihre Unterstützung für die UNRWA einstellt.
Das Zögern der Schweiz, die Uno-Hilfe zu finanzieren, während Millionen von Palästinenser*innen an Hunger leiden, ist schwer zu begreifen und wird das Ansehen der humanitären Schweiz beschädigen. Die Schweiz soll dem Beispiel mehrerer europäischen Staaten folgen, die die wichtige Rolle der UNRWA anerkennen: Norwegen, Spanien, Irland, Belgien und weitere Staaten führen ihre Finanzierung weiter oder haben sie gar deutlich erhöht. Auch die Europäische Union hat Anfang März 2024 eine erste Tranche von 50 Millionen Euro für die UNRWA freigegeben.
Auch der Bundesrat lehnt die Motion klar ab.
Entsprechend empfiehlt Amnesty International die Ablehnung von Motion 24.3194.
23.4338 | Motion | Finanzielle Unterstützung in Palästina. Einsetzung einer Taskforce
Ständerat - Montag, 3.6.2024
Die Motion 23.4338 der APK-N verlangt, dass der Bundesrat die Beiträge der Schweiz an Organisationen und Institutionen im Nahen Osten überprüft. Der Vorstoss ist hoch umstritten, in der APK-S wurde er nur äusserst knapp, mit einer Stimme Unterschied angenommen.
Eine starke und unabhängige Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von Frieden und Menschenrechten. Dies ist gerade im aktuellen Kontext im Nahen Osten der Fall, wo palästinensische und israelische NGOs seit Jahren essenzielle Menschenrechtsarbeit leisten und so auch der Schweizer Aussenpolitik als wichtige Partnerorganisationen zur Verfügung stehen.
Bereits im November hatten mehrere europäische Länder, darunter die Schweiz, Massnahmen ergriffen, um die Finanzierung palästinensischer zivilgesellschaftlicher Organisationen auszusetzen oder einzuschränken. Der Bundesrat tat dies auf der Grundlage unbegründeter Anschuldigungen, dass Gelder an «terroristische Organisationen» umgeleitet oder für «Aufstachelung zu Hass und Gewalt» verwendet würden. Solche Behauptungen befördern seit langem bestehende rassistische und islamophobe Stereotype, die arabische und muslimische Menschen als gewaltbereit und als potenzielle «Terrorist*innen» darstellen. Die Motion 23.4338 reiht sich ein in diese Logik, und stellt zudem ein allgemeines Misstrauensvotum gegenüber den bereits bestehenden Sorgfaltsprüfungsprozessen des EDA dar.
Entsprechend empfiehlt Amnesty International weiterhin die Ablehnung von Motion 23.4338.
Weitere Geschäfte
22.4278 | Motion | Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft
Nationalrat - Dienstag, 4.6.2024
Amnesty International begrüsst das Engagement des Parlaments für die Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft, sowohl vor Ort als auch in der Schweiz. Amnesty International fordert zudem, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen im Iran zur Rechenschaft gezogen werden, und dass die mutmasslichen Täter strafrechtlich verfolgt und angeklagt werden, auch durch die universelle Gerichtsbarkeit in der Schweiz selbst.
Die Schweiz sollte sich weiterhin entschieden gegen die Todesstrafe einsetzen, und den Iran unverzüglich und öffentlich auffordern, die Todesstrafe für Drogendelikte abzuschaffen sowie sofort ein Moratorium für alle Hinrichtungen zu verhängen. Amnesty International verzeichnet eine massive Zunahme der Hinrichtungen im Iran in Folge der Unterdrückung der Protestbewegung „Frau, Leben, Freiheit“. Mindestens 853 Menschen wurden letztes Jahr in der Islamischen Republik hingerichtet.
23.4335 | Motion | Für eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus
Ständerat - Dienstag, 4.6. 2024
Rassismus und Antisemitismus stellen eine Bedrohung für die Menschenrechte dar. Sie verleugnen eines der Grundprinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Polarisierung und der jüngsten Gewalteskalation im Nahen Osten gehört es zur menschenrechtlichen Verantwortung der Schweiz, Massnahmen zu ergreifen, um alle Menschen vor rassistischer und antisemitischer Diskriminierung zu schützen.
Dazu braucht es ein koordiniertes Vorgehen von Bund und Kantonen, aber auch eine bessere Datenerfassung und -Auswertung, um rassistische und antisemitische Übergriffe als solche zu erkennen und sichtbar zu machen. Mit der Motion 23.4335 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrats ein Anliegen der ähnlich lautenden Motion 22.3307 aufgenommen. Zudem ruft sie Bundesrat und Kantone dazu auf, die Einsetzung eines Beauftragten für Rassismus- und Antisemitismusbekämpfung zu prüfen. Nachdem auch die SPK-S die Motion zur Annahme empfiehlt, muss noch der Ständerat entscheiden.
Amnesty International empfiehlt die Motion 23.4335 zur Annahme.