Stellungnahme zuhanden des Ständerats Verbot von Elektroschockwaffen bei Zwangsausschaffungen

Dezember 2007
Im November 2004 gab der Bundesrat den Gesetzesentwurf für ein «Gesetz über Zwangsmassnahmen» in die Vernehmlassung. Darin sah er unter anderem den Einsatz von Elektroschockwaffen bei der Zwangsausschaffung von AusländerInnen vor.

Aufgrund zahlreicher Proteste im Vernehmlassungsverfahren strich der Bundesrat diese Möglichkeit wieder aus dem Gesetzesentwurf. Im Gesetzesvorschlag, der dem Parlament im Januar 2006 vorgelegt wurde, war die Massnahme nicht mehr enthalten. Weder die ständerätliche Kommission noch das Plenum erwogen in einer ersten Gesetzesprüfung eine Wiedereinführung des Einsatzes von «Taser»-Waffen.

Der Nationalrat jedoch folgte der Empfehlung seiner staatspolitischen Kommission und beschloss gegen den Entscheid von Bundes- und Ständerat in der Herbstsession 2007, den Einsatz von «nicht tödlich wirkenden Destabilisierungsgeräten» − mit anderen Worten von Elektroschockwaffen − zu erlauben.

Im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens hielt die staatspolitische Kommission des Ständerats mit sechs gegen fünf Stimmen an ihrer anfänglichen Position fest. Der Ständerat wird in der Wintersession darüber befinden müssen.

Was sind Elektroschock-Waffen?

Diese Waffen von der Grösse einer Pistole schiessen über eine maximale Reichweite von zwölf Metern zwei Metallpfeile ab, die in die Muskulatur der Opfer eindringen, welche über einen Metalldraht mit der Waffe verbunden bleiben. Durch einen simp-len Knopfdruck kann der Schütze einen Stromstoss von 50'000 Volt auslösen. Die hohe Spannung lähmt für einige Sekunden das Nervensystem. Das Risiko, einen sen-siblen Teil des Körpers zu treffen, wie etwa das Gesicht oder die Augen, ist gross, da das Opfer sich in der Regel in Bewegung befindet.

Sind diese Waffen wirklich nicht tödlich?

Elektroschockwaffen vom Typ «Taser» werden von ihrem Fabrikanten als nicht töd-lich bezeichnet. Alleine zwischen 2002 und 2007 hat Amnesty International jedoch in den USA und in Kanada mehr als 290 Fälle dokumentiert (Stand: 30.November 2007), bei denen Menschen im Rahmen eines «Taser»-Einsatzes gestorben sind. Auch wenn nicht in allen Fällen der alleinige Einsatz der Elektroschockwaffe Todesursache war, hat der «Taser»-Einsatz dennoch massgeblich dazu beigetragen. Dies vor allem bei Personen, die über eine schwache Konstitution verfügten, speziellen Stresssituationen ausgesetzt waren oder unter Alkokohl- oder Drogeneinfluss standen.

Angesichts der grossen Zahl von Todesfällen im Zusammenhang mit «Taser»-Einsätzen können Elektroschockwaffen keinesfalls als nicht tödliche Waffen bezeichnet werden, selbst wenn nicht in allen Fällen eine direkte Verbindung zwischen dem «Taser»-Einsatz und dem Tod des Opfers festgestellt werden konnte.

Erst kürzlich haben kanadische Zeitungen innerhalb von einer Woche über drei Todesfälle von Personen berichtet (Ende November 2007), die mit Hilfe von «Tasern» überwältigt worden waren. So war ein 39-jähriger polnischer Immigrant mit einer Elektroschockwaffe be-schossen worden, nachdem er in der Ankunftszone des Flughafens von Vancouver ausgerastet war. Laut Augenzeugenberichten hat er Stühle umgeworfen und einen Computer auf den Boden geworfen, bevor er mit einem Stromstoss ruhiggestellt wurde. Kurz darauf starb er. Obwohl in diesem Fall keine direkte Verbindung zwischen dem Tod und der «Taser»-Waffe hergestellt werden konnte, hat er deutlich gezeigt, dass die Gefahr eines absolut unverhältnismässigen Einsatzes der Elektroschockwaffe sehr hoch ist.

Taser-Waffen als Folter-Instrumente

Das Uno-Komitee gegen Folter hat sich in einer öffentlichen Stellungnahme vom 23. November 2007 äusserst besorgt gezeigt über die Tatsache, dass «die Verwendung von Taser-Waffen, welche enorme Schmerzen verursachen und eine Form der Folter darstellen, unter gewissen Umständen tödlich sein können».

«Taser»-Waffen müssen als potentiell tödliche Waffen angesehen werden, vor allem beim Einsatz gegen Personen, die an Herz- oder Atemproblemen leiden. Der Einsatz von Elektroschockwaffen sollte ausschliesslich in Situationen grösster Gefahr erlaubt werden, wie auch der Einsatz von Schusswaffen.

Eine Frage der Verhältnismässigkeit

Die «Grundprinzipien für den Einsatz von Schusswaffen durch die verantwortlichen Gesetzesanwender» der Uno sehen sehr klare und strikte Regelungen für den Einsatz von Schusswaffen durch die Behörden vor. «Die Polizisten dürfen nur Schusswaffen einsetzen, wenn dies der Notwehr oder der Verteidigung Dritter gegen eine unmittelbare Lebensgefahr oder der Verhinderung der Gefahr einer schweren Verletzung dient – und dies nur, wenn weniger starke Massnahmen ungenügend sind, diese Ziele zu erreichen.»

Die Umstände, unter denen das Zwangsanwendungsgesetz zur Anwendung kommt, entsprechen diesen Bedingungen in keiner Weise. «Taser»-Waffen dürfen in keiner Situation als ungefährliche Waffen angesehen werden, die jederzeit zum Zweck der Gehorsamserzwingung eingesetzt werden können. Ihr Einsatz muss im Verhältnis stehen zur Bedrohung, die mit ihrem Einsatz abgewendet werden sollte.

Das zentrale Argument der «Taser»-Befürworter ist, dass diese Waffen weniger lebensgefährlich seien als Schusswaffen. Doch käme es niemandem in den Sinn, Schusswaffen zur Bändigung von Personen zu verwenden, die ausgeschafft werden sollen. Aus diesem Grund ist es absolut unangebracht, mit diesem Argument den Einsatz von «Taser»-Waffen bei Zwangsausschaffungen zu begründen, zumal es sich bei den betroffenen Personen in keiner Weise um Verbrecher handelt.

Der Gesetzesentwurf unterliegt klar dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Es ist jedoch absolut unverhältnismässig, Elektroschockwaffen bei der Ausschaffung zu verwenden, zumal es sich dabei in der Regel um Personen handelt, die bereits in Gewahrsam sind, nicht über Waffen verfügen und dementsprechend nicht hinreichend gefährlich sind, als dass der Einsatz von «Taser»-Waffen angebracht wäre. Im absolut grössten Teil der Fälle handelt es sich um Personen, die kein anderes «Verbrechen» begangen haben, als sich unrechtmässig auf Schweizer Boden aufzuhalten. Der Gesetzesentwurf, wie er vom Nationalrat angepasst wurde, erlaubt den Einsatz von «Taser»-Waffen selbst gegen Minderjährige oder schwangere Frauen, um nur zwei Kategorien besonders sensibler Personen zu nennen.

«Taser»-Waffen sind selbst bei Professionellen umstritten

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind sich die Schweizer Polizeicorps betreffend dem Einsatz von Waffen, die zur Kampfunfähigkeit führen, nicht einig. Einige Kantone haben diese in ihr Arsenal aufgenommen und ihren Einsatz auf spezielle Interventionstruppen limitiert, welche eine technische und psychologische Spezialausbildung für den Einsatz von Elektroschockwaffen erhalten haben. Ihr Einsatz ist auf genau definierte Umstände limitiert, bei denen ein massgebliches Gefahrenpotential besteht. Verschiedene andere Kantone haben die Möglichkeit ausgeschlossen, sich mit «Taser»-Waffen zu versorgen. Der Polizeichef der Kantonspolizei Waadt ging sogar so weit zu sagen: «Mit dieser Art Waffen sind wir nicht weit von Folter entfernt…» (Le Matin, 18.01.2007).

Verschiedene Polizeiverantwortliche befürchten insbesondere, dass Polizisten unter der Vorstellung, dass die Gefahr einer Tötung oder einer gravierenden Verletzung bei Elektroschockwaffen kleiner sei als bei Schusswaffen, deren Einsatz tendenziell verharmlosen und sie in Situationen einsetzen, in denen andere, weit weniger aggressive Mittel völlig ausreichend wären.