Wie andere Menschenrechtsorganisationen kann Amnesty International bestätigen, dass sich die Menschenrechtssituation in Tschetschenien zwar verbessert, aber noch nicht so stabilisiert hat, dass abgewiesene Asylsuchende bereits heute zurück geschickt werden könnten. Vor Ort herrscht nach wie vor ein Klima der Angst. Die in der Region agierenden zentralstaatlichen und lokalen Strafverfolgungsorgane reagieren bei gewalttätigen Anschlägen bewaffneter Gruppen willkürlich und bewegen sich ausserhalb der Gesetze. Personen, die über erlittene Folter und willkürliche Inhaftierung in geheimen Haftzentren berichten, werden Zielscheibe von Entführungen und riskieren für immer zu verschwinden. All diese Machenschaften sind straflos. Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden derart eingeschüchtert, dass sie von einer Klage gegen ihre Peiniger ablassen. Familienmitglieder, die sich im Zusammenhang mit dem Verschwinden von einem Familienmitglied an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gewendet haben, sahen sich sehr oft gezwungen, das Land zu verlassen, um ihre eigene Entführung zu verhindern.
Selbst wenn das BFM heute erst die Phase des rechtlichen Gehörs eingeleitet hat, muss damit gerechnet werden, dass es eine Frage der Zeit ist, bis die ersten vorläufigen Aufnahmen entzogen werden. Amnesty International betrachtet die Lage vor Ort als nach wie vor zu unstabil, um bereits in den nächsten Monaten zwangsweise Rückschaffungen durchzuführen. Eine Rückkehr in Sicherheit und Würde kann zurzeit nur auf freiwilliger Basis, gestützt auf ein nachhaltiges Rückkehrprogramm durchgeführt werden, welches auch eine wirtschaftliche Reintegration der RückkehrerInnen ermöglicht.
September 2008