Ausschaffungsinitiative Amnesty empfiehlt ein doppeltes Nein

November 2010
Amnesty International sagt klar Nein zur Ausschaffungsinitiative und lehnt auch den überflüssigen und potentiell menschenrechtswidrigen Gegenvorschlag des Parlamentes ab. Stichfrage: Gegenvorschlag.

Einmal mehr wird dem Schweizervolk eine Initiative zur Abstimmung unterbreitet, die klar und bewusst geltende Menschenrechtsstandards verletzt. Amnesty International bedauert sehr, dass das Parlament nicht den Mut fand, die Initiative für ungültig zu erklären. Damit erhalten die InitiantInnen einmal mehr die Möglichkeit aus einer missbräuchlichen Verwendung des Initiativrechts und mit fremdenfeindlichen Parolen politisches Kapital zu schlagen.

Die Initiative verlangt die automatische Ausschaffung von AusländerInnen, die für verschiedene Verbrechen und Vergehen verurteilt wurden, unabhängig von ihrem Aufenthalts-Status in der Schweiz und der Schwere der Tat. Die Liste von Verbrechen, die eine Ausschaffung zur Folge hätten, reicht von Mord über Vergewaltigung bis hin zum missbräuchlichen Bezug von Sozialleistungen. Der verlangte Automatismus kann zu einer Verletzung des völkerrechtlich verbindlichen Verbots des Non-Refoulement führen. Menschen dürfen in keinem Fall in ein Land zurück geschickt werden, in dem ihnen Folter oder Todesstrafe drohen. Die Initiative verletzt somit nicht nur internationale Vereinbarungen, wie die europäische Menschenrechts-Konvention, den UNO-Pakt II, die Kinderrechts-Konvention oder das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Der Automatismus verletzt auch das, in unserer Verfassung festgeschriebene Prinzip der Verhältnismässigkeit und das Verbot jeglicher Form von Diskriminierung.

Amnesty International ist klar der Meinung, dass menschenrechtsverletzende Forderungen nicht in unsere Verfassung gehören. Es gibt auch keinen Bedarf nach einer neuen Verfassungsgrundlage, da die aktuellen Gesetze bereits heute die Ausschaffung von verurteilten StraftäterInnen erlauben.

Der Gegenvorschlag ist überflüssig

Da die Initiative aller Voraussicht nach sehr gute Chancen hat, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, entschied sich das Parlament der Initiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen. Der Gegenvorschlag umfasst im Wesentlichen 2 Artikel. Der eine verbindet die Ausschaffung mit der Höhe des Strafmasses für eine abschliessend formulierte Liste von Vergehen. Dabei soll aber in jedem Fall die Einhaltung des Völkerrechts und die Respektierung des Verhältnismässigkeitsprinzips berücksichtigt werden. Der 2. Artikel formuliert einige Grundsätze für eine Integrationspolitik, die den Zusammenhalt zwischen der einheimischen und ausländischen Bevölkerung zum Ziel hat.

Auch der Gegenvorschlag führt zu einer Verschärfung der Politik gegenüber AusländerInnen. Nach Ansicht von Amnesty International ist diese Verschärfung überflüssig, da die heutigen gesetzlichen Regelungen (Ausländergesetz und Strafrecht) ausreichen, um ausländische StraftäterInnen ausweisen zu können und kann, wie das aktuelle Recht, zu Menschenrechtsverletzungen führen. Zudem kann auch der Gegenvorschlag dazu beitragen, die Vorurteile gegenüber der ausländischen Wohnbevölkerung zu verstärken.

Mit dem Gegenvorschlag besteht zudem auch die Gefahr einer unsachlichen Differenzierung, wenn die Ausschaffung allein von der Höhe der Strafe abhängig gemacht wird, was zu einer diskriminierenden Doppelbestrafung führen kann. Entscheidend müssten vielmehr die Wiederholungsgefahr und die persönlichen und familiären Verhältnisse der betroffenen Menschen sein. Da dies nicht automatisch garantiert ist, können auch mit dem Gegenvorschlag menschenrechtlich bedenkliche Situationen entstehen, wie zum Beispiel das Auseinanderreissen von Familien oder die Rückschaffung von Leuten der zweiten oder dritten Generation in ein Land, das sie noch nie gesehen haben und wo sie absolut keine Kontakte mehr haben.

Stichfrage für Gegenvorschlag

Amnesty International sagt klar Nein zur Initiative und lehnt auch den überflüssigen und potentiell menschenrechtswidrigen Gegenvorschlag ab.

Falls sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag in der Volksabstimmung angenommen werden, kommt der Stichfrage entscheidende Bedeutung zu.

Amnesty International empfiehlt, trotz der erwähnten Bedenken, bei der Stichfrage den Gegenvorschlag, als das kleinere Übel anzukreuzen und so die Initiative zu verhindern.