Die Anwendung des Istanbul-Protokolls – z.B. im Asyl- und Gesundheitsbereich – würde Opfern von Folter mehr Schutz bieten.© Amnesty International
Die Anwendung des Istanbul-Protokolls – z.B. im Asyl- und Gesundheitsbereich – würde Opfern von Folter mehr Schutz bieten. © Amnesty International

Folter Aufruf zur Anwendung des Istanbul-Protokolls

13. Dezember 2016
Für einen besseren Schutz für Opfer von Folter und anderer unmenschlicher Behandlung: Ein Aufruf der Demokratischen JuristInnen Schweiz, der von Amnesty International und weiteren Organisationen unterstützt wird, verlangt die Anwendung des Istanbul-Protokolls in der Schweiz.

Das Handbuch für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Strafe (bekannt als «Istanbul-Protokoll») legt internationale Standards und Richtlinien zur wirksamen medizinischen und juristischen Untersuchung und Dokumentation von Folteranschuldigungen fest. Das Istanbul-Protokoll wurde von 75 forensischen ÄrztInnen, PsychologInnen, MenschenrechtsbeobachterInnen und JuristInnen aus 40 Organisationen und 15 Ländern mit spezialisiertem Fachwissen verfasst. Seit Kurzem liegt das Protokoll auch auf Deutsch vor.

Neben internationalen juristischen und ethisch-medizinischen Standards zur wirksamen Untersuchung der Folter legt das Protokoll auch Methoden zur Befragung von Folteropfern sowie Methoden zur Erlangung physischer und psychischer Beweise der Folter dar. Einerseits zeigt es darin auf, welche physischen Untersuchungen bei Folter angezeigt sind und worin physische Beweise für einzelne Folterformen, wie Schläge, Elektroschocks oder Vergewaltigung, liegen. Andererseits werden die psychischen Folgeerscheinungen von Folter genau dargelegt. Das Protokoll enthält zudem vier Anhänge, die als praktische Anleitungen zur Untersuchung der Folter dienen.

Seit der Annahme durch die Generalversammlung der Uno im Jahr 1999, ist das Istanbul-Protokoll ein offizielles Uno-Dokument. Die Uno-Menschenrechtskommission (heute Menschenrechtsrat) hat das Protokoll ebenfalls angenommen. Gemäss dem Uno-Sonderberichterstatter für Folter stellt das Istanbul-Protokoll eine umfassende Richtlinie für die internationalen Rechtsstandards und ethischen Verpflichtungen zur Untersuchung von Folter dar. Schliesslich hat die Internationale Vereinigung von Richterinnen und Richtern im Flüchtlingsrecht (International Association of Refugee Law Judges) das Istanbul-Protokoll als erstrebenswerte «best practice» anerkannt.

Auch die EU und die Afrikanische Menschenrechtskommission haben das Protokoll als wirksames Mittel zur Information und Dokumentierung von Folter anerkannt. Trotz dieser internationalen Anerkennung des Istanbul-Protokolls als Standard und Richtlinie zur Untersuchung von Folteranschuldigungen auch im Asyl- und Auslieferungsbereich fehlt bis heute eine entsprechende Anerkennung des Istanbul-Protokolls durch die Schweiz.

Zudem ist das Istanbul-Protokoll unter medizinischen und juristischen Fachpersonen und Behörden in der Schweiz bisher wenig bekannt. Sowohl auf medizinischer als auch auf juristischer Seite fehlt es an Fachwissen hierzu. Zahlreiche Folteropfer ersuchen die Schweiz um Schutz vor einer Wegweisung oder Auslieferung in den Staat, wo ihnen Folter oder Misshandlung droht. Das Handbuch zur Untersuchung solcher Folteranschuldigungen wäre auch hier ein wertvolles Mittel für eine professionelle Beurteilung solcher Fälle.

Forderungen der unterzeichnenden Organisationen:
  1. Die Bundesbehörden, insbesondere das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Bundesamt für Justiz (BJ), werden dazu aufgefordert, den Beweiswert von Gutachten gemäss Istanbul Protokoll anzuerkennen. Zudem wird gefordert, dass bei glaubhaften Folteranschuldigungen, welche von den Behörden im Rahmen von Asyl- oder Auslieferungsverfahren bestritten werden, Gutachten gemäss Istanbul-Protokoll als Beweismittel eingeholt werden.

  2. Die Hochschulen, insbesondere die medizinischen Fakultäten der Schweizer Universitäten, werden dazu aufgefordert, eine Ausbildung zur Erstellung von Gutachten gemäss Istanbul-Protokoll anzubieten.

  3. Die Gesundheitsorganisationen, wie zum Beispiel die FMH-Verbindung für Schweizer Ärztinnen und Ärzte, die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie aber auch Psychiatrische Kliniken in der Schweiz, werden dazu aufgefordert, eine spezialisierte Weiterbildung zur Erstellung von Gutachten gemäss Istanbul-Protokoll anzubieten.
Unterzeichnende Organisationen:
  • DJS-JDS (Demokratische JuristInnen der Schweiz / Juristes Démocrates de Suisse)
  • ACAT-Suisse (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter / L'Action des chrétiens pour l'abolition de la torture)
  • Amnesty International Schweiz
  • APT (Association pour la prévention de la torture)
  • augenauf Basel
  • augenauf Bern
  • FIACAT (La Fédération internationale de l’ACAT)
  • FIZ (Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration / Centre d’assistance aux migrantes et aux victimes de la traite des femmes)
  • humanrights.ch
  • OMCT (Organisation Mondiale Contre la Torture)
  • Terre des Femmes Schweiz