Slowenien ist ein entwickeltes Land, dessen Bruttoinlandprodukt pro Kopf über dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt. Der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Kopf liegt bei 150 Litern, in urbanen Zentren sogar bei bis zu 300 Litern pro Tag. Genügend Wasser wäre für alle vorhanden. Dennoch haben zwischen 20 und 30 Prozent der Roma-Gemeinschaften im Südosten Sloweniens keinen Zugang zu einer Wasserversorgung. Gemäss dem Bericht von Amnesty International Parallel lives: Roma denied rights to housing and water in Slovenia, steht einigen Roma Familien weniger Wasser zur Verfügung, als bei humanitären Katastrophen als absolutes Minimum vorgesehen ist.
Kein Recht auf eine angemessene Unterkunft
Roma-Gemeinschaften haben keinen Zugang zu Wasserversorgung, sanitären Einrichtungen und Storm, weil sie keinen Grundstücksbesitz oder kein geregeltes Mietverhältnis nachweisen können. In Slowenien gibt es ein Gesetz, welches besagt, dass nur diejenigen Anspruch auf derartige Dienstleistungen haben, welche Grundstücke besitzen oder Besitzansprüche geltend machen können. Danilo Hudorovic und seine Familie leben in der informellen Roma Siedlung Gorica vas zusammen mit rund 70 weiteren BewohnerInnen. Hier gibt es keine Wasserversorgung, keine Elektrizität, keine Toiletten oder Abwasserkanäle. Danilo erzählte Amnesty International:
«Ich habe versucht, uns für eine Sozialwohnung anzumelden. Mir wurde gesagt, dass momentan in der Gemeinde Ribnica keine Wohnungen verfügbar seien und keine Bewerbungen entgegen genommen würden.»
Einige Gemeinden haben diese rechtlichen Hindernisse mittlerweile beseitigt. Andere hingegen, vor allem im Südosten des Landes, wehren sich weiterhin dagegen und verwehren somit den Roma Zugang zu ihren grundlegenden Rechten.
Der Kampf ums Überleben
Danilo Hudorovic und seine Familie wissen, was es heisst, wenn Menschenrechte missachtet werden und das Leben zum täglichen Überlebenskampf wird:
«Mein vier-jähriger Sohn muss sehr oft Antibiotika nehmen weil er häufig krank ist. Diese Medikamente muss man im Kühlschrank aufbewahren. Wir haben aber keinen Strom. Ich muss dreimal pro Tag, sogar mitten in der Nacht, zu meiner Schwiegermutter fahren, um die Medikamente zu holen. Unser Baby ist erst einige Monate alt. Sie ist ständig krank. Ich weiss nicht, wie wir diesen Winter überleben sollen.»
Verschmutztes Wasser und fehlende Toiletten
Neben Elektrizität fehlt es oft auch an Wasser. Das wenige Wasser, welches sich die Roma aus oft entlegenen Flüssen holen, ist meist verschmutzt. Einige haben mittlerweile illegale Anschlüsse, die Unterschiede innerhalb der Siedlungen sind jedoch frappant. Gemeinsam ist ihnen, dass sie kaum je an ein Abwassersystem angeschlossen sind, was die Betroffenen dazu zwingt, ihre Notdurft draussen, über selbst gegrabenen Löchern oder in nahegelegenen Wäldern, zu verrichten.
Der fehlende Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen zieht weitere Verletzungen grundlegender Rechte nach sich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Distanz zur nächsten Wasserquelle und einem Gesundheitsrisiko aufgrund mangelnder Hygiene.
Kein Zugang zu Schulen
Müssen weite Distanzen zurückgelegt werden, um Wasser zu holen, bleibt weniger Zeit zum Arbeiten, für die Zubereitung des Essens und die Kinderbetreuung. Fehlendes Wassers und Mangel an sanitären Einrichtungen haben zudem einen direkten Einfluss auf die Bildung der Kinder und die Arbeitsmöglichkeiten der Erwachsenen. Kinder gehen oft nicht mehr zur Schule, weil sie sich nicht waschen können und deswegen von anderen Schulkindern gehänselt und verspottet werden. Erwachsene haben dasselbe Problem bei der Arbeitssuche, da sie nicht einmal minimale Hygienestandards aufrecht erhalten können. Die Arbeitslosenrate der Roma liegt in einigen Regionen bei über 90 Prozent.
Teufelskreis der Diskriminierung
Ohne geregelte Miet- oder Besitzverhältnisse, welche den Roma oft verwehrt werden, bleibt ihnen meist nichts anderes übrig, als in informellen Siedlungen zu leben und gezwungenermassen auf den Zugang zu Wasser und Strom zu verzichten.
«Tagtägliche Diskriminierung von Roma Gemeinschaften lässt vielen keine andere Möglichkeit, als unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, zu leben. Ihre gesamte Existenz – von Gesundheit über Bildung der Kinder zu den Chancen, Arbeit zu finden – ist davon betroffen», sagt Nicola Duckworth, Leiterin des Programms Europa und Zentralasien bei Amnesty International.